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Eine gestresste junge Grundschullehrerin wendet sich mit Kopfschmerzen von der Klasse ab.

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Ausbildung von Lehrkräften an der Uni: Berliner Initiative fordert jährlich 3000 Lehramts-Absolventen

"Schule muss anders": Hochschulverträge vertragen, sonst gerate die Lehrkräftebildung unter die Räder. Der Senat arbeite mit falschen Zahlen.

„Eine deutliche Ansage an die Unis, dass die Lehrkräftebildung Kür werden muss – und nicht mehr lästige Pflicht“, fordert die Initiative „Schule muss anders“ von der Politik. Bisher täten die Universitäten so, „als ob sie die Ausbildung der künftigen Lehrkräfte nichts angeht“, sagte Aline Oloff, Postdoktorandin in den Bildungswissenschaften an der TU Berlin, am Montag bei einem Pressegespräch der Initiative.

Bei den jetzt anstehenden Verhandlungen über die Hochschulverträge ab 2023 drohe die Lehrkräftebildung erneut nicht die Priorität zu bekommen, die sie brauche, warnt auch Philipp Dehne, Mitbegründer der Initiative, die im Berliner Wahlkampf im Frühjahr 2021 startete.

Der ehemalige Lehrer unterrichtete an einer Sekundarschule Politik, Ethik und andere Fächer, bevor er aus Frust über die unzulängliche Ausstattung gekündigt und sich entschlossen habe, sich in der Neuköllner Linken und auch bürgerschaftlich für bessere Schulen zu engagieren.

Zentral für die „Graszwurzelbewegung“ von Lehrkräften, Eltern und Schülern ist die Forderung, dass Berlins Universitäten – vor allem FU und HU – jährlich 3000 statt der vom Senat geforderten 2000 Absolvent:innen im Lehramt produzieren sollen. Eine Unterschriftensammlung dazu sei von 7000 Lehrkräften unterzeichnet worden, sagt Dehne.

Die Lehrkräfteprognose der Schulverwaltung, die für das laufende Jahr von 2440 unbefristeten Neueinstellungen und für die Folgejahre von jeweils knapp 2000 bis zu 1680 für 2028/29 ausgeht, sei falsch, lautet der Vorwurf.

Der Senat rechnet mit zwölf Prozent, die KMK mit 15 Prozent mehr Schülern bis 2030

Die Schulverwaltung rechnet mit zwölf Prozent mehr Schüler:innen bis 2030, der Prognose der Kultusministerkonferenz zufolge sollen es in Stadtstaaten wie Berlin aber 15 Prozent mehr werden. Diese Sichtweise vertritt auch der ehemalige Bildungsstaatssekretär Mark Rackles: Insgesamt bilde Berlin zu 150 Prozent unter Bedarf aus.

„Schule muss anders“ beziffert den Lehrkräftebedarf bis 2030 auf 25.000 und damit auf gut 3000 Absolvent:innen pro Jahr. Diese Zahl würde noch um einen „Faktor X“ steigen, wenn die auch im Koalitionsvertrag versprochenen pädagogischen Verbesserungen, Entlastungen in den Grundschulen und der Mehrbedarf für die Inklusion hinzukommen.

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Die Zahl von 2000 jährlich dürfe deshalb nicht erneut in den Hochschulverträgen festgeschrieben werden, erklären Oloff und Dehne. Doch darauf werde es hinauslaufen, wenn der „krasse Zeitdruck“ bestehen bleibe, Eckpunkte noch in diesem Frühjahr festzuzurren.

Weder die neue Wissenschaftssenatorin noch die Berliner Unileitungen seien momentan arbeitsfähig, um der Lehrkräftebildung mehr Gewicht zu geben. Deshalb fordere die Initiative, die Laufzeit der Hochschulverträge für 2018 bis 2022 um ein Jahr zu verlängern, so Oloff.

Missstände an den überlasteten Universitäten

Aus der Kampagne wurde auch über problematische Studien- und Lehrbedingungen an den Unis berichtet. Die Zahl der Studierenden im Lehramt sei zwar teilweise verfünffacht worden, die Zahl der Professuren aber nur in etwa verdoppelt. Räume für mehr und größere Seminargruppen und Hörsäle fehlten. Die Plätze seien knapp, was zu Verzögerungen im Studium führen könne, Betreuer:innen für Abschlussarbeiten seien schwer zu finden.

[Die Lehrkräftebildung ist auch Thema im Wahlkampf an der Freien Universität: Zwei die in Dahlem viel vorhaben]

Es hapere auch bei der Betreuung des Praxissemesters im Master. Pro Semester fände nur noch einer, maximal zwei von geplanten sechs Unterrichtsbesuchen durch Betreuende aus der Uni statt.

Deshalb pocht „Schule muss anders“ darauf, das im Juni 2020 vorgestellte Senatsprogramm „Beste Lehrkräftebildung für Berlin“ konsequenter umzusetzen und etwa das neue Institut, das den Lehrkräftebedarf ermitteln soll, endlich zu gründen. Ausgestattet ist das Programm mit 15,4 Millionen Euro unter anderem für sieben zusätzliche Professuren, ein Praktikumsportal und mehr Mentoring für Studierende. Dieses Programm müsse verstetigt werden, sagte Philipp Dehne. Und vor allem im größten Mangelfach, der Sonderpädagogik, müssten sofort die Kapazitäten hochgefahren werden.

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