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Diese Solarzelle, entwickelt in Berlin, hält den Weltrekord: Sie gewinnt am meisten Energie aus dem Sonnenlicht.

© Eike Köhnen/HZB

Berliner Forscher bauen Super-Solarzelle: Weltrekord-Technik für die Energiewende

Die Kombination verschiedener Materialien liefert mehr Strom als eine herkömmliche Zelle aus Silizium. Damit könnte der Preis für Solarstrom deutlich sinken.

Ohne Solarzellen keine Energiewende. Je mehr Strom sie zu akzeptablen Kosten erzeugen, umso besser. Ein wichtiger Fortschritt hierbei ist nun einem Forscherteam aus Berlin gelungen. Sie haben eine Solarzelle gebaut, die aus aus einer herkömmlichen Siliziumschicht besteht sowie einer zusätzlichen aus Perowskit, die ebenfalls Solarstrom liefert.

Diese Tandem-Zelle hat eine Effizienz von 29,15 Prozent, das heißt aus 100 Prozent einfallender Strahlungsenergie kommen 29,15 Prozent als Strom heraus. Das ist Weltrekord für ein Silizium-Perwoskit-Tandem (eine Bestenliste hier). Zum Vergleich: Silizium allein schafft im Labor nur 26 Prozent, die Zellen auf Hausdächern um die 20 Prozent.

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„Gelingt es, die Tandem-Zelle auf den Massenmarkt zu bringen, könnte Solarstrom nochmals um die Hälfte günstiger sein als heute“, sagt Amran Al-Ashouri vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB), wo der Rekord bereits zu Jahresbeginn aufgestellt und anschließend der Fachgemeinde mitgeteilt wurde. Nun folgt die wissenschaftliche Publikation im Fachblatt „Science“, in der die Herstellungsmethoden und experimentelle Tests näher beschrieben sind. Verfasst ist sie von einem Team um Amran Al-Ashouri und Eike Köhnen.

Energie aus dem blauen Anteil des Lichts

Die Idee, auf eine Silizium-Zelle eine weitere Schicht zu packen, ist bereits älter. Die Siliziumschicht kann nämlich vor allem aus den roten Anteile des Sonnenlichts Strom erzeugen, aus den blauen aber nur sehr schlecht. Hätte man ein Material, das diesen Teil des Spektrums abdeckt, würde die Effizienz deutlich steigen. Verbindungen mit einer Perowskitstruktur leisten genau das.

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Allerdings sind die Perowskite sehr sensibel, an den Grenzflächen reagieren sie und verlieren ihre Leitfähigkeit. Hier setzten die Forscher an und entwickelten eine Zwischenschicht aus organischen Molekülen, die sich selbstständig zu einer Monolage anordnen. Sie nutzten dafür ein neuartiges Molekül auf Carbazol-Basis mit Methylgruppen (Me-4PACz). „Wir haben sozusagen zuerst das perfekte Bett eingerichtet, auf das sich die Perowskit-Schicht legt“, erläutert Al-Ashouri. Mit Erfolg, wie die Experimente zeigen. Mehr als 300 Stunden arbeitete die Zelle, ohne eine schützende Verkapselung.

Sandwich-Technik für bessere Solarzellen. Mit Perowskit gewinnen Solarzellen auch aus blauem Licht Energie.
Sandwich-Technik für bessere Solarzellen. Mit Perowskit gewinnen Solarzellen auch aus blauem Licht Energie.

© Eike Köhnen/HZB

Verglichen mit anderen Experimenten ist das eine lange Zeit. Für den Massenmarkt freilich sind andere Werte maßgeblich. „In der Solarindustrie gilt das Versprechen, dass Module auch nach 25 Jahren noch 80 Prozent der anfänglichen Leistung bringen“, sagt der HZB-Forscher. Das ließe sich derzeit nicht zusichern.

Fünf bis zehn Jahre Entwicklung seien noch nötig, schätzt er. „Da ist zum einen die wissenschaftliche Aufgabe, zu verstehen, warum die Grenzfläche so empfindlich ist und wie man das Problem dauerhaft löst.“ Zum anderen müsse die Technologie verbessert werden, um großflächig Perowskite abzuscheiden, ohne dass darin Löcher oder andere Fehler enthalten sind. Die aktuelle Zelle ist gerade einen Quadratzentimeter groß.

Ein „großer Fortschritt“ hin zum theoretischen Maximum

Michael Saliba, Leiter des Instituts für Photovoltaik an der Universität Stuttgart, ist nicht an der Studie beteiligt und bezeichnet die Arbeit als „großen Fortschritt“. Seit Jahren würde an Silizium-Zellen geforscht, immer näher kämen sie an ihr theoretisches Maximum.

„Selbst kleinste Verbesserungen sind hart erkämpft“, sagt er. „Kombiniert mit einer Perowskitschicht wurde nun die Effizienz sprunghaft gesteigert.“ Wichtig ist nach Salibas Einschätzung zudem, dass die verwendeten Materialien offenbar recht stabil sind. Der Pfad könnte also wirklich zu sehr effizienten und langlebigen Solarzellen führen.

Die Unterlage aus Silizium biete sich zwar an, um schnell große Mengen zu fertigen, aber es geht auch ohne. Die Perowskit-Schichten sind viel dünner als die aus Silizium und zudem flexibel. „Sie eignen sich daher auch für gekrümmte Flächen, etwa an Fassaden, und bieten so viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten.“

Am HZB arbeitet das Team für Perowskit-Tandemsolarzellen derweil daran, die Effizienz auf über 30 Prozent zu bringen. Erste Ideen dafür lägen bereits vor, erklärt Steve Albrecht, Leiter der Nachwuchsgruppe und vor einem Jahr mit dem Berliner Wissenschaftspreis ausgezeichnet. Die Forscher haben noch einiges vor sich: Die realistische Grenze für den Wirkungsgrad von Tandemzellen aus Silizium und Perowskiten liegt bei rund 35 Prozent.

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