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Bei einem fast kontinentweiten Zensus zählten Forscher nur noch 352.271 Elefanten.

© AFP

Artenschutz: Wertvolle Elefanten und nützliche Mücken

Ist es wirklich schlimm, wenn bestimmte Tiere und Pflanzen aussterben? Ja, denn Artenvielfalt hilft der Natur, besser mit Veränderungen klar zu kommen. Das nutzt auch dem Menschen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Nestler

Der Elefant hat leichtes Spiel, zumindest hier in Europa. Ihn zu schützen, vor dem Aussterben zu bewahren, liegt wohl den meisten am Herzen. Entsprechend groß sind die Hoffnungen, die von hier aus mit der derzeit laufenden Artenschutzkonferenz in Johannesburg verbunden sind: Tut noch mehr gegen Wilderei und Elfenbeinhandel, bewahrt seinen Lebensraum, auf dass er uns lange erhalten bleibe!

Allerdings ist der Elefant nur eine von tausenden bedrohten Arten, die alle ein Recht aufs Überleben haben. Oder? Ist es denkbar, dass wir manche Tiere lieber mögen als andere? Würden wir uns genauso für Mücken einsetzen, wenn ihr Überleben auf dem Spiel stünde (was nicht der Fall ist)?

Das sechste Massenaussterben hat begonnen

Der Schutz von Arten und ihren Lebensräumen scheint ein Konsensthema zu sein, doch es gibt durchaus Kritik. „Das Aussterben von Arten hat es in der Erdgeschichte schon immer gegeben, dann bringt die Evolution eben neue Spezies hervor“, lautet ein Gegenargument. Das ist korrekt, klammert jedoch aus, dass der Mensch mit seinem Tun das Artensterben massiv beschleunigt. Ob Mammut oder Mastodon, diverse Vogel-, Fledermaus- oder Känguruarten – es ging immer schneller. Im vergangenen Jahrhundert verschwanden bis zu hundert Mal so viele Wirbeltierspezies wie in 100 Jahren „gewöhnlicher“ Erdgeschichte. Konservativ geschätzt.

Ein sechstes Massenaussterben hat begonnen, nur dass es dieses Mal nicht auf Vulkanismus oder einen Asteroideneinschlag zurückgeht, sondern maßgeblich auf Homo sapiens, der Wälder und Buschlandschaften zu Äckern und Weiden macht, der Siedlungen und Straßen baut, die Meere befischt und das Klima beeinflusst.

Das gute Gefühl, der Natur etwas zurückzugeben

Ohne Artenschutz ginge das Aussterben noch schneller voran. Zum Glück ist es anders, aus verschiedenen Gründen. Zunächst ist da der Gedanke, das Naturerbe – manche sagen auch die Schöpfung – zu bewahren. Weil man eine Verantwortung dafür spürt. Davon profitieren gerade Elefanten oder Nashörner. Sie sind Ikonen, Afrika ohne sie ist schwer vorstellbar, zahlreiche Touristen reisen auch deshalb dorthin. Ähnlich verhält es sich mit Wölfen und Luchsen in Mitteleuropa. Sie waren lange Zeit heimisch, wenn sie jetzt zurückkehren, verschafft das vielen das gute Gefühl, der Natur etwas zurückzugeben und damit ein wenig der gefühlten Schuld loszuwerden. In der Realität entstehen daraus durchaus neue Reibungen. Seitdem die Zahl der Wolfsangriffe auf Nutztiere steigt, wird der Jubel über den Heimkehrer leiser.

Neben der emotionalen Basis hat Artenschutz rationale Motive: Jede Spezies trägt zum Funktionieren des Ökosystems bei, auch der Elefant. Das geschieht im kleinen Maßstab – ihr Dung ist Lebensraum für speziell angepasste Käfer, ihre Fußstapfen können sich mit Regenwasser füllen und eine Heimstatt für diverse Larven sein – wie im großen: Indem die Dickhäuter massenhaft Gras und Blätter fressen, mitunter Äste und Bäume abbrechen, gestalten sie die Savanne so, wie man sie kennt. Der Elefantenschutz kommt also nicht nur den Tieren selbst, sondern auch ihrem Lebensraum und vielen weiteren Arten zugute. Eine große Artenvielfalt indes macht Ökosysteme widerstandsfähiger gegen Veränderungen.

Kaum noch Bienen - Menschen müssen Blüten von Hand bestäuben

Selbst die verhassten Mücken sind für einiges gut. Sie sind Nahrung für andere Tiere, ob nun im Wasser oder in der Luft. Studien haben gezeigt, dass Vögel weniger Nachkommen haben, wenn es keine Mücken gibt, berichtet Anett Richter vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv). Weiterhin seien sie wichtige Pflanzenbestäuber, die Larven fressen Mikroorganismen und tragen so zur Wasserqualität bei. „Wenn es keine Mücken mehr gäbe, würde die Lücke im System von anderen Arten geschlossen“, sagt Richter. „Doch keiner weiß, welche Folgen das hat und ob diese womöglich noch unangenehmer sind.“

Das zeigte sich etwa bei den Bengalgeiern in Indien, die Kadaver von Rindern fraßen. Nachdem die Geierbestände eingebrochen waren, fielen verwilderte Hunde über die Kadaver her. Sie vermehrten sich rasch, griffen häufiger Menschen an. Unterm Strich hat der Geiermangel knapp 50 000 Tollwutopfer zur Folge gehabt, vermuten Forscher.

Weiter im Norden, in Teilen Chinas, gibt es inzwischen kaum noch Bienen. Dort werden die Obstbaumblüten nun von Menschen bestäubt, damit die Ernte nicht ausfällt.

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