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Auch E-Autos werden von Lithium-Ionen-Akkus angetrieben.

© Jan Woitas/dpa-Zentralbild/picture alliance / Jan Woitas/dp

Update

Ausgezeichnete Akkus: Chemie-Nobelpreis für Entwickler der Lithium-Ionen-Batterien

In Handys, E-Autos: Die drei Chemie-Nobelpreisträger entwickelten die Akkus, die heute weitverbreitet und nötig für eine Zukunft ohne fossile Energien sind.

Gut möglich, dass Sie diesen Artikel über den Chemienobelpreis nur dank eines Lithium-Ionen-Akkus lesen können. Smartphones und Laptops beziehen ihren Strom aus den Batterien, deren maßgebliche Entwickler nun mit dem wichtigsten Wissenschaftspreis ausgezeichnet werden.

Doch die leichten und effizienten Akkus finden sich auch in vielen anderen Geräten, vom Elektroauto über das E-Bike, über Akkuschraubern bis zu Herzschrittmachern. Die Technologie wird auch für stationäre Speicher verwendet, die Ökoenergie aus Solaranlagen verwahren, bis sie wieder benötigt wird.

„Li-Ionen-Batterien haben unsere Gesellschaft dramatisch verändert“, sagte Olof Ramström vom Nobelpreiskomitee bei der Bekanntgabe der Preisträger: den US-Amerikaner John Goodenough von der University of Texas in Austin, den in Großbritannien geborenen Stanley Whittingham von der Binghamton State University of New York und den Japaner Akira Yoshino von der Meijo University Nagoya in Tokio. Sie teilen sich das Preisgeld von neun Millionen Schwedischen Kronen (833.000 Euro).

Ionen im chemischen Sandwich zwischenlagern

Die Geschichte beginnt in den frühen 1970er-Jahren. Bei der Ölfirma Exxon wird über die Zukunft diskutiert, in der der Rohstoff knapp zu werden droht. Man beschließt, verstärkt in die Energieforschung zu investieren, um alternative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Führende Wissenschaftler werden angeworben, sie bekommen große Freiheiten, können fast alles tun, was sie wollen, sofern ihre Arbeiten ohne Öl auskommen. Einer von ihnen ist Whittingham. 1972 wechselt er von der Stanford University zu Exxon, forscht mit seinem Team an supraleitenden Materialien. Er ist Experte für Interkalation. So wird die „Einlagerung“ einzelner Atome oder Moleküle in einem geschichteten Material bezeichnet, ähnlich wie bunte Blätter zwischen die Seiten eines Buchs gelegt werden, um sie zu pressen.

Whittingham bringt Kaliumionen in Tantal(IV)-sulfid und stellt fest, dass die Reaktion der beiden Materialien überraschend viel Energie freisetzt. Er begreift, dass dies der Schlüssel zu neuen Batterien ist, die Elektrofahrzeuge ermöglichen. Mobilität ohne Erdöl.

2013 erhielt der inzwischen 97-jährige John Goodenough, der heute mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, bereits die "National Medal of Science" vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama.
2013 erhielt der inzwischen 97-jährige John Goodenough, der heute mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, bereits die "National Medal of Science" vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama.

© REUTERS/Jason Reed

Doch Tantal ist schwer, und schwere Batterien gab es bereits, wie etwa Bleiakkus, die bereits im 19. Jahrhundert erfunden worden waren und bis heute als Starterbatterie in Autos eingebaut werden. Whittingham nimmt statt Tantal das leichtere Titan für die Kathode, den Pluspol. Und er braucht ein Material für den Minuspol, die Anode, das leicht seine Elektronen abgibt, denn nur dann kann ein Strom fließen. Hier kommt Lithium ins Spiel. Es ist ebenfalls sehr leicht und vor allem sehr reaktiv, nur zu gern gibt es ein Elektron frei. So entstand die erste Lithium-Ionen-Batterie.

Immer wieder muss die Feuerwehr anrücken - die Prototypen explodieren

Die Exxon-Chefs waren begeistert und wollten die Erfindung vermarkten. Doch im Laufe der Zeit entstanden feine Fäden aus Lithium auf der Anode. Erreichten sie die Kathode gab es einen Kurzschluss, die Batterie explodierte. Immer wieder musste die Feuerwehr anrücken, um brennendes Lithium zu löschen. Dafür waren spezielle Chemikalien nötig, die schließlich das Labor bezahlen musste. Mithilfe von Aluminium, das der Lithium-Anode hinzugefügt wurde, wurden die Batterien sicherer. Das Ziel war, einen Akku zu bauen, der groß genug für ein Auto ist.

Doch Anfang der 1980er-Jahre fiel der Ölpreis, Exxon zog sich aus der Batterieforschung zurück und gab die Patente an drei weitere Firmen. Nun übernahm John Goodenough. Er war zu der Zeit Professor an der Universität Oxford und hatte von Whittinghams revolutionärer Batterie gehört. Goodenough war jedoch überzeugt, dass die Kathode noch leistungsfähiger würde, wenn man ein Metalloxid anstatt eines Metallsulfids verwendet.

Hier spricht Akira Yoshino nicht mit dem Nobel-Komitee, das dem japanischen Chemiker heute den Nobelpreis für Chemie verliehen hat, sondern einem Gratulanten: dem japanischen Premierminister Shinzo Abe.
Hier spricht Akira Yoshino nicht mit dem Nobel-Komitee, das dem japanischen Chemiker heute den Nobelpreis für Chemie verliehen hat, sondern einem Gratulanten: dem japanischen Premierminister Shinzo Abe.

© REUTERS/Issei Kato

Nach einer systematischen Suche präsentierte er 1980 Kobaltoxid als das bessere Material. Tatsächlich lieferte die Lithiumbatterie eine Spannung von 4 Volt, doppelt so viel wie Whittinghams Akku. Goodenoughs Erfolg hängt maßgeblich damit zusammen, dass er die Batterien im nicht geladenen Zustand montierte und nicht – wie vormals üblich – im geladenen.

Nachdem Goodenough die Kathode verbessert hatte, machte sich Akira Yoshino daran, die Anode zu verbessern. Er hatte das Potenzial einer leichten Batterie frühzeitig erkannt. Etliche Firmen in Japan hatten in den 1980er-Jahren innovative Elektronikartikel wie Videokameras und schnurlose Telefone entwickelt, die am besten mit leichten und zugleich leistungsfähigen Batterien versorgt werden.

Geduldige Suche nach dem passenden Material

Anstatt einer sehr reaktionsfreudigen Anode aus metallischem Lithium suchte Yoshino nach einem kohlenstoffhaltigen Material, das Lithium aufnehmen würde. Doch Versuche, die Ionen in die Lagen von Graphit zu bringen, waren bereits bei anderen Forschungsteams gescheitert. Der Japaner fand schließlich sogenannten Petrolkoks, eine feste Substanz, die aus Erdöl hergestellt wird und hauptsächlich aus Kohlenstoff besteht. Ein Volltreffer. Yoshinos Lithium-Ionen-Batterie war stabil, leicht, brachte ebenfalls eine Spannung von 4 Volt und war über zig Ladevorgänge stabil.

Während bei anderen Batterien die Elektroden oftmals durch die chemischen Reaktionen sukzessive verändert werden, haben Lithium-Akkus den großen Vorteil, dass die Li-Ionen in den lagenhaften Elektroden nur „eingelagert“ werden und sie nicht beschädigen. So können sie eine enorme Lebenszeit erreichen.

Dem Chemiker Stanley Whittingham wird, wie seine ausgezeichneten Kollegen, der Nobelpreis für Chemie 2019 am 12. Dezember verliehen werden.
Dem Chemiker Stanley Whittingham wird, wie seine ausgezeichneten Kollegen, der Nobelpreis für Chemie 2019 am 12. Dezember verliehen werden.

© Thomas Burmeister/dpa

Der Rest der Geschichte ist bekannt, die Akkus sind heute nahezu überall zu finden. Sie ermöglichen es, verschiedenste Geräte mobil zu nutzen, sie gelten als maßgebliches Element für einen „fossilfreien“ Verkehr und Speicherlösung für Ökostromanlagen. Neben den vielen Vorteilen werden zunehmend auch Nachteile offensichtlich, die mit dem steigenden Rohstoffbedarf zusammenhängen. Lithium wird heute vor allem in Australien, Chile und Argentinien gewonnen.

Aktuelle Pläne, den Abbau in Lateinamerika zu forcieren, sind umstritten, weil die Gewinnung sehr wasserintensiv ist und Nachteile für die indigene Bevölkerung und die Umwelt befürchtet werden. Ein weiteres Problem ist Kobalt, das in den Elektroden verbaut ist.

Ersatz für Kobalt dringend gesucht

Mehr als 60 Prozent des Kobalts werden in der Demokratischen Republik Kongo gefördert, oftmals im Kleinbergbau unter katastrophalen Bedingungen. Alternativen wie die Rohstoffgewinnung im Meer – das Metall ist auch in Manganknollen enthalten – sind ebenfalls umstritten und technologisch noch nicht ausgereift.

Daher versuchen Forscher, den Kobaltanteil Lithium-Ionen-Akkus zu verringern und durch Nickel und Mangan zu ersetzen. Hier seien inzwischen große Fortschritte erzielt worden, sagt Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm, das neue Batteriespeicher erforscht. Zudem werde an kobaltfreien Materialkombinationen geforscht, etwa Lithium-Eisen-Phosphat. Gemessen an der Menge der gespeicherten Energie nehmen diese Akkus jedoch mehr Volumen ein, so dass der Einsatz in Pkw unwahrscheinlich ist – dafür aber in Bussen oder gleich als stationärer Speicher zu Hause.

Für eine nachhaltige Energieversorgung, daran hat das Nobelpreiskomitee keinen Zweifel gelassen, sind Lithium-Ionen-Batterien unerlässlich.

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