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Alan Bean hatte eine schöne Kamera mit auf den Mond gebracht. Viel filmen konnte er mit ihr aber nicht.

©  Pete Conrad/Granger/Shutterstock

50 Jahre Apollo 12: Mondlandung mit Slapstick-Faktor

Geschrottete Ausrüstung, ein „Penisbild“ von Andy Warhol, Pin-ups - und ein Beinahe-Crash: Bei Apollo 12 lief vieles anders, als es die Nasa geplant hatte.

Alan Bean könnte als größter Tollpatsch der Raumfahrt in die Geschichte derselben eingegangen sein. Jedenfalls leistete er sich während des Mondaufenthaltes von Apollo 12 gleich mehrere nicht ganz folgenlose Missgeschicke. Dass ihm der unrühmliche Titel erspart blieb, liegt wahrscheinlich hauptsächlich daran, dass er gleich nach dem Start zu einem Handgriff in der Lage war, der die ganze Mission der zweiten bemannten Mondlandung am 19. November 1969 rettete.

Relativ dazu waren seine Fehler dann doch nicht so bedeutsam. Und Apollo 12 wurde, im Vergleich zum Geschichte machenden Vorgänger, zu einem ziemlich unbeschwerten, lustigen, teilweise auch frivolen Unterfangen. In dem spielten neben den Astronauten und ihrem Gefährt letztlich auch New Yorker Popart-Ikonen, italienische Starreporterinnen und ein paar Pin-up-Girls eine Rolle.

Beans Rettungstat bestand schlicht darin, einen Schalter zu betätigen. Am 14. November war Apollo 12 von Cape Canaveral gestartet. Mitten hinein in ein ordentliches, stürmisches Unwetter. An Bord waren Kommandant Charles "Pete" Conrad, Raumschiffpilot Richard Gordon – und Bean, der Pilot der Landefähre. Nach knapp 37 Sekunden schlug ein Blitz ein, 16 Sekunden später ein weiterer.

Ein Notfall: Nur Bean erinnerte sich an die Übung

Die Rakete samt Nutzlast und Astronauten flog weiter, das Steuersystem funktionierte nach wie vor. Ansonsten aber nichts mehr. Die Energieversorgung der Kabine fiel aus, so ziemlich alle Alarmlampen wurden rot und niemand am Boden oder an Bord wusste, was zu tun war. Sekunden vergingen. Und mehr Sekunden. Flüche und Analyseversuche passierten den Äther. Nichts gelang. Dann kam die Sekunde des John Aaron, Mitglied des Kontrollteams am Boden.

Er erinnerte sich an ein ähnliches Phänomen während eines Tests und sagte zu Flight Controller Gerry Griffin, man sollte es einmal mit "SCE auf Aux" probieren. Griffin hatte nicht die geringste Ahnung, was das bedeutete, gab die Information aber an den Kommunikationsoffizier des Bodenteams, der als einziger die Crew direkt ansprechen durfte, weiter – und der an Kommandant Conrad.

Doch auch der wusste nicht, was gemeint war, was er in den Worten "What the hell is that?" dann auch unmissverständlich kommunizierte. Bean erinnerte sich als einziger an eine Situation, in der ein ähnlicher Fall tatsächlich einmal in einer Übung simuliert worden war. Er fand den Schalter, betätigte ihn, und die Anzeigen, die vorher verrückt gespielt hatten, wurden jetzt wieder mit Energie und korrekt konvertierten Daten versorgt.

Der Flug ging weiter, im Erdorbit wurden die Systeme überprüft. Es stellte sich heraus, dass es keine bedeutenden Schäden zu geben schien. Bean hatte, zusammen mit Aaron, die Mission gerettet, die ansonsten per Rettungssystem im Atlantik geendet hätte. Das Haupttriebwerk wurde gezündet, es schoss Apollo 12 in Richtung Mond, und ab diesem Zeitpunkt verlief alles erst einmal komplett nach offiziellem Nasa-Plan.

Das erste Wort beim Betreten des Mondes: "Woopie"

Einen inoffiziellen Plan hatte Pete Conrad. Ihm war bei Presseterminen die damals schon ziemlich berühmte italienische Reporterin Oriana Fallaci ziemlich auf die Nerven gegangen. Sie hatte behauptet, die Astronauten seien gleichsam komplette Marionetten des Systems und sogar die Worte, die sie beim Betreten des Mondes zur Erde funkten, seien von der Nasa-PR geskriptet. Es gelang ihr, Conrad damit derart zu reizen, dass er sich auf eine Wette um 500 Dollar mit ihr einließ.

Starreporterin Oriana Fallaci verlor eine Wette gegen Astronaut Conrad.
Starreporterin Oriana Fallaci verlor eine Wette gegen Astronaut Conrad.

© epa/ansa/pa/dpa

Nach der reibungslosen Mondlandung im "Ozean der Stürme" stieg er die Leiter des Landemoduls hinunter, auf den Lippen die maximal nicht-staatstragende Flapsigkeit, die ihm einfiel, um die Reporterin Lügen zu strafen: Die auch sehr spontan rüberkommenden Worte "Woopie! Mann, das mag ja ein kleiner Schritt für Neil gewesen sein, aber für mich war es ein ziemlich großer!", dürften sie wohl überzeugt haben. Ihre Wettschuld, so sagte Conrad Jahrzehnte später in einem Interview, habe sie aber nie beglichen.

Alan Bean folgte ihm Minuten später nach. Jetzt sollte die ganz große Show beginnen. Apollo 11 hatte, was die Zeit auf dem Mond angeht, gerade einmal ausgereicht, um einige Fotos zu machen, ein paar Experimentapparaturen aufzustellen, ein bisschen Geröll zu sammeln und einen Anruf des Präsidenten entgegenzunehmen. Die Fernsehbilder waren schwarzweiß, grobkörnig und wackelig gewesen. Bean und Conrad hatten deutlich mehr Zeit. Und Bean hatte eine Farb-Videokamera dabei, die diesmal deutlich mehr Information und Entertainment via bewegter Bilder in die Wohnzimmer der freien Welt senden sollte. Gleich am Anfang allerdings hielt Bean die Linse direkt in die Sonne. Deren Strahl ruinierte den empfindlichen Sensor sofort. Es war eine Katastrophe für die Fernsehanstalten am Boden, die Zuschauern und Werbepartnern qualitativ hochwertige Live-Farbilder vom Mond versprochen hatten. In ihrer Verzweiflung begannen einige Stationen, die Aktivitäten der Astronauten im Studio-Setting mit Schauspielern nachzustellen. Das war kurzfristig mitleiderregend, langfristig wurden aber auf diese Weise Bilder produziert, die den Verschwörungstheoretikern, die bald begannen zu behaupten, der Mensch sei nie auf dem Mond gewesen, als vermeintliches Beweismaterial dienten.

Die Kollegen hatten Playboy-Fotos eingeheftet

Die Crew und das Bodenpersonal ließen sich nichts anmerken und kümmerten sich um die anstehenden Experimente. Und sie hatten, dokumentiert nun nur per Audio, ziemlichen Spaß. Die fehlende Filmkamera verhinderte auch, dass ein paar Späße der Ersatzcrew, die heutzutage kaum jemand mehr lustig finden würde, publik wurden: Die Astronauten trugen Hefte mit Checklisten und Experimentprotokollen am Ärmel, die sie Seite für Seite durchgehen mussten. Die Kollegen hatten dort allerdings auch ein paar Aktfotos aus dem Playboy mit eingeheftet. Weder Conrad noch Bean sagten ein Wort – auch aus Angst, dass der Steuerzahler daheim solchen Unsinn nicht verstehen würde, wie Bean später dem Autor Charles Fishman gestand.

Nach dem Videokamera-Verlust konnte sich Bean dann auch mehr auf das Fotografieren konzentrieren. Er tat das sehr ausgiebig – vergaß allerdings einige der Filmrollen dann auch noch an Ort und Stelle. Sein Versuch, per Selbstauslöser ein Doppelselfie mit Conrad zu machen, scheiterte ebenfalls.

Auch auf dem Mond geblieben ist – zumindest wahrscheinlich – ein Ensemble von Werken sechs damals sehr bekannter Künstler, darunter Andy Warhol, Claes Oldenburg und Robert Rauschenberg. Die Idee dazu hatte der 1941 geborene Bildhauer Forrest Myers, der das Projekt auch durch die offiziellen Nasa-Kanäle zu bekommen versuchte. Er bekam absolut keine Rückmeldung. Über einen Mittelsmann gelang es ihm aber, einen Ingenieur der Firma, die das Landemodul baute, dafür zu gewinnen, das knapp zwei mal anderthalb Zentimeter messende Keramikplättchen mit den sechs Mini-Bildern an einem der Beine zu befestigen. Ein Telegramm eines nach wie vor mysteriösen "John F." vom 12. November, zwei Tage vor Start, meldete Vollzug. Mehr Belege, dass das Objekt namens "Moon Museum" wirklich auf dem Mond ist, gibt es nicht. Nur eine erneute Mission dorthin könnte Klarheit bringen.

Als die Astronauten bereits wieder auf dem Weg zur Erde waren, berichtete die New York Times über diesen Coup der Kunstwelt. Sie zeigte auch ein Foto der Mini-Kachel, auf dem etwa eine einfache Linie Rauschenbergs und eine an Mickey Mouse erinnernde Zeichnung Oldenburgs eingeätzt sind. Ein Daumennagel verdeckt aber die obere linke Ecke. Hinter ihm verbirgt sich Warhols Beitrag, den man als Rakete mit mächtigem Feuerschweif interpretieren kann. Aber auch als Penis.

Am 24. September wasserte die Crew im Südpazifik. Dabei traf etwas, das nicht gut gesichert war, Bean am Kopf, der dann mit sechs Stichen genäht werden musste. Es war eine Kamera.

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