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Unverständliche Hieroglyphen. Atommüll strahlt tausende Jahre. Unsere Warnungen jedoch könnten in Zukunft ins Leere laufen.

© picture alliance / dpa

Atommüll: Strahlende Falle

Die Menschen in ferner Zukunft verstehen unsere Warnungen vor radioaktivem Müll vermutlich nicht mehr. Forscher diskutieren nun, wie man unsere Nachfahren warnen kann, dass in den gelben Fässern kein Schatz versteckt ist.

Es ist eine Horrorvorstellung. Auf der Suche nach Bodenschätzen gräbt sich ein Hightech-Bohrer in die Tiefe und trifft zufällig auf ein Endlager für radioaktiven Abfall, das vor Jahrtausenden angelegt wurde – und von dem keiner etwas ahnte. Rasch gelangt strahlender Müll ins Grundwasser und macht die Gegend unbewohnbar. Ob es wirklich ein Bohrer ist oder eine andere Technik, überhaupt: wie das Leben der Menschen in der Zukunft aussieht, kann keiner sagen.

Ganze 100 000 Jahre sollen Endlager für hoch radioaktiven Abfall dicht halten. „Wir müssen unseren Nachfahren klar machen, dass dort Gefahr droht“, sagt Cornelius Holtorf von der Linné-Universität im schwedischen Kalmar. Der Archäologe will in einem Forschungsprojekt gemeinsam mit der schwedischen Agentur für radioaktiven Abfall (SKB) Methoden entwickeln, mit denen das Wissen um die Endlager möglichst lange im kollektiven Bewusstsein von Homo sapiens bleiben soll.

Derartige Forschungen brachten bisher teilweise kuriose Ideen hervor: So wurde eine Art Religion vorgeschlagen, in der Informationen zum Endlager wie ein identitätsstiftender Mythos von Generation zu Generation weitergegeben wird. Oder speziell gezüchtete Katzen, die bei erhöhter Radioaktivität leuchten. Nun erlebt das Forschungsgebiet „Vermittlung radioaktiver Gefahr“ eine Renaissance. Das Neue daran ist, dass Geisteswissenschaftler wie Linguisten und Archäologen mehr als bisher ihre Erfahrungen einbringen sollen.

Auf einer Fachtagung in Dublin stellten jetzt Holltorf und weitere Wissenschaftler aus Schweden und Frankreich zwei solche Projekte vor. Wer konkrete Empfehlungen erwartete, wurde enttäuscht. „Wir stehen am Anfang, wollen beispielsweise herausfinden, welche Formen des Lernens und Weitergebens sich in der Geschichte bewährt haben“, sagt Holtorf vage und machte das Problem noch größer als es ohnehin erscheint. „Bisher ging man meist davon aus, dass die Menschen in Zukunft genauso denken wie wir.“ Ein Trugschluss, wie sein Kollege Anders Högberg meint: „Wenn wir uns die Menschen vor 100 000 Jahren anschauen – was sie dachten, was ihr Wesen ausmacht – dann wissen wir sehr wenig. Ebenso wenig können wir über die Generationen nach uns wissen.“

Högberg ist sich jedoch sehr sicher, dass jegliches Wissen über Endlager nicht 100 000 Jahre Bestand haben wird. „Das ist unmöglich“, sagt er. Selbst wenn man es eine Zeitlang weitergeben könnte, gäbe es einen Effekt wie bei der Stillen Post. Letztlich blieben nur Fehlinformationen übrig. Dennoch sollte man versuchen, das korrekte Wissen so lange wie möglich zu erhalten.

Patrick Charton von der französischen Agentur für radioaktiven Abfall (Andra) hatte dafür einen speziellen Datenträger mitgebracht, der Informationen zumindest physisch lange bewahren soll: Eine rund 25 Zentimeter große, runde Scheibe aus künstlich hergestelltem Saphir. In dieses Material wurden Platinpartikel „eingeschossen“. So kann es nach dem Prinzip eines Mikrofilms bis zu 4000 Druckseiten Informationen konservieren, etwa über die Lage und Art des eingelagerten Materials. 25 000 Euro koste der Prototyp, der angeblich zwei Millionen Jahre halten soll. Bei fachgerechter Lagerung. „Aber wo diese Scheiben aufbewahrt werden sollen, um in Jahrtausenden noch zugänglich zu sein, weiß ich nicht“, gibt er zu. Ganz zu schweigen davon, ob unsere Nachfahren die heutige Sprache in Worten, Grafiken und Formeln verstehen.

Darum setzen Experten direkt am Endlagerort auf einfache Botschaften. „In den USA hat man lange dafür plädiert, Steinsäulen zu errichten aus einem Material, das in der Gegend nicht vorkommt“, sagt Erik Setzman von der schwedischen Agentur für die Behandlung radioaktiven Abfalls. So sollten künftige Bewohner auf den Gedanken gebracht werden, dass die Monumente nicht natürlichen Ursprungs sind und irgendetwas „da unten“ sein müsse. „Davon kommt man langsam weg, weil zum Beispiel ein massiver Granit in der Wüste von Nevada ein gutes Baumaterial wäre und in Zukunft sicher genutzt wird.“ Möglichst wertloses und dennoch haltbares Material sollte es also sein, sagt Setzman. „Denkbar wäre, große künstliche Wälle anzulegen.“ So oder so: Ein Restrisiko bleibt.

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