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Biontech-Chef Ugur Sahin (55) verfügt über mehr als 60 Patente.

© IMago Images/Sämmer

Update

Antrag auf Impfstoff-Zulassung: Biontech will in zwei Wochen loslegen – wie es dann weitergeht

Ugur Sahin, Chef der Mainzer Firma, erwartet, dass die entscheidenden Studiendaten in Kürze vorliegen. Dann soll alles ganz schnell gehen.

In vielen Ländern steigen die Neuninfektionen und andere wichtige Indikatoren für die Situation in der Coronavirus-Pandemie deutlich an. Etliche Staaten wie auch Deutschland, wo am Freitag mehr als 18.000 positive Tests binnen 24 Stunden gemeldet wurden, gehen wieder in einen Lockdown.

Manche Experten warnen bereits vor einer drohenden dritten Welle. Umso drängender wird die Frage, ob und wann ein Impfstoff zur Verfügung stehen wird.

Hoffnung macht nun der Chef des Mainzer Unternehmens Biontech Ugur Sahin. Sein börsennotiertes Unternehmen erwarte in Kürze erste Daten aus der entscheidenden Wirksamkeitsstudie mit seinem potenziellen Impfstoff. „Wir werden sicherlich in zwei Wochen schlauer sein“, sagte Sahin am Donnerstag im Fernseh-Interview mit dem VRM-Medienhaus. Er rechne mit ersten Testdaten Anfang November.

„Es wird nicht mehr lange dauern“, bis diese Informationen vorlägen, sagte der 55-jährige Sahin. Dann werde sich zeigen, ob der Impfstoff in der Lage sei zu schützen. „Wir sind optimistisch.“ Mitte November könnten bei positiven Daten Unterlagen bei der US-Gesundheitsbehörde FDA (Food and Drug Administration) für eine Notfallgenehmigung eingereicht werden.

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Nach Ansicht des renommierten Immunologen und Berater von US-Präsident Donald Trump, Anthony Fauci, wird es aber in den USA vor Januar keinen Corona-Impfstoff geben. Klinische Studien für zwei experimentelle Impfstoffe seien weit fortgeschritten, die Erteilung einer Notfallzulassung durch die FDA sei jedoch nicht vor Januar zu erwarten, hatte Fauci in einer Videoschalte mit dem Fachmagazin „Jama Network“ erklärt, wie die ARD am Donnerstag online berichtete. Fauci sagte, demnach, „es könnte Januar sein, es könnte später sein, das wissen wir nicht“.

Biontech produziert den Impfstoff bereits

Biontech und sein US-Partner Pfizer gehören neben dem US-Biotechkonzern Moderna und der britischen AstraZeneca zum Kreis der führenden Unternehmen im Rennen um einen Impfstoff. Am Dienstag hatte Pfizer erklärt, das für die Bewertung der Ergebnisse zuständige, unabhängige Komitee habe noch keine Zwischenergebnisse geliefert. Damit deutete sich an, dass diese nicht mehr im Oktober veröffentlicht werden können.

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Wenn diese Notfallzulassung vorliege, sei die nächste Frage, können wir prinzipiell Impfstoff liefern, sagte Sahin in dem Interview weiter. „Wir haben angefangen Impfstoff zu produzieren. Das lagert bei uns, ist in Qualitätskontrollen“, sagte Sahin weiter. „Das ist noch nicht freigegeben.“ Dies würde auch erst dann erfolgen, wenn eine Genehmigung vorliege. „Und diese Schritte können prinzipiell noch dieses Jahr erfolgen“, sagte Sahin.

Zu der Frage, wie lange der Impfstoff wirken werde, sagte Sahin, man wisse das noch nicht genau. Er gehe aber davon aus, dass eine Immunität bestehen werde, „die aus meiner Sicht mindestens ein Jahr anhalten wird“. Und eine eventuell nötige jährliche Nachimmunisierung „sei kein Drama“. Er erwarte aber, dass die Impfung länger anhalten werde.

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In einem anderen Interview mit dem Online-Portal „Business Insider“ sagte Sahin, Biontech habe die Produktionskapazitäten deutlich erweitert. „Wir planen, bis zum Ende des Jahres bis zu 100 Millionen Impfdosen verfügbar zu machen. Für das Jahr 2021 planen wir, ungefähr 1,3 Milliarden Dosen zu produzieren.“

Sahin will pragmatische Lösungen für Verteilung

Wenn es eine Notfallzulassung in den USA für den Impfstoff gebe, wäre es möglich, dass die Behörden diese zunächst auf einen recht kleinen Teil der Bevölkerung beschränkten – und mit der Zeit auf immer größere Teile der Bevölkerung ausdehnten. „Diese Entscheidung obliegt letztlich der Regierung und den zuständigen Behörden“, sagte Sahin.

Auch wenn ein Mittel auf dem Markt komme, könnten nicht sofort alle Menschen geimpft werden, die dies gerne möchten, sagte Sahin in dem TV-Interview. Wenn mehrere Unternehmen Impfstoffe zur Verfügung stellen könnten, sei davon auszugehen, dass man Mitte nächsten Jahres wieder zu einem Leben mit mehr Normalität zurückkehren könnte. „Das ist das Erfolgsszenario, das muss man ganz klipp und klar sagen.“

Auch in Europa läuft der Zulassungsprozess

Auch die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat Sahin zufolge den Zulassungsprozess für den Wirkstoff namens BNT162b2 gestartet, in einem „Rolling-Review“, eingeführt für besonders dringliche Zulassungsverfahren.

So können Teile des Antrags zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit des Impfstoffes schon vor der kompletten Antragstellung eingereicht und bewertet werden – bis genügend Daten für einen formellen Zulassungsantrag vorhanden sind. Der Impfstoff von Pfizer und Biontech könnte daher, abgesehen vom umstrittenen russischen Impfstoff, der erste gegen Covid-19 weltweit sein, der zugelassen wird.

„Ein Biontech-Impfstoff, der von Pfizer mitentwickelt wird“

Sahin sagte in dem TV-Gespräch, Pfizer sei bei der Entwicklung ein ganz wichtiger Partner, besonders was den Vertrieb und die große klinische Studie betreffe. „Wir haben keinen weltweiten Vertrieb“, sagte Sahin und betonte: „Eine der Grundvoraussetzungen für die Zusammenarbeit war, dass es ganz klar ist, dass es unser Impfstoff ist, dass es ein Biontech-Impfstoff ist, der von Pfizer mitentwickelt wird.“ Dementsprechend seien auch die Verträge gestaltet.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Zu der Frage, wie der Impfstoff verteilt werden solle, sagte Sahin dem Online-Portal, in der Pandemie müsse es pragmatische Lösungen geben. „Wir sind mit den zuständigen Behörden im Gespräch und diskutieren verschiedene Lösungen. Wenn wir nicht den üblichen Weg gehen können, bei dem der Impfstoff in jede Arztpraxis geliefert und dort Menschen verabreicht wird, wäre es eine Alternative, den Impfstoff an zentrale Anlaufstellen zu senden. Schnell viele Menschen zu impfen, sollte in der derzeitigen Situation das Ziel sein.“

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Am vergangenen Freitag hatte die „Bild-Zeitung“ berichtet, die Bundesregierung treffe bereits konkrete Vorbereitungen für mögliche Impfungen gegen das Coronavirus noch in diesem Jahr. Demnach forderte das Bundesgesundheitsministerium die Landesregierungen per Post auf, bis 10. November die Adressen von Impfzentren für den Impfstoff zu nennen. Insgesamt sollen demnach bundesweit 60 solcher Zentren entstehen.

Impfstoff muss bei minus 80 Grad gelagert werden

Demnach seien die Impfzentren nötig, um die Wirksamkeit des Impfstoffs zu garantieren. Sahin bestätigte in dem TV-Interview, dass der Impfstoff, dem er eine sehr gute Verträglichkeit bescheinigte, nach bisherigen Untersuchungen bei minus 80 Grad mindestens fünf Tage haltbar sei.

Deutschland verfüge zum Glück über eine gute Krankenhaus-Infrastruktur, wo die Impfungen stattfinden könnten. In den meisten Kliniken seien Minus-80-Grad-Kühlschränke vorhanden. „In der ersten Phase der Impfstoffversorgung müssen die Menschen zu den Impfzentren kommen“, sagte Sahin. In der zweiten Phase, wenn der Impfstoff auf dem freien Markt sei, könne er in Arztpraxen oder Apotheken geliefert werden.

Zehn bis 15 Impfstellen in der Hauptstadt

In Berlin bereiten sich Klinikleiter Tagesspiegel-Informationen zufolge darauf vor, in den kommenden Monaten mögliche Impfstellen einzurichten. Wie es aus dem Umfeld eines zuständigen Krisenstabs heißt, sei geplant, zehn bis 15 Impfstellen in der Hauptstadt aufzubauen. Diese könnten – ähnlich wie die Corona-Teststellen zu Pandemiebeginn – an Krankenhäusern angesiedelt werden.

[„Wir befinden uns nicht im Ausnahmezustand“, sagt der Verfassungsrechtler Oliver Lepsius. Lesen Sie hier ein Gespräch über die Rechtmäßigkeit der deutschen Corona-Politik.]

„Bild“ hatte unter Berufung auf Teilnehmer einer Videoschaltkonferenz der Gesundheitsminister der Länder weiter berichtet, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gehe davon aus, dass schon bald geimpft werden könne. Spahn habe erklärt, Biontech stehe dicht vor der Zulassung eines Impfstoffs. Auf Nachfragen, wann er mit ersten Impfungen rechne, habe Spahn gesagt, „Das könnte noch vor Ende des Jahres passieren.“

Das Bundesgesundheitsministerium erklärte dazu, man bleibe bei der Einschätzung, dass erste Impfungen voraussichtlich in den ersten Monaten des nächsten Jahres möglich werden. Man gehe weiterhin davon aus, dass Anfang 2021 ein Impfstoff zur Verfügung stehen könnte. Den „Bild“-Bericht wolle man nicht kommentieren, da es sich um interne Gespräche gehandelt habe.

Alle Hoffnungen in der Pandemie ruhen auf einem Impfstoff.
Alle Hoffnungen in der Pandemie ruhen auf einem Impfstoff.

© Christoph Schmidt/dpa

Auch Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte zuletzt von ersten möglichen Impfungen im ersten Quartal 2021 gesprochen und für die breite Masse der Bevölkerung ab Mitte des kommenden Jahres. Karliczek hatte Ende der ersten Oktoberwoche gesagt, die Bundesregierung wolle, dass mit der Produktion von möglichen deutschen Impfstoff-Kandidaten schon vor der Zulassung begonnen werde.

Das Forschungsministerium fördere deshalb bei drei deutschen Pharma-Firmen auch den Aufbau von Produktionskapazitäten. Das berge zwar die Gefahr, dass ein Impfstoff nicht genutzt werden könne, wenn er am Ende keine Zulassung erhalte. „Aber sobald eine Zulassung erfolgt, steht der Impfstoff dann breiter zur Verfügung“, sagte Karliczek.

Das Forschungsministerium fördert die Entwicklung eines Impfstoffs durch die Unternehmen Biontech, CureVac und IDT Biologika mit bis zu 750 Millionen Euro. Während Biontech nun von einer baldigen Notfallgenehmigung ausgeht, erwartet Curevac eine Zulassung erst im Sommer 2021, IDT Biologika sogar erst Ende 2021 oder Anfang 2022.

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