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Löchriger Schutzschild. Der Übergang von unserem Sonnensystem (mittig, in Hellblau) zum interstellaren Gas (links, in Orange) enthält zahlreiche „magnetische Blasen“ (rot eingefärbt). An diesen Stellen fehlt die schützende Wirkung des Sonnenwinds, und es können Teilchen aus dem fernen Kosmos eindringen.

© REUTERS/Nasa

Astronomie: Überraschender Fund von "Voyager": Der Sonnenwind wird zum Hauch

Die Raumsonde widerlegt Theorie zum Teilchenstrom und findet magnetische Blasen am Rand des Sonnensystems.

Von Rainer Kayser, dpa

Die äußere Zone unseres Sonnensystems ist komplizierter, als von den Forschern bislang vermutet. Das zeigen die von den beiden amerikanischen „Voyager“-Sonden unermüdlich zur Erde gefunkten Messdaten. Die beiden Raumfahrzeuge durchqueren gegenwärtig die sogenannte Heliosheath, einen Bereich, in dem sich der Sonnenwind mit dem Gas zwischen den Sternen mischt.

Der Sonnenwind ist ein stetiger Strom elektrisch geladener Teilchen, der von der Oberfläche unserer Sonne ausgeht. Die Partikel haben eine Geschwindigkeit von mehreren hundert Kilometern pro Sekunde und hüllen das ganze Sonnensystem in eine große Blase, die Heliosphäre, und schirmen es so von dem interstellaren Gas ab.

Im Dezember 2004 überquerte Voyager 1 dann die Grenze zur Heliosheath. Voyager 2 erreichte diese Grenze im August 2007 – zur Überraschung der Forscher bei einer anderen Entfernung zur Sonne als ihre Schwestersonde. Hatten die Forscher bis dahin ein eher statisches Bild von dieser Übergangszone, so zeigte sich jetzt, dass sich die Grenze verschieben und deformieren kann. Der Sonnenwind schwankt mit der Aktivität unseres Zentralgestirns, also mit der Häufigkeit von Sonnenflecken und -eruptionen, in einem elfjährigen Zyklus. Entsprechend kann sich die Grenze zur Heliosheath nach innen oder nach außen bewegen. Schwankungen im Sonnenwind können außerdem dazu führen, dass die Grenzzone Wellen wirft und ausfranst.

Und auch die Heliosheath selbst ist alles andere als eine ruhige Zone, wie die Messungen der Sonden zeigen. Nicht nur, dass Voyager 1 und 2 recht unterschiedliche Daten lieferten, sie stießen auch auf unerwartet abrupte Veränderungen im Strom der geladenen Teilchen. Die beste Erklärung für diese Variationen liefert eine Computersimulation, die Wissenschaftler jetzt im „Astrophysical Journal“ präsentieren. Demnach existieren da draußen rund 150 Millionen Kilometer große magnetische Blasen, von denen die Heliosheath einem Schweizer Käse gleich durchlöchert ist.

Das bedeutet auch, dass die Heliosphäre kein perfekter Schutzschild gegen Teilchen aus dem interstellaren Raum ist. Die Forscher vergleichen die Abschirmung nun eher mit einer porösen Membran, die für kosmische Teilchen zumindest an einigen Stellen durchlässig ist.

Vermutlich handelt es sich bei den magnetischen Blasen um abgelöste Teile des Sonnen-Magnetfeldes. „Das Magnetfeld der Sonne reicht bis an den Rand des Sonnensystems“, erläutert Merav Opher von der Universität Boston. „Da die Sonne rotiert, verdrehen sich die Feldlinien.“ Dadurch können die Feldlinien schließlich abreißen und neue, geschlossene Formen bilden: eben jene magnetischen Blasen.

Inzwischen nähert sich Voyager 1 in einem Abstand von 17,7 Milliarden Kilometern von der Sonne offenbar der äußeren Grenze, bis zu der die Teilchen des Sonnenwinds vordringen können. Bislang dachten die Wissenschaftler, dass der Sonnenwind an dieser Heliopause abrupt stoppt. Stattdessen zeigen jetzt im Fachblatt „Nature“ publizierte Messergebnisse der Raumsonde, dass die Geschwindigkeit des Sonnenwinds über die vergangenen drei Jahre langsam von 70 Kilometern pro Sekunde auf null abgenommen hat. Seit acht Monaten ist der Partikelstrom aus Sicht von Voyager 1 komplett zum Stillstand gekommen, berichtet ein Team um Stamatios Krimigis von der Johns-Hopkins-Universität in Laurel.

Schon bald, so hoffen die Wissenschaftler, verlässt die Sonde endgültig den Einflussbereich unserer Sonne und dringt damit als erstes irdisches Raumfahrzeug in den interstellaren Raum vor.

Geplant war das so nicht: Auf gerade einmal fünf Jahre waren die 1977 gestarteten Missionen Voyager 1 und 2 ursprünglich ausgelegt. Doch nachdem die beiden Sonden grandiose Bilder der Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun geliefert hatten, funkten die Sonden unermüdlich weiter Daten zur Erde. Sie übertrafen alle Erwartungen der Nasa-Wissenschaftler und drangen bis an den äußersten Rand des Sonnensystems vor. Mit 14 Milliarden Kilometern Abstand von der Sonne ist Voyager 2 noch etwas weiter von der Heliopause entfernt als ihre Schwestersonde, steuert aber ebenfalls aus dem Sonnensystem heraus.

Die beiden Raumflieger sind noch immer erstaunlich fit. Der Treibstoff für die Lagekontrolle könnte sogar noch für 40 Jahre reichen. Kritischer ist die Energieversorgung: Die radioaktiven Zerfallsbatterien liefern nach aktuellen Schätzungen noch bis zum Jahr 2025 ausreichend Energie. Bis spätestens 2015 erwarten die Forscher, dass Voyager 1 die Heliosphäre endgültig hinter sich lässt. Es bestehen also gute Aussichten, dass die Sonde noch für einige Jahre Daten aus dem interstellaren Raum zur Erde übertragen kann.

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