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Nicht zuletzt die Tourismus-Branche nimmt Hilfen in Anspruch - und demonstriert für weitere Unterstützung in Berlin.

© imago images/Christian Spicker

Zwischenbilanz der Coronahilfen des Bundes: Noch Luft unter dem Rettungsschirm

Bürgschaften, Kreditgarantien, Zuschüsse – wer bisher von den Maßnahmen des Bundes profitiert hat. Ausgeschöpft sind die Mittel noch lange nicht.

Gekleckert haben sie nicht in der großen Koalition. Es wurde gleich geklotzt. Als Finanzminister Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier im März die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Folgen der Coronakrise vorstellten, ging es um Summen weit über einen normalen Jahreshaushalt hinaus. Alles in allem summieren sich die Hilfen und die Garantien und Bürgschaften auf weit mehr als eine Billion Euro. Kein Industrieland hat so schnell einen solch großen Rettungsschirm gespannt wie Deutschland.

Der größte Posten ist der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), der zur Rettung großer Unternehmen aufgelegt wurde. 600 Milliarden Euro darf er aufnehmen, davon sind 400 Milliarden Euro für Bürgschaften vorgesehen und jeweils 100 Milliarden für direkte Kapitalmaßnahmen (also Staatsbeteiligungen) und zur Refinanzierung von bereits laufenden Programmen der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die Förderbank hat auch die Aufgabe, über mehrere Kreditprogramme – mit unbegrenztem Volumen – kleineren Unternehmen, Selbstständigen und Freiberuflern Liquiditätshilfen zu geben. Dabei sind immer die Hausbanken involviert, deren Risiko der Bund weitgehend übernimmt– so steckt in der Unternehmensrettung ein Stück weit auch schon Vorsorge gegen eine Bankenkrise.

Zahl der Anträge kann noch wachsen

So groß der Schirm ist und damit das Risiko – bisher deutet die Zwischenbilanz nicht darauf hin, dass die Mittel ausgeschöpft werden müssen. Allerdings gehen Ökonomen und Regierung davon aus, dass der Einbruch im zweiten Quartal stärker sein wird als zu Beginn der Krise angenommen. Es ist also nicht auszuschließen, dass die Zahl der Unternehmen, die noch Kredite oder Bürgschaften beantragen, in den kommenden Wochen wächst. Pro Tag laufen bei der KfW mehrere hundert Anträge ein, auch wenn die Dynamik zuletzt etwas nachließ.

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Beantragt wurden bisher Liquiditätshilfen im Umfang von knapp 47 Milliarden Euro. Der weitaus größte Teil der etwa 52500 Anträge, etwa drei Viertel, entfällt auf Kredite bis zu 800000 Euro. Dazu gehören die zu hundert Prozent vom Bund garantierten Schnellkredite für Firmen mit maximal 50 Beschäftigten – sie machen allerdings nur ein knappes Zehntel der Anträge aus. Was kein Wunder ist: Der Zinssatz ist mit drei Prozent deutlich höher als beim normalen KfW-Unternehmerkredit, der nur maximal 1,46 Prozent kostet und bei dem der Bund nur zu 90 Prozent haftet, weshalb die Banken hier eine Risikoprüfung vornehmen.

Kfz-Handel ganz vorn

Beide Kreditangebote werden meist aus Branchen genutzt, in denen die Gewinnmargen gering und entsprechend die Pleiten nie fern sind. Der Kfz-Handel ist ganz vorn dabei, ein Viertel aller Kreditzusagen gingen bisher an solche Unternehmen. Auch aus dem Gastgewerbe und dem Wohnungswesen kommen viele Anträge. Ein Siebtel stammt aus dem Verarbeitenden Gewerbe, wo dann die zugesagten Kreditvolumina größer werden. Allerdings brauchen auch einige größere Adressen Unterstützung: 23 Unternehmen beantragten bisher KfW-Kredite mit mehr als 100 Millionen Euro. Die gut 20 Milliarden Euro, die so zusammenkommen, entsprechen zwei Fünftel der beantragten Mittel. Im Großbürgschaftsprogramm des Bundes sind bisher zehn Anträge gelandet, mit einem Volumen von 2,6 Milliarden Euro. Fünf Unternehmen haben eine Zusage bekommen. Die Bürgschaftsbanken von Bund und Ländern zusammen haben bisher Unterstützungszusagen im Umfang von knapp 450 Millionen Euro gegeben.

Auch Großunternehmen brauchen Hilfe

Drei prominente Fälle sind bekannt. Bei der Lufthansa sind es neun Milliarden Euro, die in einer Verbindung aus KfW-Kredit und Direktbeteiligung via Wirtschaftsstabilisierungsfonds an das Unternehmen fließen könnten. Adidas hat sehr früh eine Liquiditätshilfe in Höhe von 2,4 Milliarden Euro beantragt (auch Konkurrent Puma hat wegen Staatshilfe angeklopft). Beim Tourismuskonzern Tui ging es um insgesamt drei Milliarden Euro.
Als direkte Überbrückung für die kleinsten Mitspieler in der Wirtschaft, nicht zuletzt die Solo-Selbständigen, wurde zusammen mit den Ländern zügig eine Soforthilfe angeboten – Zuschüsse zu den Betriebskosten für drei Monate. Bei Unternehmen bis fünf Beschäftigte konnten bis zu 9000 Euro abgerufen werden, bei bis zu zehn Mitarbeitern bis zu 15000 Euro.

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Die Zuschüsse sind nicht rückzahlbar, müssen aber als Einnahmen in der Steuererklärung auftauchen. Je nach Jahresabschluss fließt also möglicherweise ein Teil wieder an den Fiskus zurück. Laut Bundeswirtschaftsministerium wurden bisher etwa zwei Millionen Anträge für Soforthilfen gestellt. Das Volumen: 12,9 Milliarden Euro. Im Nachtragshaushalt hat Scholz dafür insgesamt 50 Milliarden Euro eingeplant – da ist also noch viel Luft.

Staat verzichtet auf Einnahmen

Als Auffangnetz wurde zudem der Zugang zur Grundsicherung für Selbstständige erleichtert, eine Maßnahme, die Zusatzkosten von bis zu neun Milliarden Euro ausmachen könnte. Davon müssen die Kommunen 2,7 Milliarden Euro übernehmen. Der Vorteil für die Begünstigten: Es findet keine Vermögensprüfung statt, und es gibt einen Anspruch auf Wohngeld.
Aber der Staat hilft nicht nur direkt mit Krediten, Bürgschaften oder Zuschüssen. Ein Teil der Unterstützung läuft über schlichten Einnahmeverzicht. Es werden Unternehmen und Selbstständigen Steuern gestundet, Vorauszahlungen werden gestreckt oder ausgesetzt, es gibt einen Vollstreckungsaufschub. Dadurch haben Bund, Länder und Kommunen schon jetzt einen Einnahmenausfall von mehr als 30 Milliarden Euro, der erst einmal durch Neuverschuldung ausgeglichen werden muss. Größter Einzelposten ist die Herabsetzung von Vorauszahlungen bei der veranlagten Einkommensteuer mit mehr als sieben Milliarden Euro. Die Senkung der Mehrwertsteuer auf sieben Prozent für Speisen in der Gastronomie , die vom 1. Juli an für ein Jahr gilt, kostet den Staat laut Gesetzentwurf 2,7 Milliarden Euro.

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