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Während das Erforschen der Sonne mit bloßem Auge oder gar dem Fernglas zu schweren Verletzungen und Erblinden führen kann, können Forscher mit speziellen Techniken riesige Plasmaströme auf der Sonnenoberfläche sichtbar machen. Die Sonde "Solar-Orbiter" soll bald noch mehr Erkenntnisse bringen.

© Nasa/Solar Dynamic Observatory

Astronomie: Sonnige Aussichten

Ein Sonnensturm kann das Stromnetz eines ganzen Kontinents lahmlegen. Eine neue Raumsonde soll solche Phänomene bald aus der Nähe beobachten und damit das Wissen über den Stern mehren.

"Und nun das Weltraumwetter von morgen: Das Erdmagnetfeld steht unter dem Einfluss eines schnellen Sonnenwindstroms. Es könnte sich ein geomagnetischer Sturm entwickeln." Solche interplanetaren Wettervorhersagen des US-amerikanischen "Space Weather Prediction Center" sind nicht nur für ein paar Astronauten in der Internationalen Raumstation ISS wichtig. Im Extremfall können die von der Sonne herausgeschleuderten Teilchenschauer auch auf der Erde die Stromversorgung ganzer Kontinente lahmlegen, das Internet unterbrechen, Satelliten zerstören – kurz: die gesamte Hightech-Infrastruktur unserer Zivilisation ausschalten.

Bislang könnten Forscher die Bevölkerung nur wenige Stunden vorher warnen. Denn noch immer ist der zentrale Stern in diesem Sonnensystem für die Wissenschaft unberechenbar. Die Raumsonde "Solar Orbiter" der europäischen Weltraumagentur ESA soll nun dazu beitragen, dass die Vorgänge auf der Sonne und ihre Auswirkungen auf der Erde besser verstanden werden. Nach ihrem Start – geplant für Februar 2020 – soll sie sich der Sonne bis 2023 auf 45 Millionen Kilometer nähern. Von dort soll sie die Vorgänge in der solaren Wetterküche aus der Nähe beobachten.

Die Erde würde eine Million Mal in die Sonne passen

Der griechische Philosoph Anaxagoras war einer der ersten, die glaubten, dass der menschliche Verstand auch die Beschaffenheit der Sonne ergründen könnte. Sie sei, so verkündete er schon 450 Jahre vor Beginn unserer Zeitrechnung, ein glühender Gesteinsbrocken von der Größe des Peloponnes. Wer jetzt milde schmunzelt, möge bedenken, dass die tatsächlichen geometrischen Grunddaten unseres Sterns erst seit etwa 250 Jahren bekannt sind. Die Sonne ist rund 150 Millionen Kilometer von uns entfernt. Ihre leuchtende Oberfläche, die sogenannte Photosphäre, formt eine Kugel mit einem Durchmesser von etwa 1,4 Millionen Kilometer. Über eine Million Mal würde die Erde in die Sonne hineinpassen. Die Masse der Sonne ergibt sich aus ihrer Gravitation, mit der sie ihre acht Planeten an sich fesselt: Zwei Quadrilliarden Tonnen, eine Zahl mit 27 Nullen. 99,9 Prozent der Gesamtmasse aller Körper des Sonnensystems einschließlich aller Planeten, Zwergplaneten, Asteroiden und Kometen stecken in der Sonne selbst.

Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts erkannten Astronomen, aus welchen Stoffen diese gigantische Materiekugel besteht. Mit Hilfe der Spektralanalyse entdeckten sie im Sonnenlicht vor allem die Wellenlängen-Spuren von Wasserstoff und eines weiteren Stoffes, den sie noch gar nicht kannten. Da sie zunächst glaubten, dass es diesen Stoff nur auf der Sonne gäbe, tauften sie ihn nach dem griechischen Sonnengott Helios auf den Namen "Helium". Insgesamt besteht die Sonne zu etwa 73 Prozent aus Wasserstoff und zu fast 25 Prozent aus Helium. Den kleinen Rest bilden Stoffe, die alle auch auf der Erde vorkommen, etwa Sauerstoff, Kohlenstoff, Eisen, Neon oder Stickstoff.

Im Inneren der Sonne herrschen 15 Millionen Grad

Die Spektralanalyse zeigt auch, dass von allen im Sonnenlicht vertretenen Farben "Grün" am intensivsten leuchtet. Trotzdem sehen wir die Sonne als gelblich-weiße Scheibe, was an der Mischung aller Sonnenfarben liegt. Aus der Intensitätsverteilung der Sonnenfarben lässt sich eine Temperatur von etwa 5500 Grad Celsius für die leuchtende Oberfläche der Sonne berechnen. Ihre Leuchtkraft, also ihre in jeder Sekunde nach allen Seiten abgestrahlte Energie, beträgt rund 400 Trilliarden Kilowatt, eine 23-stellige Zahl.

Erst vor etwa 80 Jahren fanden die beiden deutschen Physiker Hans Bethe und Carl-Friedrich von Weizsäcker heraus, woher das Sternkraftwerk Sonne diese ungeheure Energie nimmt. Im Zentrum der Sonne ist die Materie so stark verdichtet, dass das innerste Hundertstel des Sonnenvolumens fast schon die Hälfte der Gesamtmasse der Sonne enthält. Die Temperatur in diesem stark komprimierten Sonnenzentrum liegt bei 15 Millionen Grad. Unter diesen extremen Bedingungen verschmelzen Wasserstoff-Atomkerne zu Helium-Atomkernen. Dabei wandelt der solare Fusionsreaktor in jeder Sekunde vier Millionen Tonnen Materie nahezu vollständig in Strahlung um.

Helle Flecken sind heiße, dunkle Flecken kühlere Regionen

Nach der Freisetzung der Strahlung beginnt ihre lange Reise nach außen Richtung Oberfläche der Sonne. Nach einer Berechnung des Freiburger Solarforschers Michael Stix dauert es rund 17 Millionen Jahre, bis die per Strahlung transportierte Energie schließlich in die sogenannte Konvektionszone der Sonne vorgedrungen ist. Dort ändert sich die Art des Energietransports: Auf den letzten 140 000 Kilometern übernehmen aufsteigende heiße Materieströme den Energietransport nach außen in die Photosphäre. Aus dieser nur etwa 400 Kilometer dicken Lichthülle der Sonne sendet die heiße Materie schließlich Licht mit den verschiedensten Wellenlängen in das Weltall hinaus, kühlt sich dadurch ab, und sinkt wieder hinab in die Konvektionszone.

Im Teleskop sind die aufsteigenden heißen Materieströme als zahllose helle Flecken in der Photosphäre erkennbar – die Granulation der Sonne. Oft sieht man in der Photosphäre auch große dunkle Flächen. Diese Sonnenflecken sind kühlere Regionen, in denen der Energienachschub offenbar gestört ist.

Forscher verstehen die Magnetfelder erst ansatzweise

Vor rund 100 Jahren erkannte der US-amerikanische Astronom George Ellery Hale die Ursache der Störungen: Magnetfelder. Nach heutigem Wissen entsteht das Magnetfeld der Sonne dadurch, dass erstens ihre Materie so heiß ist, dass sie aus einem ionisierten Plasma mit freien elektrischen Ladungsträgern besteht. Und zweitens sind die Plasmamassen mit ihren elektrischen Ladungen in der Konvektionszone der Sonne dauernd in Bewegung. Bewegte Ladungen aber bauen um sich herum ein Magnetfeld auf.

Die grundlegende Bewegung des solaren Magnetfeld-Dynamos ist nach heutigem Wissen die Drehung der Sonne um ihre eigene Achse. Der solare Plasmakörper der Sonne – und das scheint entscheidend zu sein für die Entstehung der Magnetfelder – rotiert jedoch nicht wie eine starre Kugel: Am Äquator der Sonne dauert eine Drehung rund 25 Tage, in der Nähe ihrer Pole dagegen 35 Tage.

Zusätzlich zu seiner differentiellen Rotation steigt das Plasma konvektiv-brodelnd nach außen in Richtung Photosphäre auf. Die in den rotierenden, aufsteigenden Plasmamassen mitströmenden elektrischen Ladungen erzeugen Magnetfelder wechselnder Stärke und unterschiedlicher Polaritäten. Umgekehrt aber verursachen die wechselnden solaren Magnetfelder im elektrisch leitfähigen Plasma selber wieder elektrische Ströme. Der solare Magnetfeld-Dynamo wird also angetrieben und aufrechterhalten von einem äußerst komplexen Wechselspiel zwischen Plasmaströmungen, elektrischen Strömen und Magnetfeldern, das die Solarforscher bis jetzt nur in seinen Grundzügen verstehen.

Das solare Magnetfeld-Tohuwabohu mit seinen Sonnenflecken als Markenzeichen gestaltet auch die Vorgänge in der über der Photosphäre liegenden Chromosphäre und in der ausgedehnten heißen Hülle der Sonne, ihrer Korona. Die Temperaturen in dieser äußeren Hülle der Sonne aus dünnem Plasma liegen bei ein bis zwei Millionen Grad. Die Sonnenforscher rätseln noch, welcher Mechanismus die Korona über der nur 5500 Grad heißen Photosphäre wieder aufheizt.

Vermutlich sind auch hier die Magnetfelder der Sonne beteiligt. Vor allem über Sonnenflecken wölben sie sich weit aus der Photosphäre in die Korona hinaus. Oft strömt dabei Plasma entlang der magnetischen Feldlinien in riesigen Schleifen durch die Korona und dann wieder zurück in die Photosphäre. Solche Protuberanzen können manchmal monatelang als riesige Materiebrücken in der Korona hängen.

Polarlichter: Wenn Sonnenwinde in irdische Luftschichten eindringen

Aus der heißen Korona bläst ein mehr oder weniger starker, aber steter Strom aus elektrisch geladenen Atomkernen und Elektronen nach allen Seiten in das Sonnensystem hinaus. Mit einer Geschwindigkeit von einigen hundert Kilometern pro Sekunde weht der Sonnenwind auf die Erde zu. Das irdische Magnetfeld lenkt ihn jedoch um die Erde herum.

Je nach seiner Geschwindigkeit und Teilchendichte beeinflusst und verändert der Sonnenwind die Stärke und Gestalt des irdischen Magnetfelds. In der Nähe der Magnetpole können die Partikel des Sonnenwindes oft tief in irdische Luftschichten eindringen. Dort stoßen sie mit den Luftteilchen zusammen und erzeugen eines der schönsten Naturschauspiele: Polarlichter.

Vor allem in Zeiten mit vielen Sonnenflecken verwandeln Eruptionen auf der Sonne oft riesige Regionen in ihrer Korona in Strahlenkanonen und Elementarteilchenbeschleuniger. In ihnen entlädt sich offenbar schlagartig die in koronalen Magnetfeldern gespeicherte Energie. Innerhalb weniger Minuten leuchten dadurch sogenannte Flares auf, die kurzwelliges Röntgen- und UV-Licht mit großer Intensität abstrahlen. Schon rund acht Minuten später erreicht die energiereiche Röntgen- und UV-Strahlung die Erde, deren Lufthülle die Biosphäre aber nahezu vollständig vor der gefährlichen Strahlung abschirmt.

Ein geomagnetischer Sturm kann die Stromversorgung lahmlegen

Bei vielen Eruptionen werden aber auch viele Milliarden Tonnen an Plasma aus der Korona in das Sonnensystem hinauskatapultiert. Mit Geschwindigkeiten von bis zu zehn Millionen Kilometern pro Stunde pflügen die hinausgeschleuderten Plasmawolken durch den langsameren Sonnenwind und verdichten ihn zu Stoßwellen elektrisch geladener Teilchen. Wenn sie ein bis drei Tage später in das Magnetfeld der Erde rasen, lösen sie einen geomagnetischen Sturm aus.

Die Magnetfeldstärken schwanken dann stark und erzeugen in den Stromnetzen so große Ströme, dass Transformatoren schmelzen können und die Stromversorgung ganzer Länder zusammenbrechen kann. Schon 2008 warnte die US-amerikanische Academy of Sciences davor, dass nach einem starken geomagnetischen Sturm viele Menschen monatelang wie in vorindustriellen Zeiten leben müssten.

Zum Glück trifft die Sonne mit ihren eruptiven koronalen Massenauswürfen die Erde jedoch nur äußerst selten. Der bislang letzte wirklich starke geomagnetische Sturm wurde 1859 beobachtet: Aus den Leitungen und Geräten des gerade aufgebauten Telegrafennetzes sprühten nur so die Funken. Wann der nächste Sturm kommen wird, weiß niemand. Vielleicht sammelt der Solar-Orbiter die Informationen, die nötig sind, um künftig davor gewappnet zu sein.

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