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Intensivpatienten dürften jünger werden und länger behandelt werden müssen. Dafür gibt es Erklärungen.

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Alarmierende Passage im Bund-Länder-Beschluss: Gibt es tatsächlich mehr jüngere Covid-Patienten, die länger krank sind?

Die Zahl der jüngeren Corona-Patienten und deren Verweildauer auf der Intensivstation nimmt angeblich zu. Intensivmediziner erklären, was dahinter steckt.

Es war eine der Aussagen, die vor der Bund-Länder-Runde am Montag nochmals die Sinne schärfen sollte dafür, wie ernst die Corona-Lage in Deutschland ist – gerade mit Blick auf die Variante B.1.1.7: „Wir sehen das jetzt schon auf den Intensivstationen, dass sich die Patienten dort ändern: Die werden jünger.“ Das sagte der Vizepräsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade, in der vergangenen Woche.

Nun tauchte im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel ein Satz auf, der die Lage weiter dramatisierte. Die Belastungsgrenze des Gesundheitssystems könnte erreicht werden, auch aufgrund der „Tatsache, dass jüngere Patienten generell eine längere Verweildauer auf der Intensivstation haben“.

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Klar ist: Die Zahl der Intensivpatienten steigt wieder, wie vor wenigen Wochen prognostiziert. Doch was hat es mit den Sätzen des RKI-Vizes und in der Beschlussvorlage auf sich? Sorgt B.1.1.7 wirklich dafür, dass mehr „jüngere Leute“ schwere Krankheitsverläufe haben als zuvor?

Nicht, wenn es nach der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) geht. Die hat keine neuen Erkenntnisse darüber, ob sich das Alter der Corona-Intensivpatienten in Deutschland verändert hat.

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„Derzeit haben wir noch keine belastbaren Zahlen, dass die Patienten auf den Intensivstationen jünger werden. Was wir wissen: Der Altersdurchschnitt der ersten wie auch zweiten Welle war gleich“, erklärt Divi-Präsident Gernot Marx.

Impfungen verändern Patientenzusammensetzung

Durchschnittlich habe das Alter auf den Intensivstationen bislang etwa 68 Jahre betragen. Das geht aus einer Auswertung der Krankenkassendaten hervor. Allerdings erwartet die Divi, dass der Altersdurchschnitt noch sinken werde. Aus einem einfach Grund: Da die 80-Jährigen zum Großteil geimpft sind. „Die werden wir nicht mehr auf den Intensivstationen sehen, die sind durch die Impfung vor schweren Verläufen geschützt“, so Marx.

Das zeigt sich auch in den Daten der Krankenkassen: Mehr als 75 Prozent der Intensivpatienten sind derzeit unter 80 Jahre alt – also noch nicht durch Impfungen geschützt. „Und aus der zweiten Welle wissen wir weiterhin: Die Überlebenschance der 60-Jährigen ist deutlich besser als die der 70-Jährigen“, so Marx. Das Alter sei weiterhin eines der höchsten Risiken, an Corona zu versterben.

Das zeigen auch weitere Daten: In der ersten und zweiten Welle, vor Beginn der Impfungen, verstarben noch drei von vier beatmeten Patienten über 80 Jahre. Das bestätigte eine Divi-Sprecherin dem Tagesspiegel. Unter den Patienten im Alter rund um den Durchschnitt von 68 Jahren starb nur einer von vier.

So ist auch die steigende Verweildauer auf den Intensivstationen zu erklären, sagt die Divi. Da aufgrund der Impfkampagne weniger Menschen über dem Durchschnitt von 68 Jahren auf der Intensivstation landen, wird der Altersdurchschnitt geringer. Und weil jüngere Menschen seltener versterben, bleiben sie länger auf der Intensivstation.

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Allerdings warnten Virologen in den vergangenen Wochen wiederholt davor, dass das Impfen der ältesten Jahrgänge allein noch keine Entspannung bringe. Denn, dass in der ersten Welle lediglich etwa ein Viertel der Intensivpatienten über 80 Jahre alt war, lag auch daran, dass viele Altenheimbewohner gar nicht erst auf die Intensivstationen kamen – da sie bereits in ihren Einrichtungen starben.

Das weiß auch, Divi-Präsident Marx, der am Mittwoch im Deutschlandfunk sagt: „Wenn wir die über 65-Jährigen geimpft haben, werden wir einen Effekt deutlich merken.“

Ein gutes Zeichen ist die längere Verweildauer der Intensivpatienten allerdings nur bedingt. Zwar sterben durch die Impfkampagne dort weniger Menschen. Doch, so Divi-Präsident Marx: „Unsere Patienten sind wahrscheinlich gezeichnet fürs Leben. Die sind nicht genesen, wenn wir sie entlassen. So müssen wir die Zahl der Erkrankten so gering wie möglich halten.“

Deshalb richtet Marx einen Appell an alle Bundesbürger: „Wer somit als Familie bereit ist sich über Ostern nicht zu treffen, weil der Glaube an das Treffen im Garten im Juni realistisch erscheint, der hilft auch sehr schwere Verläufe auf den Intensivstationen zu vermeiden. Und mehr wollen wir nicht.“

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