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Ein Nashorn wird von Rangern auf einen Transporter gelockt.

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Artenschutz in der Coronakrise: Covid-19-Tourismusflaute bedroht afrikanische Nashörner

Nashornschutz gegen Wilderei ist aufwendig. Der Einbruch der Touristenzahlen in Südafrika durch die Coronakrise gefährdet jetzt seine Erfolge.

Mit dicken Backen schaut der afrikanische Büffel die Eindringlinge im dunkelgrünen Safarigefährt an. Es ist mit Abstand das massigste Exemplar der Herde im südafrikanischen Phinda Private Game Reserve. Die Tiere verteilen sich zwischen Baum- und Strauchgewächsen.

Nur dank des Rangers, der die Besucher im Auto begleitet, können sie zwei Breitmaulnashörner hinter den Büffeln ausmachen. Eine Kuh mit ihrem Kalb. Das Muttertier stört sich nicht an den menschlichen Besuchern. Als sie ihren Kopf wieder senkt, fällt auf: Das Horn fehlt. Es wurde kurz oberhalb der Wurzel abgesägt. Denn ohne Horn fehlt Wilderern der Hauptanreiz, das Tier zu erlegen.

Schutzprojekte für Nashörner in Südafrika sind kostspielig und aufwendig. „Gute Vorzeigeprojekte sollten einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Lokale Gemeinden, Schutzgebietsmanagement, Regierung und Unternehmen sollten berücksichtigen werden“, sagt Katharina Trump. Sie ist bei der Naturschutzorganisation WWF Deutschland Expertin für illegalen Artenhandel.

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Die meisten Nashörner in Südafrika leben heute auf privatem Land und gehören den Landbesitzern. Das private Schutzgebiet Phinda im Südosten Südafrikas ist fast 30.000 Hektar groß. Angestellte wachen in Anti-Wilderei-Türmen über das Gebiet. Sicherheitspersonal reglementiert den Zugang. Wissenschaftler und Ranger dokumentieren die Bestände der Tiere.

Finanziell lohnt sich das nur selten. Häufig sind private Schutzgebiete auf Spendengelder und Besucher angewiesen. Doch infolge der Corona-Pandemie bleiben Touristen aus und es fehlt an Einnahmen für den Gebietsschutz. Die Weltorganisation für Tourismus der Vereinten Nationen (UNWTO) schätzt den globalen Einbruch der Touristenzahlen für das Jahr 2020 auf 60 bis 80 Prozent.

Die Touristen fehlen auch als Abschreckung für Wilderer

Prozeduren wie die Entfernung von Hörnern sind teuer. Es werden Hubschrauber eingesetzt, um die Tiere mit Gewehren zu betäuben. Am Boden entfernen Teams die Hörner. Und auch das Personal, das in den Wildschutzgebieten patrouilliert, will bezahlt werden. Zudem fehlen die Touristen auch als direkte Abschreckung für die Wilderer.

In Afrika leben mit dem Breit- und dem Spitzmaulnashorn zwei Nashornarten. Die International Union for Conservation of Nature gibt den Bestand der Breitmaulnashörner mit rund 18 000 an, den der Spitzmaulnashörner mit rund 5600. Das Spitzmaulnashorn ist in vielen Lebensräumen verschwunden. In den 1960er Jahren lebten noch geschätzt 100.000 Tiere in Afrika, 30 Jahre später waren es knapp 2500.

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Rund 80 Prozent aller Nashörner leben in Südafrika. Weitere Populationen existieren unter anderem in Namibia, Kenia und Simbabwe. Aktuelle Statistiken sind schwer zu bekommen. Die absolute Zahl der Nashörner, die Wilderei zum Opfer fallen, gehe zwar zurück. Nach fast 1400 Tieren im Jahr 2015 fiel die Zahl bis 2018 auf weniger als 1000 Tiere pro Jahr, die gewildert werden. „Das könnte allerdings zumindest zum Teil auch daran liegen, dass es schlicht weniger Tiere zum Wildern gibt“, erklärt Trump.

Auf ihren Internetseiten warnen Naturschutzorganisationen bereits vor den Folgen der Coronakrise und rufen zu Spenden auf. Reisen in die Projektgebiete seien bis auf Weiteres nicht möglich. Mit Inkrafttreten des landesweiten Lockdowns ordnete die südafrikanische Regierung die Schließung aller touristischen Unterkünfte an.

Viele werden arbeitslos, der Verkauf von Hörnern lockt

In den Gebieten selber erschweren Ausgangssperren die Arbeit der Wildhüter und Ranger. Viele Menschen werden derzeit arbeitslos. Der Verkauf von Elfenbein oder den Hörnern von Nashörnern bleibt eine mögliche Einnahmequelle.

Wilderei ist weiterhin eine Gefahr: „Seit Beginn der Wilderei-Welle vor rund zehn Jahren ist das Wachstum beider afrikanischen Arten massiv verlangsamt worden“, erläutert Trump. „Die Bestände der Breitmaulnashörner sind jüngst sogar zurückgegangen.“

Die Nachfrage nach Nashorn-Horn ist ungebrochen hoch. In Asien wird dem Horn eine medizinische Wirkung nachgesagt, zum Beispiel gegen Kopfschmerzen, und es ist schlicht ein Statussymbol, etwa als Beigabe zu Drinks. Dabei besteht es wie menschliche Fingernägel zum größten Teil aus Keratin.

[Lesen Sie auch den umfassenden Artikel von unserem Autor Matthias Glaubrecht über das Verschwinden der Arten als Krise des Jahrhunderts.]

Die Schwarzmarktpreise sind starken Schwankungen unterworfen, aber das Horn gilt als eines der wertvollsten illegalen Wildtierprodukte und wird teilweise auf Goldpreisniveau gehandelt. „Die Zerstörung der illegalen Handelsketten und vor allem die Reduktion der Nachfrage ist wichtig, um das Problem wirklich nachhaltig in den Griff zu bekommen“, sagt Trump.

In privaten Schutzgebieten hoffen die Betreiber ihre Maßnahmen beibehalten zu können. Das Entfernen der Hörner muss regelmäßig wiederholt werden. Sechs bis achteinhalb Zentimeter wachsen die Hörner pro Jahr nach. Aufgrund des enormen Aufwandes können nur kleine Schutzgebiete ein solches Verfahren durchführen.

Hinzu kommen Maßnahmen wie die intensive Überwachung, Patrouillenfahrten und die Einbindung der lokalen Bevölkerung. Einnahmen aus dem Wildtier-Tourismus helfen, den ökonomischen Wert intakter Ökosysteme zu erkennen. „Lokale Gemeinden sind in Phinda von Anfang an involviert. Alle hier verstehen, dass sie von der Tierwelt profitieren“, sagt Simon Naylor, der Reserve Manager in Phinda.

Ein Flug zur Auswilderung in Botswana kostet 50.000 Dollar

Das Programm läuft gut. Während im benachbarten staatlichen Nationalpark Hluhluwe-iMfolozi jährlich mehrere Tiere Wilderern zum Opfer fallen, ist der letzte Verlust dieser Art in Phinda Jahre her. Das umfassende Schutzprogramm macht es möglich.

In der Phinda Private Game Reserve betreibt das Unternehmen „&beyond“ Lodges. Durch die Einnahmen können die Prozeduren wie das Hornentfernen teilweise finanziert und Umsiedlungsprojekte unterstützt werden. 87 Nashörner wurden aus Südafrika bislang nach Botswana übersiedelt, um die Tiere etwa im Okavango-Delta auszuwildern. Mehrere Tiere stammten aus Phinda. Bis zu 50.000 US-Dollar kostet es, ein Nashorn von Südafrika nach Botswana zu fliegen.

„Es ist schwer abzusehen, wie sich die Nachfrage nach Nashornprodukten durch die Pandemie entwickelt“, sagt Les Carlisle, Projektmanager der Nashornschutz-Organisation „Rhinos Without Borders“. Bislang wirkt sich die Pandemie durch das Ausbleiben der Touristen aus, auch in Phinda. Und es ist nicht abzusehen, wann die dringend benötigten Einnahmen für den Wildtierschutz in Afrika wieder zur Verfügung stehen.

Jonathan Ponstingl

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