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Licht und Schatten. Nordrhein-Westfalen will Befristungen an Hochschulen eindämmen. Aber promovierenden Mitarbeitern droht nach einem Jahr das Aus.

© Marcel Kusch/dpa

Bedingungen für junge Forscher: NRW will „Gute Arbeit“ - aber mit Haken

Faire Bedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs? Nordrhein-Westfalen verabschiedet neue Regeln - stellt dabei dreijährige Laufzeiten aber unter einen Vorbehalt.

Die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen wollen künftig „Gute Arbeit“ bieten. Darauf haben sich Unis und Fachhochschulen jetzt mit Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) geeinigt. Nach Bayern, wo man sich im März auf „Bessere Arbeitsbedingungen für Nachwuchswissenschaftler“ einigte, ist NRW ein weiteres Land, das einer bundesweiten Regelung durch das geplante neue Wissenschaftszeitvertragsgesetz zuvorkommt.

Weniger befristetes Personal

Zu den Grundsätzen des NRW-Kodex gehört ein Bekenntnis, den Anteil des befristeten Personals abzubauen und Lehrbeauftragte nur für zusätzliche Aufgaben in der Lehre zu beschäftigen – und etwa nicht mehr für obligatorische Sprachkurse. Gleichzeitig will man die Lage der Lehrbeauftragten verbessern, sie über mehrere Semester beschäftigen und an hochschuldidaktischen Fortbildungen teilnehmen lassen.

Ministerin Schulze zeigt sich „stolz“, das Paket nun gemeinsam mit den Hochschulen auf den Weg gebracht zu haben. Tatsächlich bedeutet es die Rückkehr zur konstruktiven Zusammenarbeit, nachdem insbesondere die Universitäten das 2014 verabschiedete neue NRW-Hochschulgesetz massiv infrage gestellt hatten. Unter anderem wehrte man sich gegen damit mögliche Rahmenvorgaben des Landes zu „Guter Arbeit“.

Die Öffentlichkeit versteht unter "fair" was anderes

Was Land, Arbeitgeber und Personalräte jetzt ausgehandelt haben, bleibt aber teilweise hinter Eckpunkten zurück, die in der Öffentlichkeit mit fairen Beschäftigungsverhältnissen verbunden werden. So heißt es immer, die Laufzeiten von Verträgen sollten sich an dem für Dissertationen üblichen Zeitrahmen von zwei bis vier Jahren orientieren. Schon die bayerischen Grundsätze sehen vor, dass die Mindestlaufzeit bei erstmals Beschäftigten nur ein Jahr betragen darf. Das ist auch in NRW der Fall: Zwar sollen promovierende Mitarbeiter in der Regel über drei Jahre beschäftigt werden, der Vertrag könne aber in einen Einjahres- und in einen Zweijahresvertrag gesplittet werden. Der zweite Arbeitsvertrag soll nur dann geschlossen werden, wenn keine negative Zwischenevaluation des Promotionsvorhabens vorliegt. Im Klartext: Sieht der Betreuer nach einem Jahr keine gute Prognose für den Abschluss der Dissertation und wird dies durch Gutachter bestätigt, muss der Doktorand gehen. Der Ergebnisdruck nach nur einem Jahr könnte die Lage der Nachwuchswissenschaftler also prekärer als zuvor machen.

Zwei Gutachter sind ausschlaggebend

Ein Sprecher von Wissenschaftsministerin Schulze gibt zu, dass in dem „schwierigen, langwierigen Prozess“ des Aushandelns „Sachen auf der Strecke geblieben sind“. Die Umsetzung des Kodex werde aber von einer Kommission begleitet; wenn sich die Ein-Jahres-Regel als „nicht praktikabel“ erweise, könne sie nachgebessert werden. Die GEW, deren Landesverband mit am Verhandlungstisch saß, übt nur verhaltene Kritik. Der Kodex sei ein Kompromiss mit „viel Luft für weitere Verbesserungen“, gehe aber in die richtige Richtung. Auf Nachfrage sagt der GEW-Vizevorsitzende Andreas Keller, federführend für faire Arbeitsbedingungen an Hochschulen, Zwischenevaluationen solle es offenbar nur ausnahmsweise bei „begründetem Zweifel an den Erfolgsaussichten“ geben. Weil mindestens zwei Gutachter ausschlaggebend seien, diene die Regelung „sogar dem Schutz der Promovierenden“. Aus Sicht der GEW wäre es aber „der richtige Weg, von vornherein für die gesamte Dauer der Promotion einen Vertrag abzuschließen“.

Auch Simone Raatz, SPD-Hochschulexpertin im Bundestag, bezeichnet den NRW-Kodex zwar als „Meilenstein“, betont aber für die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes: Der Erstvertrag solle über drei Jahre laufen, wenn für die Qualifikation üblicherweise drei Jahre vorgesehen sind. Das Zeitvertragsgesetz will die SPD zum 1. Januar 2016 novellieren – bislang fehlt allerdings ein gemeinsamer Gesetzentwurf mit der Union.

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