zum Hauptinhalt
Gedenken. Die Aidskonferenz 2014 begann mit einer Würdigung der Opfer, die mit der Passagiermaschine MH17 abgestürzt sind.

© Reuters

Aidskonferenz trauert um MH17-Opfer: Joep Lange brachte den Ärmsten HIV-Medikamente

Die Delegierten der Aidskonferenz 2014 trauern um den bekannten Virologen Joep Lange. Er und fünf weitere Aktivisten stürzten mit der Passagiermaschine MH17 über der Ukraine ab.

Keiner weiß, wie vielen Menschen Joep Lange durch seine Arbeit das Leben gerettet oder erleichtert hat. Der Virologe von der Universität Amsterdam hat seit 1983 erforscht, wie man das Immunschwächevirus HIV stoppen kann. „Ein Leuchtfeuer für das Feld, von Anfang an“, so beschreibt ihn die UN-Organisation UNAids. „Mein Freund wollte immer dort sein, wo sich Politik und Menschlichkeit in die Quere kommen“, sagte Onno Schellekens, Direktor von PharmAccess, der „New York Times“. In der letzten Woche machte sich Lange auf den Weg zur 20. Welt-Aidskonferenz in Melbourne. Er wurde gemeinsam mit 297 Passagieren des Fluges MH17 über der Ukraine abgeschossen.

Unter den Opfern waren außerdem fünf weitere Delegierte der Konferenz: Jaqueline van Tongeren, die Lebensgefährtin von Lange und Vorstandsmitglied der Organisation ArtAids. Sie hat als Krankenschwester für Aidspatienten angefangen. Glenn Thomas, ein Pressesprecher der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf. Lucie van Mens, die für die Female Health Company immer wieder in Afrika unterwegs war, um für Kondome für die Frau zu werben – als Schutz gegen HIV und vor unerwünschten Schwangerschaften. Martine de Schutter vom Aids Fond; sie arbeitete daran, Therapie und Prävention für alle zugänglich zu machen. Und Pim de Kuijer, ein Aktivist von Stop Aids Now!

„Das Ausmaß unseres Verlusts ist schwer zu begreifen und auszudrücken“, sagte die Nobelpreisträgerin und derzeitige Präsidentin der Internationalen Aidsgesellschaft, Françoise Barré-Sinoussi, bei der Eröffnung der Konferenz. „Wir trauern mit denen, die Freunde und Familienangehörige in dieser unsinnigen Tragödie verloren haben.“

Lange plädierte für die Kombinationstherapie

Bereits 1987 – mit AZT war gerade das erste antiretrovirale Medikament zugelassen worden – warnte Joep Lange davor, dass HIV Resistenzen entwickeln könnte. Man dürfe das Mittel nicht allein schlucken, sonst würde es bald versagen. „Er überzeugte die Pharmafirmen, dass nur eine Kombinationstherapie sinnvoll ist“, sagte David Cooper vom australischen Kirby-Institut für Infektion und Immunität der Fachzeitschrift „Science“. Statt einen Wirkstoff nach dem anderen zu entwickeln und als Monotherapie zu verbrennen, entschlossen sie sich zur Zusammenarbeit.

Sein Rat hat sich bewährt. Dank Kombinationstherapie haben HIV-Infizierte mittlerweile eine beinahe normale Lebenserwartung. Lange untersuchte unter anderem, wie man sie effektiver und verträglicher machen kann. Ein weiteres Thema für den fünffachen Vater war die Übertragung des Virus von der Mutter auf ihr Baby.

Joep Lange „glaubte an den wissenschaftlichen Fortschritt und wollte, dass alle davon profitieren“, erinnert sich Robin Weiss vom University College London. „Er war sehr selbstlos.“ Seit den 1990er Jahren arbeitete er daran, die Medikamente gegen HIV in die ärmsten Länder der Welt zu bringen, egal ob in Asien oder Afrika. 1996 gründete er zum Beispiel ein niederländisch-australisch-thailändisches Netzwerk für klinische Studien. Am Beispiel Thailand zeigten er und seine Kollegen, wie man Menschen in armen und abgelegenen Regionen erreichen kann. Im Jahr 2000 gründete er die Stiftung PharmAccess, um gemeinsam mit privaten Firmen die medizinische Grundversorgung in afrikanischen Ländern südlich der Sahara zu verbessern. Diese Arbeit inspirierte nicht zuletzt den Global Fund.

„Wenn wir eine Dose kalte Coca-Cola oder Bier in die entlegensten Regionen Afrikas bringen können, warum ist dann die Verteilung von Medikamenten ein derart großes Problem?“, sagte Lange auf der Welt-Aidskonferenz in Barcelona im Jahr 2002. Da trat er gerade sein Amt als Präsident der Internationalen Aidsgesellschaft an. Zwölf Jahre später erinnerten sich seine Kollegen und Freunde an diese Worte. Denn sie gelten noch immer. 35 Millionen Menschen leben weltweit mit HIV, doch nur ein Drittel hat Zugang zu den Medikamenten, sagte Barré-Sinoussi: „Wir müssen schneller werden und unsere Bemühungen verdoppeln.“ Auch um das Vermächtnis von Lange und den anderen zu ehren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false