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Medrese in Buchara. An der Humboldt-Universität können Studierende auch Usbekisch lernen.

© Stefan Auth/image broker/Mauritius images

Afrika- und Asienwissenschaften: Kleine Fächer, große Relevanz

Der wissenschaftliche Nachwuchs kämpft um langfristigen Erhalt der Zentralasienstudien, auch an der Humboldt-Universität.

Es ist nicht selbstverständlich, dass die Politik kommt, wenn Nachwuchswissenschaftler einladen. Zumal, wenn es sich um eine Handvoll Masterstudentinnen, Doktorandinnen und Doktoranden eines sogenannten ‚kleinen Fachs‘, in diesem Falle die Zentralasienstudien, handelt. Und so bot sich am Freitagabend im Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin ein ungewöhnliches Bild: Etliche Vertreter des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nahmen sich ausführlich Zeit, um die künftige Generation von Asienexperten kennenzulernen. Vorangegangen war ein zweitägiger Workshop, bei dem ein Dutzend junger Forscher aus ganz Europa über die Frage debattiert hatte, wie sich der Dialog zwischen Zentralasienwissenschaftlern und der Politik intensivieren lässt.

Organisiert hatten den Workshop Studentinnen vom Institut für Afrika- und Asienwissenschaften (IAAW) an der Humboldt-Universität. Ihr Motiv: die anhaltende Sorge um ihr Fach. Kürzung – das ist das Schlagwort, mit dem Regionalwissenschaftler am besten vertraut sind. Regelmäßig wird die Relevanz ihrer Arbeit infrage gestellt. Nicht offiziell zwar, aber sobald die Hochschulen zum Sparen gezwungen sind, stehen die Lehrstühle oft ganz oben auf der Abschussliste. Im letzten Jahr war es wieder so weit, da bangte das IAAW mal wieder um seinen Mittelbau und eine ihrer Professuren. Dabei ist das Institut, das geografisch die zwei größten Kontinente der Erde abdecken soll, ohnehin nicht üppig ausgestattet.

Im Koalitionsvertrag der Groko werden die Regionalstudien erwähnt

Aber kann die Politik helfen – und wenn ja, wie? Das Interesse an den Forschungsergebnissen der Zentralasienstudien sei groß, betonte Heidrun Tempel vom Auswärtigen Amt. Die Region umfasst, je nach Definition, die Länder Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan sowie Afghanistan und die Mongolei. „Wir brauchen viele Studien und Informationen über diese Region“, sagte Tempel. Immerhin, im neuen Koalitionsvertrag sind die Regionalstudien mit einem vielversprechenden Satz erwähnt. CDU, CSU und SPD versprechen: „Im Fokus unserer Förderung wird die Forschung zu Migration, zu Integration und zu gesellschaftlichem Zusammenhalt, zu Demokratie und Frieden, zu Konfliktursachen und -bewältigungsstrategien und die Förderung der kleinen Fächer stehen.“

Deutschland hat großes Interesse an der Region. Auch weil sie eine wichtige Brückenfunktion auf dem asiatischen Kontinent hat und von China ebenfalls umworben wird. Besonders Usbekistan steht seit der Präsidentschaftswahl 2016 und der seitdem stattfindenden Öffnung im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Dass die Region einerseits immer wichtiger wird, die Forschung aber weiterhin schlecht finanziert und hochschulpolitisch stiefmütterlich behandelt wird, passt überhaupt nicht zusammen. So weit waren sich auf dem Podium alle einig.

Einmal zerschlagene Strukturen lassen sich nur mühsam wieder aufbauen

Wissenschaft lässt nämlich sich nicht beliebig an- und ausknipsen. Wenn Strukturen erst einmal zerschlagen sind, ist es mühsam, sie wieder aufzubauen. Ändert sich dann kurzfristig die außenpolitische Wetterlage, wie etwa mit Russland in den vergangenen Jahren, dann werden die wissenschaftlichen Experten und ihre Studien schmerzlich vermisst. Umso wichtiger sei es, die Regionalstudien nachhaltig zu sichern, betonten vor allem die Nachwuchsforscher. „Denn anders als etwa Politologen haben Asienwissenschaftler einen Insiderblick“, sagte Ingeborg Baldauf, HU-Professorin für Sprachen und Kulturen Mittelasiens. Spezielle Sprachkenntnisse sind eines der Alleinstellungsmerkmale von Asienwissenschaftlern. An der HU können Studierende unter anderem Kasachisch, Mongolisch, Paschto, Tadschikisch, Tibetisch, Uigurisch, Usbekisch lernen. Eine wichtige Voraussetzung, um vor Ort anthropologische, soziologische oder kulturelle Feldstudien betreiben zu können.

Einer Idee allerdings erteilte der Nachwuchs am Freitagabend eine deutliche Absage: Als Handlager oder Auftragsforscher verstehe man sich ausdrücklich nicht. Auch wenn das Augenmerk der Politik derzeit auf Themen wie innere Sicherheit, Terrorismus oder Drogen liegt – dann heißt das noch lange nicht, dass nur dazu geforscht werden sollte. Im Gegenteil. Nur freie Forschung könne neue Themen und neue Erkenntnisse aus den Regionen auf die Agenda bringen. Fazit: Dialog ja, Anbiederung nein.

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