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Besser zuhören. Schlechte Kommunikation hat Folgen für die Behandlung.

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Arzt-Patient-Gespräch: Die Heilkraft der Sprechstunde

Ideal wäre es, wenn Arzt und Patient sich verstehen und gemeinsam die optimale Therapie auswählen. Doch dazu muss man miteinander reden.

„Sie nimmt sich kaum Zeit für mich.“ „Er hört mir nicht zu.“ „Sie unterbricht mich ständig.“ Solche Sätze fallen oft, wenn Patienten erzählen, warum sie mit ihren Ärztinnen und Ärzten unzufrieden sind. Doch auch vonseiten der Mediziner kommen Klagen: über Patienten, die Vereinbarungen nicht einhalten und Medikamente nach Lektüre des Beipackzettels nicht mehr nehmen wollen, die weitschweifig über ihr Befinden berichten oder die wortkarg im Sprechzimmer sitzen. Die Kommunikation zwischen Kranken und ihren Ärzten kann schwierig sein – und sogar eine wirksame Behandlung behindern.

Funktioniert das Gespräch nicht, leidet die Wirksamkeit der Therapie

So stellen etwa junge Ärzte ungenauere Diagnosen, wenn sie mit „schwierigen“ Kranken zu tun haben, ergab eine Studie der Arbeitsgruppe von Silvia Mamede vom Institut für Medizinische Ausbildungsforschung in Rotterdam. 74 Assistenzärzte aus unterschiedlichen Fachgebieten wurden mit verschiedenen fiktiven Fallgeschichten konfrontiert, bei denen jeweils alles für eine recht gängige Diagnose sprach – von Blinddarmentzündung über chronisch-entzündliche Darmerkrankung bis zu akuter Virus-Hepatitis und Schilddrüsenüberfunktion. Die typischen Symptome fanden sich entweder bei Patienten mit freundlichem und unauffälligem Verhalten oder aber bei solchen, die aggressiv auftraten, die Kompetenz des Arztes infrage stellten oder ihn durch ständige Wiederholung derselben Fragen nervten. Zwar wandten die Ärzte für alle Patienten etwa gleich viel Zeit auf. Später erinnerten sie sich allerdings weniger gut an die klinischen Ergebnisse, wenn das Gespräch schwierig verlief, wohl aber an das Verhalten dieser Patienten. Die Aufmerksamkeit für das holprige Gespräch geht auf Kosten der diagnostischen Genauigkeit, lautet Mamedes Fazit im „British Medical Journal“.

Krebsdiagnose per Brief

Schlimmstenfalls kann in solchen Gesprächssituationen sogar der Verdacht entstehen, der unangenehme Gesprächspartner habe „gar nichts“. „Es sollten Anstrengungen gemacht werden, das Bewusstsein der Ärzte für den möglichen negativen Einfluss des schwierigen Verhaltens auf die Diagnostik zu schärfen und ihre Fähigkeit zum Gegensteuern zu stärken“, folgert Mamedes Forscherteam. Übungen mit Darstellern, die in die Rolle von Kranken schlüpfen, bringen angehenden Ärzten heute diese Kunst vielfach schon während des Studiums nahe.

Bei der internationalen Konferenz „Putting Patients First“, die kürzlich in Berlin stattfand, ging es aber auch um die Fortsetzungsgeschichte der Beziehung beider „Seiten“. So kritisierte als Vertreter der Patienten der Brite Ronny Allan, der seit Jahren mit einer seltenen unheilbaren Krebserkrankung lebt, seine endgültige Diagnose sei ihm in schriftlicher Form mitgeteilt worden. Wie man selbst schlechte Nachrichten in guter, menschlicher Form überbringen kann, ist dabei seit Jahren Gegenstand ärztlicher Fortbildungsveranstaltungen („Breaking Bad News“).

Patienten organisieren sich und wirken in der Therapieentwicklung mit

Auch politisch und juristisch ist die Position der Patienten inzwischen gestärkt worden. Ziel ist die „gemeinsame Entscheidungsfindung“ für die individuell angemessene Therapie. Chronisch Kranke und ihre Angehörigen organisieren sich in Selbsthilfegruppen und werden zu Experten und zur Lobby für die eigene Erkrankung. Patientenorganisationen beteiligen sich an wissenschaftlichen Studien und bringen den Aspekt des alltäglichen Umgangs mit ihrer Erkrankung mit ein.

So hat die Deutsche Leberhilfe e.V. an einigen Studien zur Lebensqualität, zum Informationsstand und zur wirtschaftlichen Lage von Patienten mit Lebererkrankungen mitgewirkt. Aus einer solchen Studie weiß man zum Beispiel, dass Menschen mit einer Hepatitis C gut über ihre Krankheit informiert sind, dass sie allerdings Wissen und Verständnis der Menschen, mit denen sie in Beruf und Alltag zu tun haben, oft vermissen, und dass viele von ihnen nicht mehr arbeiten können und finanzielle Sorgen haben. „An solchen Studien teilzunehmen oder sie sogar anzustoßen, ist immens wichtig“, sagt Achim Kautz, der sich in der Deutschen Leberhilfe engagiert.

Aus seiner Sicht hat nicht zuletzt ihr Interesse an wissenschaftlichen Daten dazu geführt, dass Patientenvertretungen in Deutschland heute vielfach in Kommissionen vertreten sind, die neue fachliche Leitlinien zur Behandlung von Krankheiten erstellen. „Hier haben wir im Vergleich zu anderen Ländern deutlich mehr Einfluss. Dafür sind etwa in England Patientenvertreter stärker in Entscheidungen zur Erstattung von Medikamenten durch die Krankenkassen einbezogen.“

Dass Selbsthilfeorganisationen, die als Vertreter der Erkrankten Autorität genießen, von Pharmafirmen beeinflusst werden können, sieht Kautz dabei durchaus als Problem. „Umso wichtiger ist die Rolle ihres wissenschaftlichen Beirats und die Regel, dass sie maximal zu 40 Prozent durch die Industrie unterstützt werden dürfen, und zwar möglichst durch mehrere konkurrierende Firmen.“

Beide Seiten müssen sich aufeinander einlassen

Entscheidend für den Erfolg des Arzt-Patienten-Gesprächs ist es, wie gut sich beide „Seiten“ in das jeweilige Gegenüber einfühlen können. Für Ärzte bedeutet das, von Kollegen zu lernen, die selbst krank wurden und die andere, die Rolle des Hilfesuchenden kennenlernen mussten. Aber auch von den Patienten könne man aber ein Stück weit erwarten, sich in die Schwierigkeiten des Arztes hineinzudenken, sagte bei der Tagung die Allgemeinärztin Christine Oesterling aus London. So sei es ganz wichtig, schon beim ersten Besuch möglichst vollständig über die Beschwerden zu berichten, damit sich Ärztin oder Arzt ein Bild machen können.

Wen man bei dieser Tagung auch fragte: Alle waren sich einig, dass für solche Gespräche in Praxen und Kliniken mehr Zeit da sein müsse und dass sie besser honoriert werden sollten. Doch Zeit und Geld sind nicht alles. Rajan Somasundaram, Leiter der Zentralen Notaufnahme und Aufnahmestation der Charité auf dem Campus Benjamin Franklin, wünschte sich und seinen Kollegen zudem eine Haltung der Offenheit. Auch und gerade wenn das Gespräch mit einem neuen Patienten sich zunächst schwierig gestaltet. „Der erste Eindruck ist wichtig, doch es ist auch gefährlich, sich auf ihn zu verlassen, also schnell eine Verdachtsdiagnose zu fassen, der man dann alles zuordnet.“

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