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Im Vergleich zu 2016 stieg das Verkehrsaufkommen in der Hauptstadt 2018 nochmals leicht. 

© Soeren Stache/dpa

Zweithöchster Wert in Deutschland: Berliner Pendler verlieren pro Jahr 103 Stunden im Stau

Hohe Mietpreise in Städten führen zu mehr Staus auf den Straßen. Denn wer an den Stadtrand zieht, pendelt oft zum Arbeitsplatz in die Innenstadt.

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Berlin ist die Stadt mit den zweitlängsten Stauzeiten in Deutschland. Nur in Hamburg stehen Pendler noch länger. Das ergab der Stau-Index des Navigationsgeräteherstellers TomTom, der bereits zum achten Mal erschienen ist.

Demnach brauchen Autofahrer für eine Strecke von normalerweise 30 Minuten Fahrzeit während der Hauptverkehrszeit am Morgen im Durchschnitt 14, abends sogar 17 Minuten länger als bei freier Fahrt.

Was täglich nur ein paar Minuten ausmacht, summiert sich im Jahr auf 103 Stunden. Besonders viel Geduld müssen Pendler in Berlin am Montagmorgen und Donnerstagabend aufbringen.

Zu diesen Zeiten floss der Verkehr besonders zäh. Entspannter kommen sie laut TomTom in der Regel am Freitagmorgen oder Montagabend durch. Dann ist auf den Straßen vergleichsweise wenig los.

Im Vergleich zu 2016, wo der Stauindex zuletzt erschienen ist, stieg das Verkehrsaufkommen in der Hauptstadt damit 2018 nochmals leicht. Das gilt nicht nur in Berlin, sondern für alle 25 untersuchte deutsche Städte. Nach Hamburg und Berlin belegen Nürnberg und Bremen Platz drei und vier unter den zehn staureichsten Städten.

Bei letzteren beiden ließen sich die langen Stauzeiten jedoch maßgeblich auf Baustellen entlang der „Hauptverkehrsadern“ der Stadt zurückführen, sagt Ralf-Peter Schäfer, Leiter des Geschäftsbereichs Verkehrsinformationen und -dienste bei TomTom in Berlin. Schäfer verantwortet die Erstellung des Traffic Indexes.

Unter die Top Ten der staureichsten Städte in Deutschland haben es außerdem Stuttgart, München, Bonn, Frankfurt am Main, Dresden und Köln „geschafft“. Für den aktuellen Traffic Index wurden mehr als 400.000.000 tatsächlich gefahrene Kilometer ausgewertet.

Hohe Mietpreise führen zu Staus

Anhand der Daten lässt sich laut Verkehrsexperte Schäfer ein Trend erkennen: Städte, in denen der Mietpreis pro Quadratmeter besonders hoch ist oder in den vergangenen Jahren gestiegen ist, landen auch im Traffic Index auf den vorderen Plätzen. Dort seien die Menschen offenbar besonders häufig gezwungen, ihren Wohnort an den Stadtrand zu verlegen und dann zu ihrem Arbeitsplatz in die Innenstadt zu pendeln.

Auch ist die Anzahl der Pkw-Zulassungen von 2017 auf 2018 erneut von 45,8 Millionen auf 46,5 Millionen gestiegen, wie die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) zeigen.

Heiner Monheim überraschen die Ergebnisse nicht. Der Verkehrswissenschaftler macht die „verfehlte Verkehrspolitik“ der Bundesregierung für die stetig steigenden Stauzeiten auf deutschen Straßen verantwortlich. „Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer muss endlich die Prioritäten richtig setzen“, fordert der Professor, der früher Raumentwicklung an der Uni Trier lehrte.

Statt Autobahnen und Schnellstraßen um zusätzliche Spuren zu erweitern, müsse in den Ausbau von Radschnellwegen und intelligente Verkehrssysteme investiert werden, so Monheim und verweist auf die Niederlande, wo die Regierung bereits reagiert habe. Ursprünglich für den Straßenbau vorgesehene Mittel seien dort umgewidmet worden und flössen nun in zusätzliche Radwege.

Tempolimit würde Stauursachen vermeiden

Monheim: „Um die Straßen hierzulande sicherer zu machen und die Stehzeiten für Autofahrer zu reduzieren, benötigen wir außerdem ein Tempolimit in den Ballungsräumen.“ Damit ließen sich viele Stauursachen wie schwere Unfälle, ungleichmäßige Geschwindigkeiten und überflüssige Überholvorgänge vermeiden. Außerdem brauche es Alternativen zum privaten Pkw.

„Deutschland braucht dringend ein S-Bahn-Programm zum Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs“, so der Professor. Die Bundesrepublik stellt im weltweiten Vergleich allerdings keine Ausnahme dar, wie der Stau-Index zeigt: In 75 Prozent der von Tom-Tom ausgewertete Städte hat der Verkehr im Vergleich zum letzten Untersuchungszeitraum zugenommen oder ist zumindest stabil geblieben. In Südamerika war nahezu in jeder Stadt ein Zuwachs an Verkehr zu verzeichnen, vor allem in der peruanischen Hauptstadt Lima.

Es gibt auch gute Nachrichten: In 90 Städten standen die Menschen laut der Analyse weniger lange im Stau als noch 2016. Das war beispielsweise in Asien der Fall, vor allem in der indonesischen Hauptstadt Jakarta und in Istanbul (Türkei). Dort ist das Verkehrsaufkommen um sechs beziehungsweise acht Prozent gefallen.

Im Vergleich mit den Metropolen weltweit belegen Jakarta und Istanbul die Plätze sechs und sieben unter den Stauhauptstädten. Berlin kommt im globalen Ranking übrigens auf Platz 91, Hamburg auf 67. Die stärksten Nerven brauchen die Menschen im indischen Mumbai.

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