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Netbooks im Klassenraum.

© dpa

Bildungsmesse Didacta: Auf den Lehrer kommt es an

Tische mit integriertem Computer und einem Bildschirm als Oberfläche: So stellen sich Experten die Zukunft des Lernens vor. Doch wie viel bringt die digitale Schule wirklich? Ein Rundgang über die Bildungsmesse Didacta.

Rein in die Halle 17 und schon steckt in der Hand, von einem freundlichen Herrn überreicht, ein Küchenprospekt – bitte? Wir sind doch auf einer Bildungsmesse? Ja, auch das gibt es auf der Didacta: Informationen über Küchen für Kitas. Am Stand der Katholischen Kirche klatscht eine Runde Lehrer rhythmic Grooves, bei den Waldorf-Schulen modellieren junge Leute Köpfe aus Gips, das Elsass und der Dinosaurierpark Münchehagen werben für Klassenfahrten, aus dem Stand der Biosphäre Potsdam wuchern Efeututen. Nebenan sind ergonomische Schulstühle, Montessori-Steckspiele und Hochbetten für Kitas zu bewundern, und mittendrin erklärt ein Hirnforscher, was seine Erkenntnisse zur Verbesserung des Unterrichts beitragen können.

Eine bunte, spaßige, anregende Messe ist die Didacta, die noch bis Sonnabend auf dem Messegelände Hannover stattfindet, mit über 700 Ausstellern die größte Bildungsmesse Europas. Hier können sich Lehrer, Erzieher, Trainer und Ausbilder, aber auch Eltern und Bildungsinteressierte über die neuesten Trends informieren, wie jener faszinierende Vorgang unterstützt werden kann, der den Menschen erst zum Menschen macht: das Lernen. Denn Lernen, das sagt der Hirnforscher Gerald Hüther vor etwa 150 Lehrern und Lehrerinnen, die um ihn herum auf Stühlen und auf dem Boden sitzen, kann man nicht „machen“, nicht erzwingen. „Sie können nur den Rahmen dafür schaffen, damit Lernen gelingt – einen Raum gestalten, in dem sich das Gewünschte ereignet.“ Das Gehirn lernt nur, was es als bedeutsam empfindet. „Sie müssen die Kunst beherrschen, für die Schüler bedeutsam zu machen, was ihnen, auf deutsch gesagt, am Arsch vorbeigeht.“ Aber wie?

Suchen wir in den Messehallen nach Ideen. Halle 23 ist nicht so bunt und spaßig wie die anderen, hier dominieren Männer in schwarzen Anzügen, der erste Eindruck ist kühl. Ein riesiges Rundgerüst, außen blau und weiß, steht in der Mitte und symbolisiert die Cloud. Um sie dreht sich hier vieles, was den Unterricht in den nächsten Jahren stark verändern wird. Denn Cloud Computing ermöglicht es, über das Internet auf IT-Server, Dienste und Plattformen zuzugreifen. Schüler, Lehrer und Eltern werden sich künftig von überallher und von jedem Endgerät aus in eine mobile Lernumgebung einloggen können. Die Digitalisierung der Schulwelt wird mit großen Schritten voranschreiten.

Was mit interaktiven Whiteboards und digitalen Schwarzen Brettern begann, wird sich fortsetzen mit Notebooks für jeden Schüler, und irgendwann stehen in den Klassenzimmern womöglich auch die brandneuen ActivTables der Firma Promethean, die auf der Didacta erstmals zu sehen waren. Das sind Tische mit integriertem Computer und einem Bildschirm als Oberfläche, auf denen bis zu sechs Kinder in Gruppenarbeit Bilder und Dateien bearbeiten können. Noch kostet das Wundermöbel 6000 Euro.

"Letztlich ist entscheidend, wie die Lehrer damit umgehen"

Eine offene und komplett vernetzte Bildungsinfrastruktur zu schaffen: Das ist die Vision des im Januar gegründeten Bündnisses für Bildung, das sich auf der Didacta erstmals präsentiert, rund um die blau-weiße Cloud. Zu den Mitgliedern des Bündnisses gehören IT-Unternehmen wie Microsoft, Acer oder Smart, Anbieter von Lehr- und Lerninhalten wie der Schulbuchverlag Cornelsen und Vertreter der Länder wie das Ministerium für Bildung und Kultur Schleswig-Holstein. Das gemeinsame Ziel ist, die digitale Schulwelt in Struktur und Inhalten optimal aufeinander abzustimmen, damit nicht jeder Schulträger eigene Lösungen entwickeln muss, die dann nicht miteinander kompatibel sind.

Dass sich in dem Bündnis auch Anbieter zusammengeschlossen haben, die sonst als Konkurrenten auftreten, zeigt: Der Markt und der Nachholbedarf in Deutschland sind groß. In Portugal etwa steht jedem Schüler ein Notebook zu, in Deutschland kommt auf 100 Schüler eins. „Jeder Schüler sollte ein Net- oder Notebook haben“, sagt Michael Thedens, bei Acer Deutschland verantwortlich für den Bereich Education. Die Firma hat mit dem European Schoolnet 240 Netbookklassen in Europa, davon 40 in Deutschland, eingerichtet. Zwei Effekte sind für Thedens deutlich: „Die Lernmotivation wird gesteigert. Und ja, am Anfang spielen die Kinder auch auf ihren Geräten, aber das lässt schnell nach.“

Wenn jeder Schüler sein Notebook hat, kann er sich überall in seine mobile Lernumgebung einloggen, Schulbücher im klassischen Sinne sind nicht mehr nötig. Digitale Schulbücher können jederzeit aktualisiert werden und lasten nicht schwer im Ranzen. Manch ein Schüler mag es aber als nachteilig empfinden, dass mit der Digitalisierung auch die Kontrollmöglichkeiten der Eltern und Lehrer wachsen. Die Eltern können sehen, was die Hausaufgaben sind, Ausreden sind sofort entlarvt. Und der Lehrer kann an seinem Computer erkennen, wie viele Aufgaben Antonia schon gelöst hat.

Zurück zum Hirnforscher Gerald Hüther, der in seinem einstündigen Vortrag kein einziges Mal das Wort Computer in den Mund genommen hat. Er hat davon gesprochen, wie beflügelnd es für Schüler sei, im Team über sich selbst hinauszuwachsen, und seine Beispiele waren: Singen im Chor, Theater- und Orchesterprojekte. Von Inspiration hat er gesprochen und davon, dass Lehrer von ihrem Fach, ihrer Aufgabe begeistert sein sollen, denn das Gehirn der Schüler sei über den emotionalen Zugang zu erreichen.

Vielleicht treffen sich hier die jahrtausendeealten Weisheiten der Pädagogik mit den Ergebnissen der Hirnforscher und der Hard- und Softwareentwickler: Auf den Lehrer kommt es an. „Sie können so viel Infrastruktur bereitstellen wie Sie wollen“, sagt Rüdiger Ehlermann, Sprecher des Bündnisses für Bildung. „Letztlich ist entscheidend, wie die Lehrer damit umgehen.“

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