zum Hauptinhalt
Anschauungsunterricht. Den Augustusbogen (Aosta) zeichnete John Soanes Mitarbeiter Henry Seward im Januar 1807. Insgesamt verlangte Soane seinen Mitarbeitern 1500 Zeichnungen ab. In Berlin wird eine Auswahl von 27 gezeigt.

© Sir John Soane's Museum

Ausstellung zu John Soane: Illustrierte Vorlesungen

Der Architekt John Soane vermittelte sein Fach anhand eigens angefertigter großformatiger Aquarelle. Jetzt werden einige davon in Berlin im Museum für Architekturzeichnung gezeigt.

Einer der Architekten, die den Aufstieg Londons zur Weltstadt mit ihren Bauten begleiteten, war John Soane (1753– 1837). 45 Jahre lang werkelte er allein am Ausbau der Bank of England, des Finanzzentrums im expandierenden Königreich. Neben seiner vielfältigen Entwurfstätigkeit lehrte er aber auch als Professor für Architektur an der Royal Academy, die damals noch eine Ausbildungsstätte war. Im Jahr 1806 erst wurde er ins Amt berufen; seinerzeit war die Mitgliederzahl der Akademie auf 40 begrenzt, und Soane musste erst den Rücktritt des Vorgängers abwarten, an dem er freilich seinen aktiven Anteil hatte.

Neuartig war Soanes Lehrmethode: Er begleitete seine Vorlesungen – zwölf über zwei Jahre hinweg waren vorgeschrieben – mit großformatigen Illustrationen, mit aquarellierten Federzeichnungen historischer wie zeitgenössischer Bauten. Die ließ er – über die Jahre 1500 an der Zahl – in seinem Büro von Mitarbeitern anfertigen, im Falle antiker Bauten nach Stichvorlagen etwa von Piranesi oder Vivant Denon, bei zeitgenössischen Werken nach eigenem Besuch samt zeichnendem Mitarbeiter.

27 besonders schöne Blätter sind jetzt im Museum für Architekturzeichnung am Pfefferberg zu sehen, jedes ein Kunstwerk von eigenem Rang. Denn Soane begnügte sich nicht mit trockenen Darstellungen, sondern ließ die Blätter stimmungsvoll farbig aquarellieren und oft in eher malerischen Perspektiven anlegen. Mit den hier nebeneinandergehängten Ansichten einer Baumallee und des Innenraums von Westminster Abbey folgte Soane, ganz im Sinne seiner romantischen Zeit, der damals gängigen Interpretation der Entstehung der gotischen Bauweise nach dem Vorbild der Natur.

Soane liebte Vergleiche

An den Bauten der Antike interessierte Soane der dekorative Apparat von Säulen und Kapitellen, und so fügte er auch eine Fantasie des sagenhaften Tempels Salomons in Jerusalem ein, wo die Kapitelle aus fruchttragenden Palmwedeln geformt sind. Überhaupt Jerusalem: Überraschend ist die Einbeziehung der Grabeskirche, deren Ursprungsbau aus der Zeit Kaiser Konstantins stammt und bei Soane in einem stimmungsvollen Blatt vergegenwärtigt wird.

Soane liebte Vergleiche: So werden in einem hinreißenden Blatt in gleichem Maßstab die Silhouette des Petersdoms in Rom, ein Schnitt durch das Pantheon, darin eingestellt die Ansicht der Bibliothek von Oxford und davor wiederum ein Schnitt durch Soanes eigene Rotunde der Bank von England vorgeführt. Soane beschloss mit diesem Blatt seine zwölfte Vorlesung und damit den gesamten Zyklus, den er über jeweils zwei Jahre immer wieder aufs Neue hielt. Dazu führte er gegebenenfalls neue Blätter vor, so nach seinem Paris-Besuch 1819, wo er sich besonders von der Revolutionsarchitektur um 1790 angetan zeigte.

Mit der Zeitgenossenschaft allerdings handelte sich Soane Probleme ein. 1809 wurde das neue Opernhaus in Covent Graden eröffnet, ein Jahr darauf zeigt Soane eine durchaus nüchterne, sachliche Ansicht, äußerte sich jedoch in der Vorlesung höchst kritisch über das Werk seines Kollegen Robert Smirke. Das brachte ihm wütende Gegnerschaft ein; einen Monat später sah sich die Akademie genötigt, ihren Professoren die Kritik am Werk lebender Künstler zu untersagen. Soane unterbrach daraufhin seine Vorlesungen um volle zwei Jahre.

Die "Brücke der Pracht" über die Themse

Auch führte Soane den fantastischen Entwurf von Thomas Sandby für eine Brücke über die Themse vor, bezeichnet als „Brücke der Pracht“, der sich an einen Stich von Piranesi anlehnt. Soane mochte den Entwurf nicht, weil er die linksseitige Uferfront der Themse verdeckt hätte; zu einer Zeit, da der Fluss wesentlich breiter und ungezähmter war als heute. Und auf dem Wasser schaukeln venezianische Barken – ein typisches Detail, das die Grafiken so lebendig macht. Im Berliner Museum sind sie sinnfällig auf die beiden Ausstellungsetagen verteilt, unten die historischen Bauten, beginnend mit einem ägyptischen Tempel, oben die englischen Beispiele, angefangen mit einer raffinierten Vogelperspektive auf das steinzeitliche Stonehenge.

Erst bei genauem Hinsehen erkennt man die fein notierten Maßangaben an den gewaltigen Steinen – Soane hatte ein Mitarbeiterteam eigens nach Wiltshire geschickt, um genaue Maße zu nehmen, und Verwendung fand das Blatt beim Thema „Transport von Steinen“. Soane war schließlich auch Praktiker. Seinen Mitarbeitern verlangte er insgesamt 1500 solcher Blätter ab, und schon an der kleinen Auswahl von 27 farbigen Zeichnungen lässt sich ermessen, welche Auffassungsgabe seinerzeit nötig, aber auch vorhanden war, um Architektur zu verstehen.

Museum für Architekturzeichnung, Christinenstr. 18a (Pfefferberg) in Prenzlauer Berg, bis 17. Juni. Kein Katalog. Mehr Infos unter www.tchoban-foundation.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false