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Mondsüchtig. Wem gehört der Mond? Und wer entscheidet, wie der Erdtrabant (im Vordergrund die ISS) genutzt werden darf? Mit den Erfolgen privater Raumfahrtunternehmen, die auch Rohstoffe abbauen wollen, stellen sich diese Fragen jetzt neu.

©  Joel Kowsky / dpa

Außerirdische Schätze: Die Jagd auf den achten Kontinent

Auf dem guten Mond geht es noch recht stille zu. Aber seine Rohstoffe locken. Firmen wittern astronomische Gewinne.

Für Visionäre vom Schlage eines Jeffrey Bezos, des Amazon-Gründers und reichsten Menschen auf den sieben irdischen Kontinenten, ist er der „achte Kontinent“. Seit Jahrmillionen kennen Menschen diese Landmasse, die etwa so groß wie Nord- und Südamerika zusammen ist. Dennoch ist sie bis heute vollkommen unbewohnt. Nur zwölf Menschen haben dort bisher Fußspuren hinterlassen. Das dürfte sich bald ändern. Das Wettrennen zum Mond und dessen Ausbeutung hat begonnen.

Treibstoff für die Raumfahrt ist nicht nur wissenschaftliche Neugier

Die ersten Teilnehmer dieses Wettstreits stehen bereits in den Startlöchern, oder vielmehr auf den Startrampen. Sie wollen das Preisgeld von 20 Millionen US-Dollar gewinnen, das 2007 unter dem Namen „Google Lunar X Prize“ ausgelobt wurde für das erste überwiegend privat finanzierte Unternehmen, das ein Fahrzeug auf den Mond bringt, das dort mindestens 500 Meter herumkurvt und dabei hochaufgelöste Videos und Bilder zur Erde funkt. Höhere Ziele als derart irdische Trophäen haben sich „SpaceX“, die Firma des mit PayPal reich gewordenen Tesla-Chefs Elon Musk, und „Blue Origin“ gesteckt, in das Jeff Bezos einen Teil seiner Aktiengewinne gesteckt hat. Sie wollen die Sphäre des irdischen Handels und Wandels bis in den Weltraum ausdehnen. Bezos zufolge werden künftig Millionen von Menschen im Weltraum leben und arbeiten.

Solche Ambitionen haben Tradition. Schon der erste Wettlauf zum Trabanten der Erde vor rund 50 Jahren war keineswegs eine Initiative der Wissenschaft. Es war vielmehr die Fortsetzung des Kalten Kriegs zwischen den USA und der Sowjetunion im kalten All. Er endete mit sechs geglückten Landungen von US-Bürgern auf dem Mond und deren Rückkehr zur Erde. Und wurde gefeiert als Triumph des Kapitalismus über den Kommunismus.

Zum Wohle der Menschheit - und des Geschäfts

Auch heute treibt Bezos und Co. wohl nicht die wissenschaftliche Neugier an. Obwohl sich die Konkurrenten auch jetzt wieder edle Gründe auf die Fahnen schreiben. Auf den Internetseiten von „Moon Express“, gegründet 2010 von einigen Unternehmern und Investoren aus dem Silicon Valley, heißt es sinngemäß: „Unsere Mission ist es, zum Mond zurückzukehren und seine Geheimnisse und Ressourcen zum Wohle der Menschheit zu entschlüsseln.“ Mit „Ressourcen“ sind indes wohl vor allem „Rohstoffe“ gemeint und auch ein gutes Geschäft lässt sich unter „Menschheitswohl“ subsummieren. Das Weltraum-Start-up-Unternehmen „Planetary Resources“, auf das unter anderem Google-Mitgründer Larry Page gesetzt hat, weist immerhin schon im Namen auf Gewinninteressen hin. Nicht auf dem Mond, aber auf erdnahen Asteroiden hofft die Firma Osmium, Iridium, Platin und Palladium zu finden – und Wasser, das „Öl der Raumfahrt“. Es kann in die Raketentreibstoffe Wasserstoff und Sauerstoff gespalten werden. Asteroiden könnten die Tankstellen der interplanetaren Raumfahrt werden.

Aber darf denn jeder, der sich das leisten kann, das All ausbeuten? Wem gehören Mond und Asteroiden mit allen ihren Rohstoffen eigentlich?

Schon 1967, also vor genau einem halben Jahrhundert, haben sich 107 Staaten der Erde (darunter auch die USA und die Sowjetunion) geeinigt, von wem und wie der Weltraum einschließlich seiner Himmelskörper genutzt werden darf. Der kurz „Outer Space Treaty“ genannte Vertrag legt unter anderem fest: „Allen Staaten steht es frei, den Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper gleichberechtigt und im Einklang mit dem Völkerrecht zu erforschen und zu nutzen; es besteht uneingeschränkter Zugang zu allen Gebieten auf Himmelskörpern“ (Artikel 1). Und in Artikel 2 steht eindeutig, dass kein Staat auf dem Mond oder sonst irgendwo im Weltraum Besitzansprüche erheben oder Hoheitsrechte ausüben darf. Genießen also wir alle uneingeschränktes Aufenthaltsrecht im Kosmos? Dürfen alle Menschen den Mond oder andere Himmelskörper betreten und „nutzen“, in welcher Form auch immer?

Moon Express hat schon eine Landeerlaubnis

Bei genauerem Lesen des Weltraumvertrags erkennt man jedoch, dass in ihm nur von „Staaten“ die Rede ist. Was aber, wenn Einzelpersonen oder Privatunternehmen ins All aufbrechen wollen? In weiser Voraussicht, dass dieser beim Inkrafttreten des Vertrags im Jahr 1967 nur theoretische Fall irgendwann tatsächlich einmal Realität werden könnte, haben die Verfasser in Artikel 6 verfügt: „Tätigkeiten nichtstaatlicher Rechtsträger im Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper bedürfen der Genehmigung und ständigen Aufsicht durch den zuständigen Vertragsstaat.“ Dem privatwirtschaftlichen Aufbruch in die Weiten des Weltalls steht also eine hohe bürokratische Mauer im Weg. Theoretisch.

Vor Kurzem hat die US-amerikanische Federal Aviation Administration (FAA) jedoch das erste juristische Loch in diese Mauer geschlagen. Eigentlich ist diese Behörde nur für den irdischen Flugverkehr zuständig. Doch mangels anderer zuständiger Behörden erteilte sie am 20. Juli 2016, genau 47 Jahre nach der ersten Landung von Menschen auf dem Mond mit Apollo 11, dem Unternehmen „Moon Express“ die Landeerlaubnis für deren kleine Raumsonde MX-1 auf dem Erdtrabanten. Die Nasa hatte sich allerdings ausbedungen, dass MX-1 wenigstens das „Mare Tranquilitatis“ in Ruhe lassen muss. Denn im „Meer der Ruhe“ liegt der Landeplatz von Apollo 11 mit dem ersten Fußabdruck eines Menschen im Mondsand als historischem Kulturerbe der Menschheitsgeschichte.

Weltraummacht Luxemburg

Die privaten Raumfahrtunternehmen in den USA hoffen, dass die FAA nach ihrer ersten Genehmigung eines nichtstaatlichen Raumfahrtprojekts die Flugbahnen für kommerzielle Raumfahrtprojekte bald generell freimachen wird, zumindest für US-amerikanische Unternehmen. Der Traum der wachsenden Weltraumwirtschaft wäre die Anwendung des Prinzips der „genehmigungsfreien Innovation“: Demnach sollen die Unternehmen zunächst ohne bürokratische Hemmnisse ausprobieren dürfen, ob Bergbau auf dem Mond oder auf den Asteroiden überhaupt möglich ist und sich lohnt. In den USA gibt es sogar schon eine gesetzliche Grundlage für dieses Vorhaben: Vor zwei Jahren unterzeichnete Präsident Obama den „U.S. Commercial Space Launch Competitiveness Act“. Dieses Gesetz legt unter anderem fest, dass US-Bürger Rohstoffe auf Asteroiden entnehmen, besitzen und verkaufen dürfen, obwohl ihnen diese Himmelskörper gemäß dem UN-Weltraumvertrag „Outer Space Treaty“ gar nicht gehören. „America first“ auch im Kosmos!

Doch da die US-Bürokratie vergleichsweise unübersichtlich ist, sichern sich die Firmen vorsorglich auch anderswo ab. „Planetary Resources“ hat daher eine Niederlassung in Luxemburg, das im August 2017 als erstes europäisches Land ein eigenes Weltraumgesetz verabschiedet hat. Das Recht auf Rohstoffabbau auf Himmelskörpern wird darin kaum durch bürokratische Hürden eingeschränkt. Schließlich investiert das Land selbst in die kommerzielle Raumfahrt. Zehn Prozent von „Planetary Resources“ gehören dem Großherzogtum bereits.

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