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Zwei Schüler bauen an Roboter-Modellen.

© Hendrik Schmidt/picture alliance/ZB

Update

Bildung auf einen Blick 2017: Weltmeister der Ingenieursausbildung

Deutschland bildet mehr Ingenieure aus als die meisten anderen OECD-Staaten, schöpft aber nicht das Potenzial der Frauen aus. Auch die soziale Mobilität stagniert.

Ein Land der Ingenieure, Informatiker und Techniker? Die Industrie mag über einen Fachkräftemangel bei den Hochqualifizierten klagen, doch die OECD sieht Deutschland gut gerüstet für die „technologiebasierte Wirtschaft“. Hierzulande kommen 26 Prozent der 25- bis 64-Jährigen mit einem tertiären Bildungsabschluss – also einem Studium, Meister oder vergleichbaren Abschluss – aus den Fachrichtungen Ingenieurwesen, Fertigung und Bauwesen.

In den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) insgesamt sind es sogar 35 Prozent. Mit 37 Prozent MINT-Absolventen im Jahr 2015 liegt Deutschland an der Spitze der OECD- und Partnerländer, gefolgt von Indien (31 Prozent) und Korea (30 Prozent). Das geht aus dem jährlichen Bericht „Bildung auf einen Blick“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hervor, der am Dienstag in Berlin präsentiert wurde (zur gesamten Studie geht es hier). Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) freute sich über „gute Nachrichten für das Hightechland Deutschland“.

Lob der Ausbildung

Die OECD hebt positiv hervor, dass eine klassische Ausbildung im dualen System ebenso gute Berufsaussichten verspricht, wie ein Studium. Junge Erwachsene im Alter von 25 bis 34 Jahren mit dualer Berufsausbildung sind im Schnitt zu 86 Prozent beschäftigt, solche mit einem Tertiärabschluss zu 87 Prozent (im OECD-Schnitt sind es nur 83 Prozent). Der Abstand zu den niedrigeren Arbeitslosenquoten wird von der OECD damit erklärt, dass zu jenen außerhalb der „Beschäftigungsquote“ auch solche Personen zählen, die gerade nicht erwerbstätig sind, also etwa zwischen zwei Ausbildungen oder Studienabschlüssen eine Auszeit nehmen.

Der hohen Qualität des deutschen Berufsbildungssystems schreibt die OECD auch den geringen Anteil junger Leute zugute, die sich weder in Ausbildung befinden noch berufstätig sind. Bei den 20- bis 24-Jährigen sind in Deutschland 10,8 Prozent betroffen, im OECD-Schnitt sind es 17,3 Prozent. Deutschland hat sich dabei stark verbessert, 2005 lag der Anteil der Jungen ohne Ausbildung und Arbeit bei 18,7 Prozent. Nur Island, die Niederlande und Dänemark stehen in diesem Bereich derzeit noch besser da – mit Anteilen zwischen sechs und 9,5 Prozent.

Ein Studium lohnt sich finanziell

Bei allem Lob der dualen Berufsausbildung – ein Studium zahlt sich deutlich mehr aus: Mit Master oder Promotion verdient man im Schnitt 85 Prozent mehr, mit einer abgeschlossenen Meister- oder Technikerausbildung immerhin 58 Prozent mehr. Wegen des Einkommensvorteils durch ein Studium erscheinen der OECD Warnungen vor einem „Akademikerwahn“ als „absurd“, sagte Heino von Meyer, Leiter des OECD Berlin Centers. Wanka betonte, dass der Bund auch bei beruflich Ausgebildeten dafür werbe, sich höher zu qualifizieren – als Meister oder Techniker.

Soziale Mobilität fehlt

Die OECD kritisiert allerdings, dass der Bildungsaufstieg in Deutschland stagniere. Über die Generationen hinweg habe sich die „Mobilität nach oben in den Tertiärbereich“ nicht verbessert. So haben nur 13 Prozent der heute 45- bis 59-Jährigen, deren Eltern nicht studiert haben oder Meister sind, einen tertiären Abschluss. Unter den heute 30- bis 44-Jährigen sind es weiterhin nur 14 Prozent. Im OECD-Schnitt ist die soziale Mobilität erheblich höher, das Verhältnis hat sich von 14 Prozent Studierten unter den Nicht-Akademiker- und Meister-Kindern auf immerhin 20 Prozent verbessert.

In Deutschland hat sich zwar die Anfängerquote im tertiären Bereich (Studium, Meister- oder Technikerschule) von 43 Prozent im Jahr 2005 auf 63 Prozent (nach Ausklammerung der internationalen Studierenden: 56 Prozent) im Jahr 2015 erhöht. Doch wie etwa aus der Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks bekannt ist, hat sich wenig an der sozialen Zusammensetzung geändert: Weiterhin stammt mehr als die Hälfte der Studierenden aus Akademikerfamilien und nur ein Viertel von Eltern, die als höchsten Abschluss eine duale Berufsausbildung haben.

Die OECD glaubt, dass die geringere Mobilität nach oben teilweise auf das „erfolgreiche deutsche Berufsbildungssystem zurückzuführen“ sei, „das eine solide Alternative zur Tertiärbildung“ biete. Ministerin Wanka sieht es ohnehin „nicht als Abstieg“, wenn sich ein Kind von Akademikern für eine Berufsausbildung und gegen ein Studium entscheidet. Entscheidend sei die Durchlässigkeit zwischen dualer Ausbildung und Studium. Die Möglichkeit, auch ohne Abitur an die Uni zu gehen, sei in der Öffentlichkeit noch zu wenig bekannt.

Ungenutztes Potenzial von Frauen

Erstmals in diesem Jahr kann die OECD Unterschiede beim Anteil der Beschäftigten je nach studierter Fachrichtung zeigen. In der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) sind es 91 Prozent, bei den MINT-Fächern 90 Prozent und bei den Absolventen der Künste sowie der Geistes- und Sozialwissenschaften nur 84 Prozent. Gleichzeitig wird ein stärkerer „Gender-Bias“ (also ein Geschlechter-Vorurteil) als in den meisten anderen Ländern moniert: Über alle MINT-Fächer hinweg sind Frauen mit 28 Prozent der Studienanfänger unterrepräsentiert, in Ingenieurwissenschaften und Informatik sind es weniger als ein Viertel.

Die Grünen im Bundestag monierten, dass die Förderprogramme des Bundes für Frauen in MINT-Studiengängen und -Berufen „ganz offensichtlich nicht den beabsichtigten Effekt“ erzielten.

Die Hochschulen sind unterfinanziert

Bei der Bildungsfinanzierung und den Ausgaben für Forschung und Entwicklung kritisiert die OECD, dass der Anteil am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland bei nur 4,3 Prozent liegt, im OECD-Schnitt aber bei 5,2 Prozent. Dieser Unterschied von etwa einem Prozentpunkt – und damit von 30 Milliarden Euro jährlich – sei seit einem Jahrzehnt unverändert, hob Heino von Meyer hervor. Wanka stellte die OECD-weite Vergleichbarkeit infrage: Weil öffentliche und private Ausgaben gewertet werden, zählen etwa für Großbritannien die dortigen Studiengebühren. Andererseits wird das deutsche Bafög nicht eingerechnet, weil es als Sozial- und nicht als Bildungsausgabe gilt.

Studiengebühren wolle die OECD keineswegs empfehlen, sagte von Meyer. Es sei im Gegenteil „sehr erstaunlich“, dass in Baden-Württemberg und bald auch in Nordrhein-Westfalen Gebühren ausgerechnet von internationalen Studierenden verlangt werden, die Deutschland doch so dringend brauche.

Fest steht für die OECD, dass in den Hochschulen Geld fehlt: Die Investitionen hielten nicht mit den steigenden Studierendenzahlen Schritt. Die Ausgaben stiegen zwar um neun Prozent, pro Studierendem wurden aber elf Prozent weniger ausgegeben als 2010. Die Hochschulrektorenkonferenz forderte daraufhin erneut, die Grundfinanzierung der Hochschulen zu konsolidieren.

Defizite bei den Grundschulen

Im Schulbereich lobt die OECD wie schon in den Vorjahren, dass Deutschland trotz zwischenzeitlich zurückgehender Schülerzahlen nicht entsprechend am Schulwesen gespart hat. Rechnerisch stiegen die Ausgaben pro Schüler um fünf Prozent, was nahezu dem OECD-Schnitt entspricht. Defizite werden jedoch im Grundschulbereich gesehen: Hier liegen die Ausgaben pro Schüler mit 8546 US-Dollar rund 200 Dollar unter dem OECD-Schnitt. Problematisch sei auch, dass Grundschullehrkräfte trotz Gehaltserhöhungen noch immer sechs Prozent weniger verdienen als andere Beschäftigte mit vergleichbarem Abschluss. „Deutschland muss am unteren Ende investieren“, forderte Meyer.

Investitionsbedarf in den Schulen sieht Wanka ebenso wie die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) vor allem bei der Digitalisierung. Bei den Verhandlungen über den Digitalpakt von Bund und Ländern, einem Fünf-Milliarden-Euro- Projekt, sei unter anderem noch ungeklärt, wie auch bereits gut ausgestattete Schulen profitieren können, sagte Wanka. Der Aufhebung des Kooperationsverbots im Schulbereich erteilten beide eine Absage. „Kooperationen ja, Zentralismus nein“, sagte Eisenmann.

Lob des frühen Kitabesuchs

In der quantitativen Beurteilung der frühkindlichen Bildung steht Deutschland gut da. Betreuungsquoten von 66 Prozent der Zweijährigen bis zu 98 Prozent der Fünfjährigen liegen deutlich über den Durchschnittswerten. Die OECD betont, dass sich der frühe Besuch einer Kita auch bei Schulleistungsstudien wie Pisa überaus positiv auswirkt – beziehungsweise negativ, wenn Einrichtungen nicht oder nur kurz besucht werden. Auch beim Betreuungsschlüssel von einer Fachkraft auf fünf Kinder in Krippen und Kitas sowie einer Lehrkraft für zehn Kinder in der Vorschule schneidet Deutschland gut ab (OECD-Schnitt: 1:8 und 1:14).

Einen Bericht über die kritische Bilanz des DGB zur "Bildungsrepublik Deutschland" lesen Sie hier.

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