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Darstellung der Tierkreiszeichen aus verschiedenen Epochen des Altertums.

© Foto/Montage: M. Ossendrijver

Antikeforschung in Berlin: Wo Schrift und Sternenkunde geboren wurden

Die Freie Universität eröffnet ihr Institut für die Wissensgeschichte des Altertums. Im Projekt „Zodiac“ geht es um Astrologie – streng wissenschaftlich.

„Unwissend ist der Arzt, der nichts über Astrologie weiß.“ Diesen Satz des griechischen Arztes und Lehrers Hippokrates von Kos zitierte Günter M. Ziegler, der Präsident der Freien Universität Berlin (FU), am Freitag bei der Eröffnung des neuen Instituts für die Wissensgeschichte des Altertums.

Geleitet wird es von J. Cale Johnson, der seine Professur schon im ersten Pandemie-Jahr 2020 antrat und die FU durch zahlreiche Aufenthalte etwa am früheren Exzellenzcluster „Topoi“ zur Transformation von Räumen und Wissen in antiken Zivilisationen kennt. Johnson ist Assyrologe und linguistischer Anthropologe und forscht unter anderem zum Ursprung der Schrift, zur sumerischen Literatur und zur babylonischen Medizin.

Sein Institut solle „zu einem Bindeglied und zu einem Thinktank zwischen Archäologie und Altertumswissenschaft, zwischen Geistes- und Naturwissenschaften“ werden, versprach Johnson bei der Eröffnungsfeier in der „Holzlaube“. Eun-Jeung Lee, die Dekanin des Fachbereichs Geschichte und Kulturwissenschaften der FU, hofft, dass das Institut die Zusammenarbeit der Kleinen Fächer fördern wird – umspanne es doch den gesamten dort behandelten Zeitraum.

Ein Porträtfoto auf dem Dach der "Holzlaube" der FU.
J. Cale Johnson, Leiter des FU-Instituts für die Wissensgeschichte des Altertums.

© Burchard/TSP

Zurück zu Hippokrates: Wer sich heute horoskopgläubig zeigt, wird in akademischen Kreisen belächelt, wie Ziegler hervorhob. Und doch wird die Astrologie in Dahlem dank der Neugründung womöglich eine größere Rolle als je zuvor spielen.

Denn in der Astralwissenschaft, deren Ursprünge im babylonischen Reich liegen und über Ägypten, die griechisch-römische Welt und bis in die heutige Zeit tradiert und transformiert wurden, sind astronomische, astrologische, mathematische, religiöse und soziale Praktiken eng miteinander verbunden.

Dem Ursprung des Tierkreises auf der Spur

Am neuen Institut, das in einer Villa in der Arnimallee 10 residiert, werden diese Praktiken im Forschungsprojekt „Zodiac – Ancient Astral Science in Transformation“ untersucht. Es startete im April 2021 unter der Leitung von Mathieu Ossendrijver. Seine Karriere begann er als Astrophysiker und kam 2013 als Professor für Wissenschaftsgeschichte der Humboldt-Universität nach Berlin.

An die FU brachte er nun einen mit 2,5 Millionen Euro dotierten Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) mit, aus dem „Zodiac“ und sein internationales und interdisziplinäres Team für fünf Jahre finanziert wird. Ausgangspunkt sind textliche und ikonographische Quellen über den Tierkreis.

Ein Porträtfoto mit dem Logo des Forschungsprojekts.
Mathieu Ossendrijver, Leiter des Forschungsprojekts "Zodiac" am FU-Institut für die Wissensgeschichte des Alterntums.

© Burchard/TSP

In einem neuen Institut und mit so einem starken Schwerpunkt zu erforschen, „wo der Ursprung des Wissens liegt, wofür es gebraucht und oft genug auch missbraucht wird“, sagte FU-Präsident Ziegler, das sei „eine starke, einzigartige und wichtige Sache“ für die Freie Universität. Festredner Daryn Lehoux, Professor für Altertumswissenschaften sowie Geschichte und Philosophie der Wissenschaft an der Queen’s University Kanada, sekundierte: „Ich bin sehr neidisch auf das, was hier in Berlin entstanden ist – so etwas haben wir ansonsten nirgendwo.“

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Mitgemeint ist zweifellos die ganze Berliner Antike-Landschaft, zu der unter anderem das Deutsche Archäologische Institut, die Antike-Forschung an der Berliner Akademie, das Einstein-Center Chronoi, das Max-Planck-Institut für Wissensgeschichte und die Berliner Antike-Museen gehören.

In dieser Landschaft sollen sich ab dem Sommersemester 2023 auch Masterstudierende im geplanten FU-Studiengang für „Wissensgeschichte“ tummeln. Und eines Tages womöglich auch Daryn Lehoux – als Gastprofessor?

Seine Festrede über „Epistemische Verfälschungen im alten Rom“ jedenfalls hätte ein Bewerbungsvortrag sein können. Er zeigte, wie schon in der Antike um gute wissenschaftliche Praxis gerungen wurde. So sah Galenus, der große Arzt und Philosoph, seine Schriften in verkürzten Wiedergaben anderer Autoren dermaßen „verstümmelt“, dass er lieber selber Zusammenfassungen seiner Originale veröffentlichte.

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