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ASH-Rektorin Bettina Völter.

© ASH/Edgar Berendsen

ASH-Rektorin im Interview: "Die Studierenden in den Mittelpunkt stellen"

Bettina Völter, Rektorin der Alice Salomon Hochschule, will wiedergewählt werden. Hier spricht sie über Probleme der Studierenden durch die Pandemie und ihre Pläne.

Bettina Völter ist seit 2018 Rektorin der Alice Salomon Hochschule Berlin. Völter ist Soziologin und Politikwissenschaftlerin.

Frau Völter, am kommenden Dienstag stellen Sie sich an der Alice Salomon Hochschule zur Wiederwahl als Rektorin. Mit welchen Plänen für eine neue Amtszeit treten Sie an?
Zunächst vorweg: In den vergangenen fünf Jahren ist die Hochschule um 40 Prozent landesseitig finanzierter Studienplätze gewachsen. Das bedingt natürlich einen großen Kultur- und Strukturwandel. Gleichzeitig sind wir unterfinanziert, wie unlängst der Vergleich mit anderen Hochschulen in Norddeutschland im Fach Sozialwesen gezeigt hat: Wir sind da sogar nochmal abgesunken. Die größte Aufgabe ist also, unter diesen schwierigen Bedingungen den Strukturwandel der Hochschule hinzubekommen. Wir müssen gewährleisten, dass die ASH Berlin weiterhin mit ihrer Power als SAGE-Hochschule, effektiv und auf Dauer entlastend für die Mitarbeitenden funktioniert. Natürlich gibt es auch andere Projekte.

Zum Beispiel?
Ein großes Anliegen ist, die Studierenden in den Mittelpunkt zu stellen. Diese sind uns durch die Pandemie teilweise aus dem Blick geraten, das muss man ehrlich sagen. Wir haben eine Gesundheitsbefragung unter unseren Studierenden gemacht: Sie leiden nachweislich unter Stress, psychische Belastungen sind erhöht. Sie fühlen sich zum Teil vereinsamt, ausgeschlossen, sie haben eine höhere Schwelle, wieder in die Präsenz zurückzukommen. Wir haben jetzt zum Beispiel in einem Sonderprogramm des Landes Berlin Kriseninterventions-Projekte angemeldet. Im Dialog mit den Studierenden wollen wir weitere Maßnahmen entwickeln. Ich freue mich sehr, dass sich die Studierenden jetzt wieder verstärkt organisieren und zu Wort melden.

Sehr wichtig ist mir auch die Inklusion von geflüchteten Studierenden über unser Pre-Study-Programm, das sie auf das Studium vorbereitet. Wir haben ein Auge darauf, dass sie dann gut ins Studium kommen. Ein weiteres Projekt ist ein neuer Master Pädagogik der Kindheit im Grundschulalter.

Wenn Sie Ihre erste Amtszeit bilanzieren – was ist gut gelaufen, was schlecht?
Wir mussten sehr grundlegende Themen anfassen. Gemeinsam als Team und mit den Hochschulmitgliedern ist uns viel gelungen. Nach rund 20 Jahren Diskussion hat die Hochschule eine  Grundordnung verabschiedet; erstmals in der Geschichte bauen wir nun Fachbereiche auf. Wir konnten  Probleme der Haushaltsführung beheben. In den BMBF-Programmen FH Personal und Innovative Hochschule waren wir erfolgreich. Gemeinsam mit allen Hochschulen angewandter Wissenschaften Berlins haben wir das Promotionsrecht errungen.

Zunächst haben wir die Pandemie auch mit viel Lob bewältigt, z.B. durch die Beratung rund um den Einsatz digitaler Medien. Man muss allerdings sagen, dass die Steuerung des Übergangs ins Präsenzsemester zuletzt doch sehr in die Kritik geraten ist.

Die Alice Salomon Hochschule in Hellersdorf.
Die Alice Salomon Hochschule in Hellersdorf.

© IMAGO / Jürgen Ritter

Woran hakt es da?
Zwei Prozesse kamen zusammen: die Einführung der Fachbereiche ab April und die Lehrplanung mit allen pandemiebedingten Unsicherheiten, die vor dem Sommersemester noch da waren. Der Prozess muss partizipativer gestaltet werden. Das setzen jetzt die Fachbereiche um und wir zentral in einer Organisationsgruppe rund um Fragen der Pandemie, an der auch Studierende teilnehmen.

Was müssten Sie noch verbessern?
Die interne Kommunikation, das ist ganz klar, da sind wir auch schon dran. Und die allgemeine Überlastung muss dringend weiter angegangen werden.

Sie haben bereits Probleme der Studierenden angesprochen. Während der Pandemie war an den Hochschulen oft die Rede davon, sie wollen danach in eine „neue Normalität“, die digitale Lehre mit Präsenzlehre verbindet. Davon ist kaum etwas mehr zu spüren. Sind das leere Versprechen mit einer neuen, moderneren Lehre?
Nein, natürlich nicht. Ich habe selber eine Tagung zu den Lehren und Folgen der Pandemie bei der Hochschulrektorenkonferenz angeregt. Diese fand im März in Potsdam statt und war sehr inhaltsreich. Wir wollen natürlich digitale Formate und gute Praxis aus der Pandemie beibehalten, wie z.B. Blended Learning, wo asynchrone und analoge Lernformate in Präsenz und digital verzahnt werden, darüber hinaus werden aber auch andere sinnvolle Kombinationen erprobt und diskutiert. Mir macht die Differenziertheit der Diskussion hierzu viel Hoffnung, obwohl viele Fragen im Detail noch offen sind und z.B. auch über eine reformierte Lehrverpflichtungsverordnung des Landes gerahmt werden müssen. Insgesamt begegnen wir dilemmatischen Situationen.

Was meinen Sie damit?
Wie können wir Studierende und Lehrende, die etwa aufgrund von Care Arbeit oder Gesundheit in der endemischen oder pandemischen Lage phasenweise nicht anwesend sein können, einbinden und gleichzeitig Studierenden, die digitale Formate als extrem hochschwellig und ausschließend erleben, ein gutes Studium ermöglichen?. Die Gestaltung von Homeoffice ist ebenfalls  ein wichtiges Thema. Es wird darum gehen, eine Führungskultur unter Bedingungen der Dezentralisierung und digitalen Formaten der Zusammenarbeit zu etablieren, dabei Verantwortungsübernahme und Entscheidungsfähigkeit zu stärken. Trotzdem: Die grundsätzliche Frage, was für eine Hochschule wir sind, müssen wir im Blick behalten.

Und?
Wir sind eine Präsenzhochschule, ganz klar. Wir müssen alles von der Präsenz aus denken - und wir öffnen uns für alternative, vielfältige Lehr-Lern- und Arbeitsformate, vor allem wenn sie didaktisch sinnvoll, inklusiv, gesundheitsfördernd und effizient sind.

Kommen wir zur Unterfinanzierung der ASH. Sind Sie zuversichtlich, das in den kommenden Hochschulvertragsverhandlungen lösen zu können?
Ja. Wir haben die Kosten angemeldet, wir werden gehört. Mir ist wichtig, dass wir in einem sachlichen Dialog mit der Senatsverwaltung sind. Den gestalten wir gemeinsam. Die Hochschulen haben allesamt drängende Finanzierungsfragen: es geht um die Kosten für die Umsetzung des Berliner Hochschulgesetzes, gestiegene Bau- und Energiekosten, bei den Hochschulen angewandter Wissenschaften um den Ausbau des akademischen Mittelbaus und eine bessere Grundausstattung.

Die Politik betont immer, die Pflegeberufe müssten akademisiert werden, sie sollen so auch attraktiver werden. Studierende dieser Fächer in Berlin berichten dagegen von einem Leben am Existenzminimum, bis zu 50 Prozent brechen das Studium ab. Was läuft da schief?
Klar ist: Wir müssen das Studium bundesweit noch attraktiver gestalten. In erster Linie gehört dazu, dass die Studierenden – wie die Pflegeauszubildenden - eine angemessene Vergütung erhalten. Da scheint etwas in Bewegung zu sein, im Koalitionsvertrag der Ampel ist festgehalten, dass Regelungslücken geschlossen werden sollen, wo Studierende der Pflege bisher keine Vergütung erhalten.

Wer studiert, hat derzeit einen massiven finanziellen Nachteil. Die Studierenden haben ein volleres Curriculum als die Auszubildenden, keine Vergütung, müssen ggf. später ihr Bafög zurückzahlen.  Gleichzeitig haben sie keine Zeit, nebenher zu jobben. Wir sind mit allen politischen Parteien in Kontakt, um das zu ändern.

Die ASH liegt im Zentrum von Hellersdorf. Haben Sie Pläne, die Hochschule noch stärker mit dem Bezirk zu verzahnen?
Wir haben mehrere Standorte, der Neubau wird hinzukommen. Wir wollen den Campus transferorientiert aufstellen – und hier mit der Politik, Bürgerinnen und Bürgern und auch mit Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten. Nachhaltigkeit ist mir sehr wichtig. Wir haben das Thema bisher zu sehr an Einzelpersonen festgemacht. Es geht jetzt darum, eine Strategie zu entwickeln, die alle Bereiche von Lehre, Forschung und Verwaltung in den Blick nimmt. Kurz: Wir wollen ein interaktiver und nachhaltiger Campus werden und unser systemrelevantes Potenzial ausbauen.

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