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Kohlenstoff- und artenreiche Lebensräume wie Regenwälder zu erhalten oder wiederherzustellen nützt dem Klima- und dem Artenschutz.

© Marcelo Sayao/dpa

Bericht von Weltklima- und Weltbiodiversitätsrat: Klima- und Artenschutz müssen gemeinsam angegangen werden

Klimawandel und Artenschutz sind die Krisen des Anthropozäns, des Zeitalters der Menschheit. Aber Gegenmaßnahmen sind nicht immer leicht zu vereinen.

Noch nie dagewesene Veränderungen des Klimas und der biologischen Vielfalt, angetrieben durch menschliche Aktivitäten, wirken zusammen und bedrohen zunehmend die Natur, das Leben, die Lebensgrundlagen und das Wohlbefinden der Menschen auf der ganzen Welt, teilt das Sekretariat des Weltbiodiversitätsrates in Bonn mit.

IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) und Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) haben heute einen ersten gemeinsamen Bericht veröffentlicht: Klimawandel und Biodiversität.

Keine der beiden Krisen Klimawandel und Verlust von Biodiversität könne erfolgreich allein gelöst werden. Sie müssten gemeinsam angegangen werden, lautet die Botschaft des Workshop-Berichts, an dem sich 50 der weltweit führenden Biodiversitäts- und Klimaexperten beteiligt haben.

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„Das eine nicht ohne das andere denken“

Biodiversitätsfragen sind in den Sachstandsberichten der Klimarats-Arbeitsgruppe „Klimafolgen und Anpassung“ immer vertreten, sagt Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut (AWI), Bremerhaven, der die Arbeitsgruppe im sechsten Berichtszyklus leitet. „Dabei lag der Blick aber immer mehr auf den Auswirkungen und weniger auf den Lösungsmöglichkeiten.“

Der Druck, den die Menschheit auf Ökosysteme und die Artenvielfalt ausübt, sei dagegen immer Schwerpunkt der IPBES-Sachstandsberichte gewesen. „Wir müssen das zusammenbringen“, sagt Pörtner. Gerade bei den Lösungsansätzen sei es wichtig „das eine nicht ohne das andere zu denken“.

So könnten einige Klimaschutz- oder Anpassungsmaßnahmen Ziele des Artenschutzes gefährden. Es gebe dagegen nur wenige Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt, die den Klimaschutz beeinträchtigen könnten, sagt Pörtner. „Klimaschutzmaßnahmen haben ein höheres Risiko, sich negativ auf die Biodiversität auszuwirken.“

Bioenergie versus Lebensraumerhalt

Als erstes Beispiel wird in der Zusammenfassung der Ergebnisse des Workshops der großflächige Anbau von Pflanzen genannt, die als Brennstoff für die Erzeugung von Strom oder als Grundlage für Biotreibstoffe dienen sollen. Monokulturen auf großen Flächen sind schädlich für Ökosysteme, sie reduzieren den Nutzen der Natur für den Menschen und sie behindern das Erreichen der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung. Auf kleinen Flächen könnten Bioenergiepflanzen dagegen der Anpassung und der biologischen Vielfalt nützen, schließen die Autoren.

Als weitere Beispiele für Zielkonflikte nennen sie das Anpflanzen von Bäumen in Ökosystemen, die zuvor keine Wälder waren, und die Wiederaufforstung mit Monokulturen, insbesondere nicht im Gebiet heimischer Baumarten. Der Ausbau von Bewässerungsanlagen für die Landwirtschaft, als Anpassung an im Klimawandel zunehmende Trockenheit, könne zu Wasserkonflikten, Dammbau und Versalzung der Böden führen.

Synergien können genutzt werden

Auf dem Experten-Workshop wurden jedoch auch Maßnahmen identifiziert, die in beiden Bereichen positiv wirken. Zunächst gelte es die Zerstörung von kohlenstoff- und artenreichen Ökosystemen an Land und im Meer zu stoppen. Die Experten benennen Wälder, Feuchtgebiete, Torfmoore, Grasland und Savannen, Küstenökosysteme wie Mangroven, Salzwiesen, Kelpwälder und Seegraswiesen sowie Tiefseelebensräume. Allein die Reduzierung von Entwaldung und Walddegradierung könne Treibhausgasemissionen um eine Menge senken, die in ihrer Wirkung 0,4 bis 5,8 Gigatonnen Kohlendioxid entspricht.

Die Wiederherstellung solcher Ökosysteme gehört zu den kostengünstigsten und am schnellsten umzusetzenden naturbasierten Klimaschutzmaßnahmen. Sie zahle sich auch mit Vorteilen wie Hochwasserregulierung, Küstenschutz, Wasserqualität und verringerter Bodenerosion aus und kann auch Arbeitsplätze und Einkommen schaffen, insbesondere wenn die Bedürfnisse und Zugangsrechte von indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften berücksichtigt werden.

Die Autoren benennen außerdem nachhaltige land- und forstwirtschaftliche Praktiken. Acker- und Weideflächen besser zu bewirtschaften, bietet laut dem Bericht ein jährliches Klimaschutzpotenzial von drei bis sechs Gigatonnen Kohlendioxid-Äquivalenten. Eine weitere Maßnahme könnte Regierungshaushalte schonen: Subventionen für Abholzung, Überdüngung und Überfischung abzuschaffen, kann auch den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel unterstützen. Die Autoren des Berichts betonen, dass die Natur aber nur wirksam zum Klimaschutz beitragen kann, wenn die vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen ehrgeizig reduziert werden.

Input, nicht Regierungsdokument

Der IPCC und IPBES sind zwischenstaatliche Ausschüsse, die den aktuellen Stand der Wissenschaft für die Regierungen zusammenfassen und bewerten.

„IPCC und IPBES sind sehr ähnlich gestaltet“, sagt Pörtner. Es habe keine Probleme gegeben, sich darauf zu verständigen, wie der Workshop gestaltet und der Bericht erstellt werden sollten. Der Bericht sei aber nicht von den Regierungen verabschiedet worden wie die Sachstandsberichte des IPCC.

„Der Bericht ist die klare Stimme der Wissenschaft, die mit eigener Autorität spricht“, sagt Pörtner. Die Inhalte würden in die Sachstandsberichte beider Organisationen einfließen.

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