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Pluto

© ASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

Bizarre Strukturen: Auf Pluto fließt Eis

Auf dem Zwergplaneten finden sich seltsame Strukturen, die an Permafrost erinnern. Offenbar entstehen sie durch die Bewegung von Stickstoff-Eis.

Bis zum Frühjahr des vergangenen Jahres war Pluto kaum mehr als ein schwacher Lichtpunkt im äußeren Sonnensystem. Wenig wusste man über ihn - außer, dass er zu klein ist, um als vollwertiger Planet zu gelten. Mit dem Vorbeiflug der Nasa-Sonde „New Horizons“ im Juli änderte sich das Bild. Atemberaubende Bilder schickte die Sonde von dem Zwergplaneten und seinem Mond „Charon“ – und Planetenforscher versuchten zu erklären, wie diese seltsamen Strukturen entstanden sind, etwa der herzförmige Fleck.

Eine drängende Frage blieb bisher unbeantwortet: Wie kamen die eckigen Strukturen am Rande des „Sputnik Planum“ zustande? „Polygone“, sagen Forscher dazu, man kennt sie beispielsweise vom Permafrostboden in der Tundra, wo sie ein paar Meter groß sind. Auf Pluto erstrecken sie sich über zehn bis 40 Kilometer. Eine Erklärung dafür stellen nun zwei Forscherteams im Fachmagazin „Nature“ vor. Demnach handelt es sich um einzelne Zellen, in denen Stickstoff-Eis ständig bewegt wird – angetrieben durch Wärme aus tieferen Schichten. Diese geologische Aktivität führt dazu, dass die Oberfläche ständig erneuert wird und höchstens eine Million Jahre alt ist.

Kaum Krater - die Oberfläche muss jung sein

Das geringe Alter der Oberfläche ist den Wissenschaftlern bereits auf den ersten Bildern der Sonde New Horizons aufgefallen: Es gibt kaum Krater, die auf Einschläge durch Asteroiden oder Kometen hinweisen. Auf Nahaufnahmen am linken Rand des „Pluto-Herz“ fehlen diese Krater ebenso, stattdessen entdeckten die Forscher dort die Polygonstrukturen.

Polygone, aufgenommen von der Nasa-Sonde "New Horizons".
Polygone, aufgenommen von der Nasa-Sonde "New Horizons".

© NASA/Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory/Southwest Research Institute

Das helle Material in der obersten Schicht besteht vorrangig aus Stickstoff sowie Methan und Kohlenmonoxid. Da Pluto sehr fern der Sonne kreist und keine Atmosphäre hat, ist es sehr kalt: nur 30 Grad über dem absoluten Nullpunkt. Daher sind die Substanzten nicht gasförmig wie etwa auf der Erde, sondern fest und bilden eine Art Eis. Dieses ist gleichwohl beweglich und kann fließen, zeigen die Berechnungen von William McKinnon von der Universität St Louis und Kollegen sowie des Teams um Alex Trowbridge von der Purdue-Universität in West Lafayette.

Fließgeschwindigkeit: anderthalb Zentimeter pro Jahr

Die Forscher argumentieren, dass Wärme aus dem Zerfall radioaktiver Elemente im Innern des Himmelskörpers nach oben gelangt und dort einen „Konvektion“ genannten Prozess antreibt. Wie in einem Topf mit heißer Suppe steigen warme Teile nach oben, werden dort zur Seite geschoben, kühlen ab und sinken wieder nach unten. Der gleiche Prozess läuft übrigens auch im Erdmantel ab und treibt die Kontinente über den Globus. Während in der Erde glutflüssiges Gestein zirkuliert, ist es auf Pluto eiskalter Stickstoff und weitere Beimengungen. Im Zentrum der Polygon-Schollen steigt demnach das Eis langsam in die Höhe, gelangt zur Seite und sinkt an den Rändern ab. Lediglich anderthalb Zentimeter pro Jahr fließt es an der Oberfläche – aber immerhin, berichten die Forscher.

„Eine spannende Interpretation“, sagt Ralf Jaumann, Planetenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin, der an keiner der beiden Studien beteiligt ist. Bisher habe man ähnliche Vorgänge nur auf Eismonden wie Europa vermutet. „Dort kam es aber wohl nicht zu echter Konvektion“, sagt er. „Insofern wäre das wirklich etwas Neues.“ Die dunklen Stücke im Eis des Sputnik Planum stammen wahrscheinlich von der darunterliegenden Kruste, sagt der Forscher. „Das spricht dafür, dass es von unten aufgebrochen ist; irgendwie muss das Material an die Oberfläche kommen.“

Die Datenübertragung von der Sonde zur Erde läuft noch

Es gebe aber noch einige Fragen zu klären, betont Jaumann. Etwa die, wie die Vertiefung entstand, in der heute das Eis lagert. „Es könnte ein Einschlagkrater sein, wobei man da draußen eher einen Kometen als einen Asteroiden erwartet.“ Auch die Wärmequelle für die Konvektion ist nicht ganz klar. Offenbar ist der Wärmefluss an einzelnen Stellen des Zwergplaneten größer als an anderen. Vom Mond wisse man allerdings, dass dort die radioaktiven Elemente in der Kruste auch nicht gleich verteilt seien, sondern in bestimmten Gegenden konzentriert, so dass dort mehr Wärme frei wird, erläutert der DLR-Forscher.

Da die Datenübertragung von der Nasa-Sonde zur Erde nur langsam vorangeht, haben die Forscher noch nicht alle Messwerte vorliegen, die während des Vorbeiflugs im vergangenen Jahr erhoben wurden. Es dürften noch einige Antworten auf die Fragen der Wissenschaftler eintreffen. Und noch einige neue Überraschungen.

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