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Waldrappe auf dem Weg in ihr Winterquartier.

© dpa

Aerodynamik: Präzise Flieger

Zugvögel fliegen in V-Formation, um den Aufwind ihrer Artgenossen zu nutzen. So sparen sie auf dem Weg ins Winterquartier Energie.

Piloten wissen es schon lange: Wenn sie in einer V-Formation fliegen, können sie bis zu 18 Prozent Energie sparen. Ob das auch auf Zugvögel zutrifft, war trotzdem umstritten. Denn die Wirbel, die an ihren Flügelspitzen entstehen, sind ungleich komplexer als die von Flugzeugen. Mit jedem Flügelschlag bewegen sich auch die Luftwalzen wellenförmig auf und ab. Gleichzeitig verkehren selbst kleine Positionsabweichungen den Vorteil in einen Nachteil. Dann gerät das Tier in einen Fallwind, der es nach unten drückt. Vielleicht übernimmt einfach nur der Vogel mit den besten Navigationsfähigkeiten die Führung und alle anderen folgen, war deshalb eine andere Hypothese.

Nun zeigte eine Gruppe um Steven Portugal von der Königlichen Tiermedizinischen Hochschule der Universität London in Hatfield, dass diese Annahme die Fähigkeiten der Tiere unterschätzt. Der elegante Formationsflug ist für Ibisse und andere Vögel mit relativ großen Flügelspannen tatsächlich ein Energiesparmodus während der Reise in ihre Winterquartiere, schreiben Portugal und seine Kollegen im Fachblatt „Nature“.

Um in freier Wildbahn Daten sammeln zu können, nutzten die Forscher eine Gruppe von 14 Waldrappen, die im Zoo von Wien aufgezogen wurden. Während der Heilige Ibis deutschen Naturschützern als unerwünschter Neuankömmling Sorgen bereitet (siehe Kasten), ist der Waldrapp aus der Familie der Ibisse seit etwa 400 Jahren in Europa ausgestorben. Ein deutsch-österreichisches Team, zu dem auch Bernhard Voelkl von der Humboldt-Universität zu Berlin gehört, will sie wieder in Österreich ansiedeln. Dazu müssen sie den Tieren unter anderem den Weg in ihre Winterquartiere in der Toskana zeigen: Die menschlichen Adoptiveltern fliegen mit einem ultraleichten Flugzeug voraus, die Vögel hinterher. Nun luden sie die Gruppe um Portugal dazu ein, die handzahmen Tiere mit modernster Technik auszustatten; darunter ein Gerät, das fünf Mal pro Sekunde die GPS-Daten des jeweiligen Waldrapps aufzeichnete, und eines, das Daten zu Bewegung und Beschleunigung lieferte.

Die Auswertung einer siebenminütigen Sequenz zeigte, dass sich die Vögel in der V-Formation jeweils zur besten Zeit am besten Ort positionierten – dort, wo in dem Moment der größte Aufwind zu erwarten war. Sie hielten etwa 120 Zentimeter Abstand zum jeweiligen Vordervogel. Außerdem war der Flügelschlag synchronisiert und phasenverschoben. Genau so hatten es theoretische Modelle vorhergesagt. Wenn ein Waldrapp in der Schar trotzdem einmal direkt hinter einen anderen geriet, passte er sein Verhalten sofort der neuen Situation an, um die Fallwinde auszugleichen und möglichst zu vermeiden.

„Das weist darauf hin, dass die Vögel den Flügelschlag ihrer Artgenossen und die daraus folgenden Luftwirbel erstaunlich gut einschätzen und darauf reagieren können“, schreiben die Forscher. Ob das ein instinktives Verhalten ist oder ob die Waldrappe lernen, ihre Position und ihren Flügelschlag an die Nachbarn in der Schar anzupassen, weil es sich besser anfühlt, ist damit allerdings noch nicht erklärt. Auch wie groß die gesparte Energie ist, ist noch nicht klar. Um das zu errechnen, müssten die Forscher Waldrappe in einem Windkanal fliegen lassen. Von Pelikanen weiß man allerdings, dass ihr Herzschlag in V-Formation etwas langsamer ist. Und auf dem anstrengenden Weg in die Winterquartiere ist jede Hilfe willkommen.

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