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Die Sonnenwende war der irischen Ur-Elite so wichtig, dass sie ihre Gräber danach ausrichtete.

© Ken Williams/shadowsandstone/dpa

5000 Jahre alte DNA aus Königsgräbern analysiert: Inzest war in Irlands Ur-Elite üblich

Irische Herrscher waren so mächtig, dass sie sich monumentale Gräber bauen ließen und ihnen nur Partner aus der eigenen, königlichen Familie genügten.

Riesige Gräber und Inzest zwischen engsten Verwandten der Elite – schon vor 5000 Jahren herrschten auf der irischen Insel offenbar Dynastien, wie sie von ägyptischen Pharaonen und Gottkönigen der Inka bekannt sind.

Eine Erbgutstudie rekonstruiert nun, wie diese Machtstrukturen entstanden – und dass ein irischer Mythos tatsächlich auf Jahrtausende alten Begebenheiten basieren könnte.

Irland birgt Hunderte „Passage Tombs“ – Grabanlagen, bei denen unter großen aufgeschütteten und in Randsteine gefassten Erdhügeln lange Gänge in Grabkammern führen. Die Anlagen stammen aus dem 4. Jahrtausend vor Christus und sind damit älter als etwa die ägyptischen Pyramiden von Gizeh.

Am berühmtesten ist das zwischen 3200 und 3000 vor Christus erbaute Newgrange im Osten der Insel nördlich von Dublin, das zum Unesco-Weltkulturerbe zählt. Die Grabanlage mit einem Durchmesser von etwa 90 Metern ist so ausgerichtet, dass das Licht zur Wintersonnenwende bei Sonnenaufgang durch den gut 20 Meter langen Gang bis in das innere Kammergewölbe mit dem Altar fällt. Newgrange ist etwa 500 Jahre älter als das englische Stonehenge.

Erbgut aus 42 Königsgräbern bestätigt einen uralten irischen Mythos

Über die Erbauer der Anlagen war bislang wenig bekannt. Nun analysierte das Team um den Genetiker Daniel Bradley vom Trinity College Dublin die Genome von 42 Menschen dieser Zeit aus verschiedenen Gräbern sowie von zwei Bewohnern der Insel vor jener Epoche.

Die Herrscher über das heutige irische County Meath ließen sich vor 5000 Jahren riesige Grabanlagen, wie hier in Newgrange am Fluss Boyne, bauen.
Die Herrscher über das heutige irische County Meath ließen sich vor 5000 Jahren riesige Grabanlagen, wie hier in Newgrange am Fluss Boyne, bauen.

© Ken Williams/shadowsandstone/dpa

Die Resultate, veröffentlicht im Fachblatt „Nature“, zeigen, dass in diversen Großgräbern aus verschiedenen Regionen der Insel – etwa neben Newgrange auch in Carrowkeel und Carrowmore im Nordwesten – miteinander verwandte Menschen bestattet sind.

„Das sieht nach einer mächtigen, verzweigten Verwandtschaftsgruppe aus, die über mindestens ein halbes Jahrtausend Zugang zu Grabanlagen der Elite in vielen Regionen der Insel hatte“, wird Erstautorin Lara Cassidy in einer Mitteilung des Trinity College zitiert. Bei einem in Newgrange bestatteten Mitglied dieser Gruppe stellte sich heraus: Seine Eltern waren Verwandte ersten Grades – also entweder Geschwister oder Mutter und Sohn oder Vater und Tochter.

Newgrange ist eines der großen jungsteinzeitlichen Grabmonumente ("Passage Tombs") in Irland.
Newgrange ist eines der großen jungsteinzeitlichen Grabmonumente ("Passage Tombs") in Irland.

© Ken Williams/shadowsandstone/dpa

Solche Inzest-Verbindungen sind nahezu weltweit tabuisiert – außer in einigen Herrscherdynastien, die so ihren familiären Machtanspruch sicherten. Ähnliche Beispiele gibt es aus dem Alten Ägypten und von den Inkas.

„Das Prestige dieser Bestattungsform spricht für eine extreme Hierarchie, in der die einzigen würdigen Partner der Elite Familienmitglieder waren“, meint Studienleiter Bradley. Isotop-Analysen der menschlichen Relikte zeigen, dass die in diesen Gräbern beigesetzten Menschen viel Fleisch und tierische Produkte aßen – ein Beleg für ihren Wohlstand.

Der Eingang zur Grabanlage in Newgrange in so konstruiert, dass zur Sonnenwende das Licht bis in die Grabkammer fällt.
Der Eingang zur Grabanlage in Newgrange in so konstruiert, dass zur Sonnenwende das Licht bis in die Grabkammer fällt.

© Ken Williams/shadowsandstone/dpa

Der Inzest-Befund aus Newgrange passt zu einem aus dem 11. Jahrhundert überlieferten Mythos: Demzufolge sicherte der königliche Erbauer der benachbarten Grabanlage Dowth den täglichen Sonnenkreislauf durch Inzest mit seiner Schwester. Diese Parallele zu dem Studienbefund werfe die Frage auf, ob mündliche Überlieferungen vier Jahrtausende überdauern könnten, schreibt das Team.

Zufallsfund: Ältester Nachweis von Trisomie 21

Die Untersuchungen legen nahe, dass die ursprüngliche, vom Jagen und Sammeln lebende Bevölkerung der Insel von einer Bauernpopulation verdrängt wurde, die vor etwa 6000 Jahren eintraf. Diese Neuankömmlinge schufen jene hierarchische Gesellschaftsform, von der die großen Grabanlagen zeugen und für die die Wintersonnenwende ein entscheidendes Datum war, schreibt Alison Sheridan von den National Museums Scotland in Edinburgh in einem „Nature“-Kommentar. Wahrscheinlich seien Inselbewohner vor 5000 Jahren von nah und fern zur Feier der Wintersonnenwende angereist.

Bei ihren Analysen machten die Forscher einen Zufallsfund: Bei einem Jungen aus dem Megalith-Grab Poulnabrone im Westen Irlands stellten sie ein Down-Syndrom fest. Das Grab ist etwa 5500 Jahre alt und damit etwa 4000 Jahre älter als der bislang früheste Trisomie-21-Beleg.

Walter Willems, dpa

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