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Cecilia Rouse (links) sitzt bald dem US-Sachverständigenrat vor.

© AFP

Zwei Frauen für die US-Wirtschaft: Auf diese Ökonominnen hört Joe Biden

Mehr Jobs, weniger Ungleichheit: Cecilia Rouse und Janet Yellen sollen dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden helfen, das Land zu einen. Die Erfahrung bringen sie dafür mit.

Von Carla Neuhaus

Es sind zwei Zahlen, die Cecilia Rouse derzeit umtreiben: 22 Millionen Jobs sind in den USA seit Beginn der Corona-Pandemie verloren gegangen – doch nur gut zwölf Millionen Arbeitsplätze konnten bislang zurückgewonnen werden. Einen solchen Schock habe der US-Arbeitsmarkt seit der Weltwirtschaftskrise 1929 nicht mehr erlebt, sagt die Princeton-Ökonomin. Entsprechend groß ist die Aufgabe, die nun vor ihr liegt. Denn Rouse soll den künftigen US-Präsidenten Joe Biden beim Wiederaufbau des Arbeitsmarktes helfen. Der Demokrat hat sie für den Chefposten des amerikanischen Sachverständigenrats vorgeschlagen, den Council of Economic Advisers.

Der hat im Vergleich zum deutschen Pendant  sehr viel mehr Einfluss auf die Politik. Denn während die Vorschläge der deutschen Wirtschaftsweisen für die Bundesregierung nicht bindend sind, steht der Council in den USA dem Weißen Haus recht nahe. Deshalb werden die Posten anders als hierzulande auch sin der Regel stark nach Parteibuch besetzt. Bei wichtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen sitzen die Top-Ökonomen dafür mit am Tisch, liefern die nötigen Daten und Analysen, geben Ratschläge. Zumindest normalerweise. Denn unter Donald Trump war ihr Einfluss begrenzt. Der bisherige Vorsitzende des Gremiums, Tomas Philipson, hat seinen Posten im Sommer vorzeitig abgegeben und ist früher als geplant an die Universität Chicago zurückgekehrt. Ein Grund dafür soll politischer Zwist gewesen sein.

Biden will mehr auf die Wissenschaft vertrauen

Anders als sein Vorgänger will Biden der Wissenschaft nun jedoch wieder einen höheren Stellenwert beimessen. So dürfte auch der Sachverständigenrat für Wirtschaft unter seiner Präsidentschaft an Bedeutung gewinnen.

Vor der Vereidigung: Der künftige US-Präsident Joe Biden will mehr auf die Wissenschaftler hören als sein Vorgänger.
Vor der Vereidigung: Der künftige US-Präsident Joe Biden will mehr auf die Wissenschaftler hören als sein Vorgänger.

© AFP

Mit Cecilia Rouse wird das Gremium der Top-Ökonomen erstmals von einer Afroamerikanerin geleitet werden. Mitglied im Sachverständigen war Rouse im Sachverständigenrat allerdings schon einmal – nämlich unter Barack Obama.

Auch damals steckte das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise. Nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers haben ebenfalls Millionen Menschen in den USA ihren Job verloren. Dass Rouse damals wie heute zu den wichtigsten Wirtschaftsberatern des Präsidenten zählt, überrascht nicht. Seit Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere erforscht sie den Arbeitsmarkt. Warum verschwinden Jobs? Welche Rolle spielt die Bildung bei den Aufstiegschancen? Wie bekommen Menschen langfristig eine bessere Perspektive am Arbeitsmarkt? Antworten darauf sucht sie derzeit an der Universität Princeton, wo sie Dekanin der School of Public and International Affairs ist.

Die Corona-Krise hat die Ungleichheit in den USA verschärft

Einen Vorschlag, wie Biden mit der aktuellen Krise umgehen sollte, hat Rouse bereits: „Wir müssen ein Sicherheitsnetz für Haushalte, Unternehmen und Gemeinden schaffen, damit sie unversehrt auf die andere Seite dieser Pandemie kommen“, sagt sie. Damit unterstützt die Ökonomin Bidens Plan für ein umfangreiches Konjunkturprogramm, das unter anderem Konsumchecks in Höhe von 1400 Dollar für jeden Amerikaner vorsieht. Auch will er die Arbeitslosenhilfe ausweiten und verlängern.

Helfen will Rouse aber nicht nur kurzfristig. Immer wieder hat sie sich in ihrer Forschung auch mit der Ungleichheit im Wirtschaftsleben beschäftigt. So hat sie zum Beispiel zusammen mit Harvard-Ökonomin Claudia Goldin nachgewiesen, dass Frauen bei der Besetzung von Symphonieorchestern systematisch benachteiligt werden. Nur wenn die Auswahl blind erfolgt – das Auswahlgremium also nicht sehen kann, ob gerade ein Musiker oder eine Musikerin vorspielt – landen ihrer Analyse zufolge mehr Frauen im Orchester.

Und auch in der aktuellen Krise macht sich Rouse Gedanken um die Ungleichheit. Denn die Folgen der Corona-Pandemie treffen vor allem die Ärmsten in der Gesellschaft hart: Nicht nur können sie seltener im Homeoffice arbeiten, sie verlieren auch eher ihren Job und sind kaum abgesichert. In den USA gilt das noch sehr viel mehr als hierzulande. „Strukturelle Ungleichheiten, die schon immer in unserer Wirtschaft existiert haben, werden so sehr verstärkt wie niemals zu vor“, warnt Rouse deshalb.

Janet Yellen war Chefin der US-Notenbank Fed. Unter Biden soll sie Finanzministerin werden.
Janet Yellen war Chefin der US-Notenbank Fed. Unter Biden soll sie Finanzministerin werden.

© REUTERS

Unterstützung bekommt sie im Kampf gegen die Ungleichheit von Janet Yellen, die Bidens Team als Finanzministerin angehören soll. Yellen wird die erste Frau auf dem Posten sein, so wie sie zuvor die erste Frau an der Spitze der US-Notenbank Fed war. Als deren Chefin hat sie unter Trump die Zinsen angehoben – sehr zum Missfallen des Präsidenten.

Die Pandemie trifft vor allem die Ärmsten stark

Die Ungleichheit ist auch für Yellen ein großes Thema. Aufgewachsen ist sie in Brooklyn, wo ihr Vater als Arzt Hafenarbeiter behandelt hat. Ökonomin sei sie geworden, „weil es mich umtrieb, wie bedrückend Arbeitslosigkeit für Menschen, Familien und Gemeinschaften ist“. Dass aufgrund von Corona nun die Ungleichheit im Land wieder wächst, beschreibt sie als „amerikanische Tragödie“. Die Politik müsse jetzt schnell handeln. Untätigkeit habe derzeit verheerende Folgen, so Yellen.

Sie und Rouse wollen unter Biden deshalb einen Beitrag leisten, um das amerikanische Wirtschaftssystem ein Stück weit gerechter zu machen. Die Krise sei so gesehen eine Chance, meint Rouse. Ihr Traum: ein System, „das für alle funktioniert und niemanden fallen lässt“.

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