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Blick über ein riesiges Maisfeld.

© Christian Hof

Biodiversität: Energiegewinnung durch Pflanzen bedroht Artenvielfalt

Der Anbau von Energiepflanzen wie Mais oder Raps für Bio-Sprit gefährdet die Artenvielfalt weltweit - ähnlich stark wie der Klimawandel selbst.

Es gilt als gute, weil nachhaltige Sache, Mais, Raps, Ölpalmen oder Soja anzubauen, um daraus Biodiesel, Strom oder Wärme zu gewinnen. Die Europäische Union fördert diese Praxis massiv als Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel. Auf 14 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche Deutschlands wuchsen 2017 Energiepflanzen. Allerdings verursacht der intensive Anbau und Flächenverbrauch auch erhebliche Probleme in der Natur und gefährdet die Artenvielfalt, stellen Biologen und Naturschützer fest. „Für die Artenvielfalt ist der Anbau von Energiepflanzen auf großen Flächen ein Holzweg“, erklärt Christian Hof von der Technischen Universität München in Weihenstephan. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die Hof gemeinsam mit seinem Kollegen Matthias Biber und Alke Voskamp vom Senckenberg Forschungszentrum für Biodiversität und Klima in Frankfurt am Main kürzlich im Fachblatt „PNAS“ veröffentlicht hat.

Zwar nennt der Weltklimarat IPCC ausdrücklich den Anbau von Energiepflanzen als Mittel, den Klimawandel zu bremsen. Um jedoch ungefähr die Forderung des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, den Temperatur-Anstieg möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müssten weltweit auf mehr als sechs Millionen Quadratkilometern Energiepflanzen angebaut werden, schreiben Christian Hof und seine Kollegen in „PNAS“. „Auf etwa 4,3 Prozent der Landfläche auf dem Globus müssten also Mais, Raps, Soja, Ölpalmen, Zuckerrohr und andere Pflanzen für die Energiegewinnung wachsen“, sagt Hof. Das entspricht etwa der 17-fachen Fläche Deutschlands.

Der Mais steht hoch, die Küken frieren

In Deutschland, wo bereits sehr viele Energiepflanzen angebaut werden, zeigen sich schon heute die Auswirkungen auf Natur und Artenvielfalt. Und die sind leider nicht gut. „Seit die Europäische Union den Anbau von Mais und Raps zur Energiegewinnung fördert, bauen viele Bauern auf ihren vorher brach liegenden oder extensiv bewirtschafteten Flächen Energiepflanzen an“, sagt Hof. Für viele Vögel und Säugetiere bedeutet das aber eine deutliche Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen. Fanden Wiesenvögel wie Lerchen, Wachtelkönige oder Kiebitze auf nur selten und spät im Jahr gemähten Wiesen noch gute Bedingungen, um ihren Nachwuchs aufzuziehen und mit vielen Insekten zu füttern, sieht die Situation auf einem Maisacker ganz anders aus.

Gut gedüngt schießen die Energiepflanzen in die Höhe. Die Küken jedoch frösteln im dichten, dunklen Grün, das zudem die Feuchtigkeit gut hält und so die kleinen Vögel weiter auskühlt. Obendrein halten die Bauern mit Pestiziden konkurrierende Pflanzen und Insekten kurz, die am Mais knabbern oder Krankheiten übertragen könnten. Viele Insekten wiederum sind eine Art Kraftfutter, mit dem die Vogeleltern ihre Küken hochpäppeln. Wenn aber die Chancen für den Nachwuchs schlecht sind, nimmt die Zahl der Wiesenvögel mit der Zeit ab. Genau das beobachten Biologen auf den mit Energiepflanzen bestückten Feldern bereits.

Warnung vor großflächigem Anbau von Energiepflanzen

Andererseits dezimiert auch der Klimawandel die Zahl der Arten, weil viele mit den sich rasch ändernden Temperaturen und Niederschlägen nicht mitkommen. Maßnahmen gegen den Klimawandel verringern also Verluste bei der Artenvielfalt. Ob zu diesen Maßnahmen aber auch der Anbau von Energiepflanzen im großen Stil gehören sollte, war bisher unter Experten strittig. So bescheinigte die deutsche Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle dieser Methode eine recht niedrige Effizienz, weil der Anbau normalerweise mit kräftigen Düngergaben unterstützt und mit vielen Pestiziden geschützt wird. Beides verhagelt aber die Klimabilanz. Dazu kommt noch der Verlust der Artenvielfalt auf den intensiv bewirtschafteten Feldern und Plantagen.

Ungeklärt blieb dabei bislang die Frage, ob der Energiepflanzen-Anbau mehr oder weniger Schaden bei der Biodiversität anrichtet als der Klimawandel. In Computermodellen haben Christian Hof und seine Kollegen nun zwei Szenarien verglichen: Zum einen, wenn auf mehr als sechs Millionen Quadratkilometern Energiepflanzen angebaut werden und so der Temperaturanstieg auf 1,6 Grad begrenzt wird. Zum anderen, wenn die Temperaturen ohne solche Maßnahmen um etwa drei Grad klettern.

Das Ergebnis überraschte Hof: In beiden Fällen wird die Artenvielfalt auf rund 36 Prozent der Landfläche der Erde stark beeinflusst. Anders formuliert: Wenn es um Artenvielfalt geht, zehren die Nachteile des Energiepflanzen-Anbaus die Vorteile durch einen gebremsten Klimawandel wieder auf. Zu den Gebieten mit erheblichen Biodiversitätsverlusten bei großflächigem Anbau von Energiepflanzen zählen Mitteleuropa, der Osten Afrikas und Teile Südamerikas. „Wir sollten zwar mit aller Kraft gegen den Klimawandel vorgehen“, sagt Hof, „Energiepflanzen auf großer Fläche anzubauen, wäre aber keine gute Idee.“

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