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Die Jungtiere der Großen Sackflügelfledermaus halten sich im Tagquartier am Bauch ihrer Mutter fest.

© Michael Stifter

Babbelnde Fledertiere: Fledermäuse üben das Singen wie Menschen das Sprechen

Komplexe Lautäußerungen müssen erlernt werden. Das gilt nicht nur für die Sprachen der Menschen, sondern ähnlich auch für Gesänge von Fledermäusen.

„Da-da-da“ – überall auf der Welt fangen Babys mit etwa sechs Monaten an zu babbeln. Mit dem Aneinander-Reihen von Lauten wie auch „ba-ba“ oder „ma-ma“ probieren die Säuglinge ihren Sprachapparat aus.

In einer sehr ähnlichen Babbel-Periode übt auch der Nachwuchs der Großen Sackflügel-Fledermaus Saccopteryx bilineata in Zentralamerika schon kurz nach der Geburt die Lautäußerungen dieser Art. Das berichten Forscherinnen um Ahana Fernandez und Mirjam Knörnschild vom Museum für Naturkunde (MfN) und der Freien Universität Berlin (FUB) in der Zeitschrift „Science“.

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Tagesruhe mit Abstand

„Das ist eine sehr spannende Studie, die sorgfältig die Babbel-Phase unserer Babys mit einer ähnlichen Periode der Großen Sackflügel-Fledermaus vergleicht“, sagt Christian Voigt, der am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin ebenfalls Fledermäuse erforscht, an der Arbeit aber nicht beteiligt war. „Auch wenn die Entwicklung beider Arten schon seit sehr vielen Jahrmillionen getrennte Wege geht, trainieren beide gleichermaßen schon sehr früh nach ihrer Geburt und verblüffend ähnlich das später im Erwachsenen-Alter so wichtige Sprechen oder Singen.“

Die Große Sackflügel-Fledermaus wird seit 2003 in Panama und Costa Rica von den Wissenschaftlerinnen erforscht. Die Kolonien der Tiere sind weithin zu hören: „Die sind so laut, dass sie wie akustische Leuchtfeuer im Dschungel wirken“, sagt Fernandez.

Auch wenn die Fledermäuse offensichtlich nicht fürchten, von Feinden entdeckt zu werden, bleiben sie trotzdem vorsichtig: „Es dauert schon zwei Wochen, bis sich eine Kolonie an unsere Anwesenheit gewöhnt hat“, berichtet Fernandez. Danach können die Forscherinnen mit ihren Untersuchungen beginnen.

Tiere werden gefangen, beringt und wieder freigelassen, damit sie identifiziert werden können. Das klappt auch deswegen gut, weil die Tiere tags an ihren Ruheplätzen in Spalten und Ritzen in der Rinde von Bäumen oder bisweilen an Hauswänden mindestens acht Zentimeter Abstand von ihren Nachbarn halten. Die Forscherinnen dokumentieren das Verhalten der Tiere in den Tagesquartieren mit Mikrophon und Kamera.

Rhythmus und Melodie

In einer solchen Kolonie verteidigen drei oder vier Männchen jeweils einen oder zwei Quadratmeter große Reviere mit jeweils höchstens acht Weibchen. „Diese tragen zwar sehr häufig den Nachwuchs des Haremsbesitzers aus, ab und zu kommen aber auch fremde Männchen zum Zug“, erklärt Fernandez. Heranwachsende Weibchen suchen sich andere Gruppen. Junge Männchen warten am Rand der eigenen Kolonie, bis sie vielleicht einen Harem übernehmen können.

Gelingt das, verteidigen sie ihr Revier mit knapp zwei Sekunden langen Gesängen. Entscheidend für den Erfolg sind die Tonhöhe und die Ausdauer der Sänger: „Je tiefer die Frequenzen sind, umso erfolgreicher ist der Gesang“, erklärt Fernandez. Die deutlich weniger als zehn Gramm schweren Fledermäuse müssen mehr Energie in tiefere als in höhere Töne stecken. Der Gesang zeigt potentiellen Rivalen und interessierten Weibchen: Wer tief und ausdauernd singt, ist fit. „Dabei unterscheiden die Weibchen gut zwischen den verschiedenen Dialekten, und entscheiden sich dann meist für einen möglichst vertrauten Dialekt“, erklärt Fernandez.

Der Gesang der Großen Sackflügelfledermaus ist auch für das menschliche Ohr gut hörbar.
Der Gesang der Großen Sackflügelfledermaus ist auch für das menschliche Ohr gut hörbar.

© Michael Stifter

Der Gesang ist der Schlüssel zum Erfolg im Leben der Großen Sackflügel-Fledermaus und wird schon früh geübt. Junge Fledermäuse zeigen etwa drei Wochen nach ihrer Geburt Verhaltensweisen, die dem Babbeln von Menschen-Babys ähneln: „Wenn wir kurze Töne als Silben interpretieren, wiederholen die kleinen Fledermaus diese häufig“, erklärt Fernandez. Wie Menschen-Babys legen auch die heranwachsenden Fledermäuse besonderen Wert auf einen guten Rhythmus und eine gefällige Melodie.

Menschenkinder sprechen meist erst mit etwa einem Jahr die ersten, richtigen Worte, von denen einige wie „Mama“ oder „Papa“ direkt aus der Babbel-Phase übernommen werden. Der Fledermaus-Nachwuchs ahmt bereits in dieser Zeit, ab drei bis etwa zehn Wochen nach der Geburt, die Melodien in den tiefen Tönen der erwachsenen Männchen nach.

Dabei bemühen sich beide Geschlechter gleichermaßen. Die Männchen lernen, ihr Revier zu verteidigen. Die Weibchen üben die Territorial- und auch die Brutgesänge genauso, obwohl sie als Erwachsene nicht singen. „Möglicherweise lernen sie so, wieviel Energie die tiefen Töne mit häufigen Wiederholungen kosten und können so besser unterscheiden, wie sich der Partner anhört, der den größten Erfolg verspricht“, vermutet Fernandez.

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