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Weggetreten. Die Maske ist oft nur zur Beatmung da.

© picture alliance / dpa

Anästhesie: Rätselhafter Schlaf im Operationssaal

Seit Jahrzehnten wird Narkose angewandt. Was dabei genau in unserem Gehirn passiert, ist bislang aber kaum verstanden. Forscher in Boston sind der Lösung nun etwas näher gekommen.

Das Publikum war entzückt. Der Patient schlief ruhig weiter, obwohl er gerade eine schmerzhafte Zahnbehandlung über sich ergehen ließ. 1846 war diese Wirkung einer Substanz namens Äther eine Sensation. Doch der Arzt Henry Bigelow warnte: „Die Wirkungsweise ist nicht vollständig verstanden.“ Mehr als 160 Jahre später stimmt der Satz noch immer. Auch wenn Narkosen aus der Chirurgie nicht mehr wegzudenken sind, basieren sie eher auf Erfahrungswissen als auf der Kenntnis zellulärer Abläufe. Nun hat ein Team um Patrick Purdon vom Massachusetts General Hospital in Boston erste Hinweise darauf gesammelt, was im Gehirn eines Menschen passiert, wenn er vor einer OP durch eine Spritze des Narkosemittels Propofol bewusstlos wird.

Wer sich die Hirnströme eines wachen Menschen anschaut, sieht chaotisch wirkende Signale. Sobald die Narkose wirkt, werden sie dagegen abrupt sehr regelmäßig. Zeitversetzt schalten sich unterschiedliche Hirnbereiche immer wieder an und aus. Durch dieses langsame, asynchrone Aktivierungsmuster werde die Kommunikation der Areale untereinander unmöglich, vermuten die Forscher in der Fachzeitschrift „PNAS“. „Es ist fast so, als sei der eine Hirnbereich in Boston und der andere in Singapur“, sagt Laura Lewis, eine der Autorinnen. „Sie können sich nicht anrufen, weil der eine schläft, wenn der andere wach ist.“

Drei Epileptiker machten die Studie möglich. Um ihre Erkrankung sicher zu diagnostizieren, hatte man ihnen Elektroden ins Gehirn eingepflanzt. Nun sollten diese in einer zweiten Operation entfernt werden. Die Wissenschaftler hatten so die Chance, bei der Gelegenheit auch die Reaktion einzelner Nervenzellen, kleiner Nervenzell-Netzwerke und größerer Hirnbereiche auf Propofol am Anfang der Narkose zu beobachten. Um den Zeitpunkt der Bewusstlosigkeit genau zu bestimmen, bekamen die drei Patienten außerdem eine Aufgabe. Alle vier Sekunden ertönte ein Ton, sobald sie ihn hörten, sollten sie einen Knopf drücken. Verpassten die Patienten das Signal zweimal hintereinander, galten sie als bewusstlos.

Während einzelne Nervenzellen erst 30 Sekunden später deutlich weniger aktiv waren, waren die Muster regelmäßigen An- und Abschaltens ganzer Nervenzell-Netzwerke bereits innerhalb von fünf Sekunden sichtbar. Zum Vergleich: Beim Einschlafen dauert es einige Minuten, bis sich dieser Zustand einstellt.

Die Wissenschaftler wollen anhand dieser Informationen genauere Systeme entwickeln, mit denen man die Anästhesie eines Patienten überwachen und die nötigen Narkotika besser dosieren kann.

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