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Eiweiß. Millionen Eier werden täglich produziert, die Haltung der Hühner ist oft problematisch. Eine Firma aus Kalifornien will nun Eiweiß ganz ohne Hühner herstellen.

© Mike Wolff

Bioökonomie: Retorteneier statt Legebatterien

Klamotten aus Kaffeesatz, Reifen aus Löwenzahn - Produkte werden zunehmend aus natürlichen Rohstoffen hergestellt. Das schafft teilweise neue Probleme.

„Ich hätte einfach gern ein weiches Ei!“ So wie einst Loriots Protagonist im berühmten Frühstücksei-Sketch konsumieren Tag für Tag Millionen von Menschen Eier – ob nun geköpft und gesalzen oder im Weihnachtsgebäck. Allein in den USA werden jährlich 75 Milliarden Eier vertilgt. Eine Ernährung ohne das Oval vom Huhn ist nicht vorstellbar. Und damit sind auch die Legebatterien, in denen die Eiermassen produziert werden und die Hühner kein sehr komfortables Leben fristen, nicht mehr wegzudenken. Oder doch?

Eine Start-up-Firma aus San Francisco, Clara Foods, versucht’s: „Wir bringen Eiweiß auf den Tisch, das völlig ohne Tiere produziert wird, das weniger Ackerland und weniger Wasser verbraucht und trotzdem den Geschmack, den Nährwert und die kulinarischen Eigenschaften von Eiweiß hat, wie wir es kennen und lieben“, heißt es auf der Webseite der Biotechfirma.

Klamotten aus Kaffeesatz

Das Retorten-Eiweiß ist nur eine von vielen Ideen einer anderen Art von „New Economy“, der „Bioeconomy“, die sich seit Mittwoch auf dem weltweit ersten „Global Bioeconomy Summit“ am Berliner Alexanderplatz trifft. Ob Klamotten aus Kaffeesatz oder dem Milchprotein Kasein, Gummireifen aus Löwenzahn, Gerbstoffe aus Olivenbaumblättern statt aggressiver Chemie oder Zahnpasta mit Milchsäurebakterien gegen Karies – viele der meist auf nachwachsenden, natürlichen Rohstoffen beruhenden Produkte sind längst keine Visionen mehr, sondern haben sich auf dem Markt etabliert.

„Die Bioökonomie ist ein Schlüssel für nachhaltiges, grünes Wachstum“, sagt Christine Lang, Vorsitzende des Bioökonomierates der Bundesregierung und Geschäftsführerin der Berliner Firma Organobalance, die das Potenzial von Mikroorganismen für Produkte für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie nutzt. „Wir brauchen aber internationale Abstimmung und faire Regeln.“ Denn wenn wie in Brasilien große Mengen Zuckerrohr für die Herstellung von Bioethanol angebaut werden, dann verbessert sich zwar die Kohlendioxidbilanz, doch es drohen auch unerwünschte Veränderungen der landwirtschaftlichen Strukturen, der Lebensmittelpreise oder der Natur.

Wenn die kalifornische Biotechfirma Amyris Hefezellen verändert, damit sie den knappen Malariawirkstoff Artemisinin synthetisieren, dann verändert das die Nachfrage nach Chinesischem Beifuß, aus dem der Stoff bislang gewonnen wurde. 850 Besucher aus 82 Ländern diskutieren auf der Tagung solche internationalen Folgen des Strukturwandels hin zu einer weltweiten Bioökonomie. Einfache Lösungen sind nicht zu erwarten.

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