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Es wird eng auf der Erde: Hier versuchen sich Tausende in China in der Sommerhitze abzukühlen (Archivbild).

© AFP

Bildung, Ernährung, Umwelt: Welche Folgen das Bevölkerungswachstum hat – und wie es bekämpft werden kann

Bis 2100 könnten fast elf Milliarden Menschen auf der Erde leben. Bei der Weltbevölkerungskonferenz in Nairobi geht es darum, wie der Planet das verkraften kann.

Zehn Milliarden Menschen könnten bis 2050 auf der Erde leben, bis 2100 könnten es sogar fast elf Milliarden sein. Das Bevölkerungswachstum stellt die Menschheit vor riesige Herausforderungen. Viele Fragen müssen gelöst werden: Wie sollen so viele Menschen überhaupt ernährt werden, welche Folgen hat das Wachstum für die Umwelt - und wie kann das Bevölkerungswachstum überhaupt gebremst werden?

Wie dramatisch die Lage ist und welche Lösungsansätze es gibt, diskutieren seit Dienstag tausende Expertinnen und Experten auf der Weltbevölkerungskonferenz in Nairobi. Sie haben viel zu besprechen.

Ganz oben auf der Agenda: Die Situation von Frauen weltweit. Als die Vereinten Nationen vor vier Jahren ihre 17 Nachhaltigkeitsziele beschlossen, war das Ende von Frauendiskriminierung eins davon, die Nummer 5 der Liste.

Gleichheit der Geschlechter sei zunächst einmal ein grundlegendes Menschenrecht, schrieb dazu UN Women, die Abteilung der Weltorganisation für Genderfragen und Stärkung von Frauen.

Großthema Bildung: Wie trägt sie dazu bei, die Zahl der Geburten zu senken?

Aber sie sei auch „die größte Chance, einigen der dringendsten Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen“. Ein Schlüssel also zur Lösung von Wirtschaftskrisen, mangelhafter Gesundheitsfürsorge, Kriegen und dem Klimawandel?

Als wesentlicher Faktor wird allgemein Bildung gesehen: Je länger Mädchen in die Schule gehen können, desto häufiger haben sie Zugang zu bezahlter Arbeit, damit Möglichkeiten, sich und ihre Familien zu ernähren.

Desto stärker sinkt auch die Zahl ihrer Geburten – mit der Folge, dass die Frauen selbst gesünder sind und sich besser um ihre Kinder kümmern können. Diese Effekte lassen sich an praktisch allen verfügbaren Daten ablesen.

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Die jüngsten Zahlen der UN-Organisation vom September sind nach wie vor dramatisch: Weltweit besuchen zehn Millionen Jungen im Grundschulalter nicht die Schule. Von den Mädchen sind es sogar 15 Millionen.

Frauen verbringen demnach auch aktuell noch dreimal mehr Zeit mit unbezahlter Arbeit als Männer, und fast zwei Drittel aller verheirateten oder in eheähnlichen Verhältnissen lebenden Frauen können nicht selbst über Empfängnisverhütung entscheiden.

Gleichheit bringt mehr als nur die weibliche Hälfte der Welt voran

Dabei ist Bildung Teil eines größeren Problems – dem der „Frauenrechte“. In der Mehrzahl der Staaten weltweit werden Frauen mehr oder weniger stark daran gehindert, einer bezahlten Arbeit nachzugehen, Kredite zu bekommen, Verträge zu schließen oder auch nur frei zu reisen und ein Bankkonto zu eröffnen. Das war das Ergebnis einer Studie der Weltbank, die dieses Jahr erschien.

Allerdings verzeichnen die Fachleute auch Fortschritte, die meisten in Afrika südlich der Sahara. Dort wurden in den vergangenen zehn Jahren vor allem Gesetze zum Schutz gegen sexuelle Gewalt erlassen und Frauen ermöglicht, Kredite aufzunehmen. Ein Drittel der Länder, die die größten Fortschritte machten – oft von einem niedrigen Niveau aus –, überwanden den Ausschluss von Frauen von bestimmten Berufen.

Bildung gilt als Schlüssel: Je mehr Schulbildung Mädchen erhalten, desto häufiger haben sie Zugang zu bezahlter Arbeiten - und desto mehr sinkt auch die Geburtenrate (im Bild eine Schule in der Elfenbeinküste).
Bildung gilt als Schlüssel: Je mehr Schulbildung Mädchen erhalten, desto häufiger haben sie Zugang zu bezahlter Arbeiten - und desto mehr sinkt auch die Geburtenrate (im Bild eine Schule in der Elfenbeinküste).

© imago/Danita Delimont

Dass mehr Gleichheit die Welt tatsächlich mehr als nur die weibliche Hälfte der Welt voranbringt, ist auch an Zahlen abzulesen: Die UN-Ernährungsorganisation FAO rechnete vor ein paar Jahren mit 20 bis 30 Prozent höheren Ackererträgen, falls Frauen in Entwicklungsländern ebenso oft wie Männer eine Schule besuchen dürften, an Kapital kämen und das Land besäßen, das sie beackern. Tatsächlich gehört ihnen aber nur ein Fünftel, obwohl sie bis zu 80 Prozent der Nahrung produzieren.

Großthema Ernährung: Wie werden zehn Milliarden Menschen versorgt?

Neben dem Thema Bildung ist Ernährung eines der Großthemen. Allein um die zehn Milliarden Menschen zu ernähren, die bis 2050 auf der Erde leben werden, müssen etwa doppelt so viel Lebensmittel produziert werden wie heute. Das zeigen Berechnungen der Vereinten Nationen. Die Frage ist, wie (und ob) das gelingen kann. Und vor allem wie das ohne zusätzlichen Raubbau an der Natur, also etwa ohne die Umwandlung von Naturschutzflächen in Ackerland, zu schaffen ist.

So gewaltig die Aufgabe ist, die positive Nachricht ist, dass sie schon einmal gelöst wurde. Vor sechzig Jahren produzierte die Landwirtschaft etwa 200 Kilogramm Getreide für jeden der damals drei Milliarden Menschen. Heute sind es 400 Kilogramm - das ist nicht nur eine Verdopplung, sondern fast eine Vervierfachung, denn heute leben über 7,5 Milliarden Menschen auf der Erde.

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Diese "Grüne Revolution" gelang nur, weil der Ertrag der wichtigsten Nahrungsmittelpflanzen pro Quadratmeter Ackerfläche immens gesteigert wurde, vor allem von Weizen, Mais und Reis.

Dazu beigetragen haben die Stickstoffdüngung, der Schutz der Pflanzen vor Schädlingen mit Hilfe von Pestiziden und in erster Linie die ständige züchterische Weiterentwicklung der Hochleistungssorten - wohlgemerkt ohne jene Methoden, die im Allgemeinen als “Gentechnik” bezeichnet werden.

Durch Veränderungen im Erbgut vergrößern sich die Körner des Weizens

Diese sind erst seit Ende der 1990er auf dem Markt - und spielen für die Nahrungsmittelproduktion noch immer kaum eine Rolle bei nur 190 Millionen Hektar gentechnisch veränderter Pflanzen auf den insgesamt 1600 Millionen Hektar Anbaufläche weltweit.

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Nichtsdestotrotz ist es Veränderungen im Erbgut zu verdanken, wenn die Körner des Weizens größer geworden sind, kräftigere Stengel schwerere Maiskolben tragen und Reis resistenter gegen Pilzbefall geworden ist. Auch diese Mutationen sind durch Techniken entstanden, die Gene verändern: chemische Substanzen (Mutagene) und Bestrahlung.

Dabei entstanden - unkontrolliert und zufällig - viele Pflanzen mit ungeeigneten Eigenschaften, aber auch solche, die Züchter dann zu den heutigen Hochleistungssorten heranzogen. Ein Beispiel ist der “Kurzstroh”-Weizen: Die aufgrund einer Mutation kürzeren Halme waren stabiler und konnten die größeren Ähren auch bei starkem Wind besser halten.

Forscher versprechen sich viel von der Gen-Schere CRISPR

Darüber hinaus nutzten Züchter zur Ertragsteigerung auch einen genetischen Trick, den Heterosis-Effekt. Demnach sind die direkten Nachkommen, die Hybride, von zwei unterschiedlichen reinerbigen Sorten besonders kräftig im Wuchs, widerstandsfähiger und vor allem ertragreicher. Gerade beim Mais und Roggen aber auch Brokkoli und Tomaten spielt die Hybridzucht eine wichtige Rolle.

Auch die nächste “Grüne Revolution” wird nicht ohne Züchtungsfortschritt, also Eingriffe ins Erbgut, auskommen. Die Frage ist also nur, welche Methoden geeignet sind. Mittels “Genome Editing”, also etwa der Gen-Scheren-Methode CRISPR/Cas9, der TALEN- oder der RTDS-Technik, können inzwischen gezielt Veränderungen an bestimmten Stellen im Erbgut herbeigeführt werden - statt wie bisher das gesamte Erbgut und zehntausende Gene ungezielt zu beschießen und auf einen Zufallstreffer im richtigen Gen zu hoffen.

Ein Zelle mit einer Injektionsnadel während des CRISPR/Cas9-Verfahrens. Forscher setzen auf die Genschere große Hoffnungen - unter anderem könnten Pflanzen dank "Genome Edition" mit weniger Wasser auskommen.
Ein Zelle mit einer Injektionsnadel während des CRISPR/Cas9-Verfahrens. Forscher setzen auf die Genschere große Hoffnungen - unter anderem könnten Pflanzen dank "Genome Edition" mit weniger Wasser auskommen.

© picture alliance / Gregor Fischer

Von diesen Veränderungen erhoffen sich Forscher, dass Pflanzen mit weniger Wasser auskommen, höhere Salzkonzentrationen im Boden aushalten, widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge werden oder einfach größere, haltbarere Früchte hervorbringen - alles Eigenschaften, die letztlich zu höheren Erträgen führen.

Manche dieser “editierten” Pflanzen sind noch in der Entwicklung, andere schon auf dem Markt, zumindest in den USA, wo etwa ein per Genome Editing haltbarer gemachter Champignon zugelassen wurde. In Europa gelten genomeditierte Pflanzensorten als gentechnisch verändert und müssen aufwändig und teuer geprüft werden, was ihre Entwicklung hierzulande unwirtschaftlich macht.

Auch Anbaumethoden müssen sich ändern

So wichtig die Züchtung, ob nun mit klassischen genverändernden Methoden oder mittels Genome Editing, für die nächste Grüne Revolution auch ist, sie allein wird die nötigen Ertragssteigerungen nicht ermöglichen können. Genauso wichtig wird es etwa sein, die Anbaumethoden für die vielen anderen Nahrungsmittelpflanzen neben Mais, Reis und Weizen zu verbessern, etwa Maniok.

Auch neue Düngemethoden müssen entwickelt werden, sowohl um die Pflanzen zu unterstützen, aber auch, um fruchtbare Böden langfristig und nachhaltig zu pflegen. Wenn es gelänge, die Bakterien, die Soja oder bestimmte Maissorten mit dem Stickstoff aus der Luft düngen können, auch bei Weizen und Reis einzusetzen, würde sich das nicht nur auf die Erträge auswirken. Man könnte sich die Herstellung von Stickstoffdünger, die viel fossile, klimaschädliche Energieträger verbraucht, künftig sparen.

Großthema Umwelt: Wie trägt das Bevölkerungswachstum zu Umweltzerstörung bei?

Dass das Bevölkerungswachstum massive Umweltfolgen hat, den Klimawandel und das Artensterben vorantreibt, ist unbestritten. Denn für jeden zusätzlichen Menschen braucht man ein Fleckchen Land, auf dem seine Lebensmittel wachsen. Und dieses Land fehlt dann der Natur und der Artenvielfalt. Jeder zusätzliche Erdenbürger braucht Energie und sei es nur zum Kochen – und heizt so das Klima ein wenig weiter an.

Tatsächlich haben Menschen weltweit inzwischen 85 Prozent aller Feuchtgebiete zerstört. 99 Prozent aller Riffe gelten als gefährdet. „Und allein zwischen 2010 und 2015 wurde mit 32 Millionen Hektar Wald eine Fläche gerodet, die fast so groß wie Deutschland ist“, beschreibt Christof Schenck, Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF), die Auswirkungen, die die Lebensweise des Menschen auf die Natur hat.

99 Prozent aller Riffe sind durch den Eingriff des Menschen bedroht. Im Bild das Great Barrier Reef.
99 Prozent aller Riffe sind durch den Eingriff des Menschen bedroht. Im Bild das Great Barrier Reef.

© Great Barrier Reef Marine Park Authority/dpa

Dadurch aber verschwindet nicht nur die Heimat vieler Arten, sondern oft genug sterben diese Arten aus.

In Äthiopien kann man diese Auswirkungen gut beobachten: Lebten dort 1960 noch 22,1 Millionen Menschen, sind es heute bereits 111 Millionen. In diesen sechs Jahrzehnten hat Äthiopien bereits 80 Prozent seiner Wälder verloren. Und das kann dramatische Folgen nicht nur für den Naturschutz haben. In Höhen zwischen 1500 und 4400 Metern leben dort auf einer Fläche von der Größe des Saarlandes Arten wie der Äthiopische Wolf, die nur dort vorkommen.

Die Wälder in den tieferen Regionen des Bale-Nationalparks saugen die Niederschläge wie ein riesiger Schwamm auf. „Dort entspringen daher 40 Flüsse, von denen drei in das Nachbarland Somalia fließen und dort zwölf Millionen Menschen mit Wasser versorgen“, erklärt Christof Schenck.

Beispiel Äthiopien: Die Flüsse versiegen

Das Bevölkerungswachstum aber könnte diese Lebensadern bald kappen. Lebten im Bale-Nationalpark 1986 noch wenige Tausend Menschen, sind es heute rund 30 000, die in den Wäldern Feuerholz für ihre Kochstellen schlagen. 300 000 Stück Vieh weiden im Park und dienen nicht nur als Lieferanten für Milch und Fleisch, sondern sind auch eine Art Sozialversicherung. „Brauchen die Menschen Geld für eine Krankenbehandlung oder andere unvorhergesehene Ereignisse, verkaufen sie einfach ein Rind“, sagt Schenck, dessen Organisation im Bale-Mountains-Nationalpark für den Naturschutz kämpft.

Die Widerstände allerdings sind groß, der Kampf ist kaum zu gewinnen: Für Weideflächen und Äcker wird der Wald weiterhin abgeholzt. Fehlt erst einmal der Schutz der Bäume, schwemmen die Niederschläge den Boden weg. Rasch entsteht eine Karstlandschaft. Dann aber finden die Bauern im Bale-Nationalpark kein Feuerholz mehr. So droht eine noch größere humanitäre Katastrophe: Weil die Flüsse versiegen, ist die Wasserversorgung von zwölf Millionen Menschen im benachbarten Somalia bedroht.

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