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Ökosystemfehler. Biologisch-dynamische Landwirtschaft hat Vorteile, etwa den geringeren Einsatz umweltschädlicher Spritzmittel. Zu weniger Emissionen klimaschädlicher Treibhausgase führt das aber nicht automatisch, zeigen Untersuchungen.

© picture alliance / Jens Büttner/

Bio ist nicht immer besser: Öko-Landwirtschaft bringt dem Klima wenig

Eine neue Studie bestätigt: Der Ökolandbau kann klimaschädlicher sein als die konventionelle Landwirtschaft. Das liegt auch am Konsumenten.

Biolandwirtschaft sei besser als die konventionelle – so ist es häufig zu hören. Begründet wird das mit dem sparsameren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie dem positiven Effekt auf Landschaft und Biodiversität. Und immer häufiger wird auch der Klimaschutzeffekt des Bioanbaus als Argument genannt.

Das stimmt allerdings nur bedingt. Zwar geht der Ausstoß an Treibhausgasen bei Umstellung auf Ökolandwirtschaft in den meisten Fällen tatsächlich zurück, doch ebenso die Erträge. Um das auszugleichen, müssen zusätzliche Flächen bewirtschaftet werden, sodass unterm Strich ähnlich hohe oder gar höhere Emissionen an Treibhausgasen stehen. Das zeigt nun erneut – wie schon andere Untersuchungen zuvor – die aktuelle Studie eines Teams um Laurence Smith von der Cranfield University in Großbritannien.

Die Forscher haben berechnet, wie sich der Ausstoß an Klimagasen verändert, wenn die Landwirtschaft in England und Wales vollständig auf „Bio“ umgestellt würde. Hierbei geht es um Kohlendioxid, das aus fossilen Brennstoffen stammt, etwa für Heizung oder zum Betanken der Traktoren. Des Weiteren wurde Methan analysiert, das vor allem von Wiederkäuern freigesetzt wird, sowie Lachgas, das insbesondere beim Einsatz von Dünger frei wird.

Bei 100 Prozent Bio brechen die Erträge ein: 40 Prozent der Nahrungsmittel fehlen

Der im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlichten Studie zufolge gehen im 100-Prozent-Bio-Szenario zwar die Emissionen an Treibhausgasen zurück: bis zu 20 Prozent bei Getreide und Gemüse sowie bis zu vier Prozent für die Viehwirtschaft. Doch auch die Erträge brechen ein. Bliebe die Ernährung der Bevölkerung unverändert, fehlten bis zu 40 Prozent der Nahrungsmittel, schreiben die Forscher. Das liegt im Wesentlichen an den geringen Erträgen, eine Folge des verringerten Stickstoffangebots, da dieser nur noch durch bestimmte Pflanzen – etwa Hülsenfrüchte – und Kuhdung geliefert wird.

Um die fehlenden Erträge auszugleichen, müsste der Import erhöht werden. Den Berechnungen des Teams zufolge müsste im Ausland fast fünfmal mehr Fläche als bislang dazu dienen, die fehlenden Nahrungsmittel für England und Wales zu liefern. Damit verkehrt sich der Klimavorteil des Öko-Ansatzes ins Gegenteil, da auch die Emissionen im Ausland zu berücksichtigen sind. Allein für den Fall, dass nur ein Viertel der zusätzlichen Flächen durch Umbruch von Grasland gewonnen wird, wäre der gesamte Treibhausgasausstoß etwa vergleichbar hoch wie bei der aktuellen konventionellen Bewirtschaftung.

Sobald aber mehr Grünland umgebrochen wird, was sehr wahrscheinlich ist, steigen die Emissionen über das gegenwärtige Maß hinaus, je nach Szenario auf mehr als das Anderthalbfache. Ein Rückgang der Emissionen im Alles-Bio-Szenario sei nur möglich, wenn die Erträge erheblich gesteigert werden oder die Ernährung weitreichend verändert wird, lautet das Fazit der Autoren.

Mehr Bio hilft dem Klima nur, wenn sich auch die Ernährung ändert

„Die Hauptaussage, dass Biolandbau wenig oder keine Möglichkeit des Klimaschutzes bietet, wird auch von anderen Publikationen bestätigt“, sagt Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons (MCC) in Berlin, der an der Studie nicht beteiligt ist. „Allerdings können Biolandbau und eine Regionalisierung der Nahrungsmittelerzeugung kombiniert mit einem verringerten Fleischkonsum die Treibhausgasemissionen global erheblich senken.“ Biolandbau sollte deswegen mit einer Veränderung der Essgewohnheiten zusammengebracht werden.

So argumentieren auch Smith und Kollegen. Weniger Vieh bedeute, dass weniger Flächen für Viehfutter nötig seien und mehr Feldfrüchte für die menschliche Ernährung angebaut werden könnten. Wie realistisch die vielfach ausgerufene Ernährungswende ist, bleibt offen. „Die Bio-Konsumenten heute haben sich bewusst dafür entschieden und sind nicht typisch für die gesamte Nation“, sagt Co-Autor Adrian Williams von der Cranfield University. „Ob eine andere Ernährung auf derselben Landfläche und allein durch ökologische Erzeugung möglich ist, müsste in weiteren Studien untersucht werden.“

Diese Frage gilt letztlich für alle Länder, auch für Deutschland. Im Jahr 2017 betrugen hier die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft 66,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente (alle Treibhausgase umgerechnet auf die Wirkung von Kohlendioxid), was gut sieben Prozent aller Emissionen des Landes ausmacht. Die größten Anteile sind die Methanemissionen aus den Mägen der Wiederkäuer, die Lachgasemissionen aus der Stickstoffdüngung und die Emissionen aus trockengelegten Moorböden, so das Thünen-Institut in Braunschweig. Sie betreffen vor allem die konventionelle Landwirtschaft, die mit einem Flächenanteil von 91 Prozent noch immer weit vor dem Ökolandbau liegt.

Großes Einsparpotenzial sehen die Fachleute beim Düngen: Durch präziseren Einsatz, der stärker am Bedarf der Pflanzen orientiert ist, ließe sich Überdüngung vermeiden und dennoch der Ertrag hoch halten. Bei den Wiederkäuern ist das Sparpotenzial gering. Hochleistungs-Milchkühe haben zwar einen erhöhten Stoffwechsel, sodass der Treibhausgasausstoß pro Tier steigt. Bezogen auf einen Liter Milch sind die Emissionen bei den Top-Kühen jedoch geringer als bei den mittelmäßigen Milchlieferanten.

Ökolandbau verlagert Umweltprobleme und wirken im globalen Maßstab „wahrscheinlich negativ“

Ein ähnliches Bild ergibt sich laut Thünen-Institut auch bei den leistungsbezogenen Treibhausgasemissionen aus der Mastschweinehaltung. Smiths Team berichtet zudem, dass die Produktion von Eiern und Geflügelfleisch im organischen Landbau eine schlechtere Klimabilanz hat, aufgrund schlechterer Futterverwertung, längerer Aufzuchtzeiten und höherer Sterblichkeitsraten.

Diese Beispiele zeigen, dass sich die Frage „bio“ oder „konventionell“ nicht so einfach beantworten lässt. Bio punktet beispielsweise mit einer günstigeren Schadstoffbilanz und lokal verbesserter Biodiversität. „Regionaler arbeitsintensiver Biolandbau kann auch die lokale Wirtschaft und den sozialen Zusammenhalt stärken“, sagt der MCC-Forscher Creutzig. Konventionelle Landwirtschaft ist im Klimaschutz eher vorn und nutzt die Flächen effektiver. Angesichts eines weltweit zunehmenden Bedarfs an Nahrungsmitteln und zugleich massiver Flächenkonkurrenz mit Siedlungen oder dem Anbau von Biotreibstoffen ist das ein gewichtiger Vorteil.

„Eine Beurteilung der Nachhaltigkeit muss mehr umfassen als ,nur‘ Landnutzung und Treibhausgase“, sagt Adrian Müller vom Institut für Umweltentscheidungen an der ETH Zürich. Es gehe dabei auch um Stickstoff- und andere Nährstoffüberschüsse, um Toxizität, um Bodenverarmung und so weiter. „Wenn man die anderen Indikatoren dazunimmt, dann liefert der Biolandbau eher ein umfassend nachhaltiges System als der konventionelle.“

Der Umweltforscher Klaus Butterbach-Bahl vom Karlsruher Institut für Technologie ist zurückhaltender: Gebiete mit Ökolandbau würden profitieren, doch komme es zur Verlagerung von Umweltproblemen, sodass diese Wirtschaftsform im globalen Maßstab „wahrscheinlich negativ“ sei. Aus seiner Sicht sind etliche Potenziale noch nicht genutzt. „Viele Konzepte wie die Kreislaufwirtschaft bei Nährstoffen oder die Verschränkung von Getreide- und Viehwirtschaft sollten auch bei konventioneller Landwirtschaft verstärkt berücksichtigt werden“, sagt er.

Weniger tierische Produkte, weniger wegwerfen

Manche Forscher plädieren dafür, die Vorteile des Ökolandbaus mit denen moderner Züchtungsmethoden, also Gentechnik, zu kombinieren. Etwa um die Pflanzen weniger anfällig gegen Krankheiten und Klimastress zu machen und somit den Ertrag auf begrenztem Raum zu steigern. Adrian Müller gehört nicht zu dieser Gruppe, aber er sagt: „Als Wissenschaftler plädiere ich dafür, dass man auch diese Methoden unvoreingenommen anschauen sollte, wenn es um das Ziel einer nachhaltigen Landwirtschaft geht.“ Aber so wie Bio heute als Label genutzt werde, habe Gentech darin keinen Platz. Und eine Verknüpfung sei „nur schwer zu kommunizieren“.

Müller betont, dass nicht allein die Landwirte, sondern auch die Konsumenten eine entscheidende Rolle beim Klimaschutz spielen können: weniger tierische Produkte kaufen und weniger wegwerfen. Würde Deutschland sein für 2030 anvisiertes Ziel erreichen, die Lebensmittelabfälle auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren, so würden sich die auf den Lebensmittelkonsum zurückzuführenden Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 2015 um 9,5 Prozent reduzieren, hat das Thünen-Institut berechnet.

Dies könne gelingen, indem Verbraucher ihren Einkauf bewusster planen und beispielsweise bestehende Vorräte berücksichtigen, heißt es in der Studie. Auch der Handel sei gefordert und könne Anreize zum Mehrkauf wie Großpackungen und Sonderangebote vermeiden. (mit smc)

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