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Mit einem Leslie-Thermometer begann Eunice Foote die Temperatur verschiedener Gasgemische unter Sonneneinstrahlung und im Schatten zu vergleichen. Kohlendioxid fiel ihr dabei als besonders warm auf. Später stieg sie auf "praktischere" Quecksilber-Thermometer um.

© Hellenic Archives of Scientific Instruments

200. Geburtstag von Eunice Foote: Eine Frauenrechtlerin fand heraus, dass CO2 die Erde aufheizt

Eunice wer? Die Frauenrechtlerin und US-Forscherin Eunice Foote ist eine Pionierin der Klimaforschung, doch kaum einer kennt ihren Namen.

Am 17. Juli 1819, also vor genau 200 Jahren, wurde Eunice Foote geboren. Eunice wer? Selbst in ihrem Geburtsort Goshen, einem Städtchen rund 100 Meilen nördlich von New York City, ist ihr Name in Vergessenheit geraten. Wikipedia nennt sie nicht auf der Liste der „erwähnenswerten Menschen“ des Nests in Connecticut. Dabei war diese Frau, soweit heute bekannt, der erste Mensch, der erkannte, dass Kohlendioxid etwas mit dem Klima der Erde zu tun hat.

Eine Frau forscht, ein Mann trägt die Ergebnisse vor

Der Tag, an dem Kohlendioxid erstmals öffentlich als Klimagas vorgestellt wurde, war der 23. August 1856. In Albany im Bundesstaat New York waren Hunderte von Wissenschaftlern aus dem ganzen Land zur Jahrestagung der wenige Jahre zuvor gegründeten „American Association for the Advancement of Science“, kurz AAAS, zusammengekommen – wohl auch Eunice Foote. Über ihre Ausbildung ist nur wenig bekannt. Immerhin aber hielt man ihre wissenschaftliche Qualifikation offenbar für gut genug, um ihren Beitrag in das Tagungsprogramm aufzunehmen: „Circumstances affecting the Heat of the Sun’s Rays“. Seltsamerweise aber durfte sie ihre Forschungen über die „Umstände, die die Hitze der Sonnenstrahlen beeinflussen“, nicht selber vorstellen. Es war vielmehr Joseph Henry, ein Professor von der „Smithsonian Institution“, der den Vortrag an ihrer Stelle hielt. Auch wenn sich die AAAS nach außen durchaus liberal gab und offen war für jedermann und jedefrau, wurde Wissenschaft intern offenbar nach wie vor als Männersache angesehen. Dies zeigte sich auch dadurch, dass der Beitrag von Eunice Foote nicht in den offiziellen Tagungsband aufgenommen wurde.

Einige Wochen später erschien aber ein Bericht über die Tagung in der populärwissenschaftlichen Zeitschrift „Scientific American“. Er enthält unter anderem auch eine Beschreibung der auf der Tagung präsentierten Forschungsergebnisse von Eunice Foote. Und erneut spielte dabei ihr Geschlecht eine Rolle. Schon in seiner Eingangsbemerkung fühlte sich der unbekannte Autor bemüßigt, ausdrücklich auf die offenbar außergewöhnliche Tatsache hinzuweisen, dass die Experimente von einer Frau durchgeführt worden waren – und auch zu betonen, dass er darüber glücklich sei: „This we are happy to say was done by a lady.“

"Absolute Tyrannei des Mannes über die Frau" als Inspiration zu forschen

Eigentlich erstaunlich, dass Eunice Foote diese Ungleichbehandlung einschließlich des gönnerhaften Lobs, soweit wir wissen, kommentarlos hinnahm. Immerhin hatte sie acht Jahre zuvor an der Vorbereitung einer Versammlung mitgewirkt, in der weltweit erstmals ausschließlich über die politische und gesellschaftliche Stellung der Frauen diskutiert worden war. Diese Versammlung in Seneca Falls im Bundesstaat New York, wo sie damals mit ihrer Familie lebte, gilt heute als Beginn der Frauenrechtsbewegung in den USA. Sie endete mit der Formulierung der berühmten „Declaration of Sentiments“, so benannt nach der in ihr enthaltenen Darstellung der „Sentiments“, also der – verletzten – Gefühle von Frauen hinsichtlich einer langen Liste von Ausgrenzungen, Benachteiligungen und Herabsetzungen durch Männer. Die Beschreibung der „absoluten Tyrannei des Mannes über die Frau“ gipfelt in der Feststellung, der Mann habe sich „in jeder ihm möglichen Form bemüht, das Vertrauen der Frauen auf ihre eigenen Fähigkeiten zu zerstören und ihre Selbstachtung herabzusetzen“. Eine der ersten Unterzeichnerinnen dieser Erklärung war Eunice Foote.

Vielleicht ermutigt durch diese „Seneca Falls Convention“ wandte sich Eunice Foote den Naturwissenschaften zu, bis dahin eine reine Männerdomäne. Ihre Experimente weckten zum ersten Mal eine Ahnung davon, welche Bedeutung die Zusammensetzung der Erdatmosphäre für das Klima hat: Eunice Foote füllte Glaszylinder mit verschiedenen Gasen, stellte sie dann ins Sonnenlicht und maß mit einem Thermometer, auf welche Temperaturen sich die jeweiligen Gase nach einiger Zeit erhitzt hatten. Von allen untersuchten Gasen – unter anderem trockene und feuchte Luft, Wasserstoff und Sauerstoff – stieg die Temperatur am höchsten in dem Glas mit Kohlendioxid.

Zweite Sonne: Kohlendioxid als Wärmequelle

Warum ausgerechnet Kohlendioxid den stärksten Erhitzungseffekt zeigte, konnte Foote noch nicht wissen: Wegen seiner speziellen Molekülstruktur – an ein Kohlenstoffatom sind zwei Sauerstoffatome gebunden – kann Kohlendioxid die im Sonnenlicht enthaltene infrarote Wärmestrahlung besonders gut aufnehmen. Das liegt daran, dass manche der infraroten Lichtwellen die Kohlendioxid-Moleküle in Schwingungen versetzen. Diese Eigenschaft beeinflusst auch das Klima der Erde. Denn auch die vom Sonnenlicht erwärmte Erde strahlt infrarote Wärmewellen ab. Das in der Atmosphäre enthaltene Kohlendioxid nimmt einen Teil dieser Wärmestrahlung der Erde auf. Etwa die Hälfte der aufgenommenen Wärmeenergie strahlt es wieder nach oben ins Weltall ab. Die andere Hälfte aber, und das ist der Klima-Clou des Kohlendioxids, strahlt es nach unten zur Erdoberfläche zurück. Atmosphärisches Kohlendioxid verwandelt die irdische Lufthülle also gleichsam in eine zweite Sonne. Unsichtbar für unsere Augen bestrahlt diese atmosphärische Kohlendioxid-Sonne die Erdoberfläche ununterbrochen jahraus, jahrein, Tag und Nacht mit infraroten Wärmewellen. Dadurch steigen die Temperaturen in Bodennähe im Vergleich zu einer Erde ohne atmosphärisches Kohlendioxid im globalen Mittelwert um rund acht Grad Celsius. Erst dieser komplexe Strahlungsmechanismus zwischen der Erde und ihrer Lufthülle, den wir heute etwas irreführend als „Treibhauseffekt“ bezeichnen, verwandelt die Erde in ein mildes Klimaparadies.

Der französische Physiker Jean Baptiste Fourier hatte schon 1824 vermutet, dass die Lufthülle der Erde einen solchen Treibhauseffekt entfalten müsse, weil ohne ihn die Erde deutlich kälter wäre. Mit ihren Experimenten konnte Eunice Foote zwar auch noch nicht erkennen, wie der Treibhauseffekt funktioniert. Immerhin aber lieferten sie die ersten Hinweise, dass Kohlendioxid dabei eine der Hauptrollen spielt. Und wie Raymond Sorensen, ein pensionierter Erdölgeologe, erst vor Kurzem herausfand, war Eunice Foote noch einen entscheidenden Erkenntnisschritt weiter gegangen. Wie er in der November-Ausgabe der Zeitschrift „The American Journal of Science and Arts“ des Jahres 1856 entdeckte, war es ihr doch noch gelungen, ihre Forschungen in einem eigenen wissenschaftlichen Artikel zu veröffentlichen. Und am Ende dieses Artikels zog Eunice Foote aus ihren einfachen Experimenten einen geradezu hellseherischen Schluss: „Wenn, wie manche annehmen, irgendwann in der Geschichte der Erde der Luft ein größerer Anteil davon [von Kohlendioxid, Anmerkung des Autors] beigemischt war als heute, dann hätte sich daraus zwangsläufig eine erhöhte Temperatur ergeben müssen.“ Sie hatte also klipp und klar erkannt: Wenn sich der Gehalt von Kohlendioxid in der Atmosphäre ändert, verändert sich auch das Klima der Erde.

Ignoranz der Altweltforschung gegenüber der Wissenschaft in der Neuen Welt

Bis vor Kurzem galt der irische Naturwissenschaftler John Tyndall einhellig als Entdecker, dass Treibhausgase – allen voran Wasserdampf und Kohlendioxid – das Klima der Erde gestalten können. In der Tat führte auch Tyndall entsprechende Experimente durch – und zwar mit viel größerer wissenschaftlicher Präzision als Eunice Foote. Doch Tyndall war eindeutig später dran: Seine erste Veröffentlichung zu diesem Thema erschien erst 1859 und damit drei Jahre nach Footes Beitrag. Weder in dieser noch in anderen seiner Veröffentlichungen erwähnte Tyndall seine Kollegin jenseits des Atlantiks auch nur mit einem Wort. Hat er sie absichtlich totgeschwiegen? Es gibt nicht den geringsten Beleg dafür. Der britische Wissenschaftshistoriker Roland Jackson meint, dass in den Augen eines europäischen Forschers vom Rang eines John Tyndall die damals noch junge amerikanische Wissenschaft noch nicht viel galt – ebenso wenig wie der Beitrag weiblicher Forscher.

Schon zu Footes und Tyndalls Zeiten vermuteten manche Geologen, dass die Erde einst deutlich wärmere Zeiten erlebt hatte. Beide deuteten in ihren Veröffentlichungen an, dass die vergangenen Klimawandel der Erde auf natürliche Veränderungen des atmosphärischen Kohlendioxidgehalts zurückzuführen seien. Weder Eunice Foote noch John Tyndall kamen jedoch auf die Idee, dass schon in naher Zukunft Kohlendioxid erneut seine wachsende Wirkung als Klimagas entfalten könnte – dann aber nicht aus natürlichen Gründen. Erst im November 1957, also fast genau 100 Jahre nachdem Eunice Foote ihre einfachen Laborversuche durchgeführt hatte, warnte der US-amerikanische Ozeanograph Roger Revelle in einer Vorstadtzeitung Chicagos, der „Hammond Times“, als Erster vor der Gefahr eines wachsenden Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre, falls die Menschheit weiterhin ungehemmt Kohle, Öl und Erdgas verbrennen würde. Revelle gab darin der Gefahr auch ihren heutigen Namen: „Global warming.“ Auch das geriet, wie Eunice Footes Leistung, weitgehend in Vergessenheit. Pioniere der Klimaforschung haben es wohl schwer, berühmt zu werden.

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