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In der Leitwarte von 50Hertz im brandenburgischen Neuenhagen Brandenburg wird der Stromfluss stetig dem Bedarf angepasst.

© dpa

Zukunft der Energie: Wie die Energiewende gelingen kann

70 Millionen Euro, sechs Bundesländer und Berlin mittendrin – das ist das spektakuläre Pilotprojekt WindNode.

Es war kurz vor Weihnachten 2016, da machte Rainer Baake, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, den Projektpartnern ein Geschenk. Er sagte 37 Millionen Euro Fördermittel zu für WindNode, die Nordostdeutsche Modellregion für intelligente Energien. Etwa die gleiche Summe kommt von 50 Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft.

WindNode will in Berlin und den fünf ostdeutschen Bundesländern zeigen, dass die Energiewende machbar und bezahlbar ist: „Das Projekt soll demonstrieren, dass auch bei überwiegenden Anteilen Erneuerbarer Energien der Strom dann, wenn Wind und Sonne ihn liefern, sinnvoll genutzt oder effizient gespeichert werden kann“, so die Selbstbeschreibung. Damit der Beweis gelingt, müsse der Ökostrom dauerhaft in das Gesamtsystem der Strom- und Wärmeversorgung sowie des Mobilitätssektors fließen können.

Berlin hat bei WindNode allein schon deshalb eine besondere Rolle, weil die Millionenmetropole am meisten Strom verbraucht. Entsprechend verlockend ist das Erfolgspotenzial. Hier lässt sich im großen Maßstab experimentieren, wie sich Verbraucher in der Industrie, im Verkehr und in Wohnquartieren intelligent miteinander verknüpfen und der Stromfluss so besser gesteuert werden kann. Und es gibt einen Werbeeffekt. „Wenn wir ein Schaufensterprojekt für das deutsche Großvorhaben Energiewende machen, schauen Interessierte eben gerne in der Hauptstadt vorbei“, sagt Projektleiter Markus Graebig. Intelligente Energie als Touristenattraktion? Graebig schwebt das durchaus vor: „Wir sind mit der Senatsverwaltung im Gespräch, ob wir nicht so etwas wie besuchbare Orte schaffen mit dem Ziel, dass Menschen weggehen mit der Botschaft: Berlin zeigt uns, wie intelligente Energieversorgung funktionieren kann.“

Ministerpräsidenten, Professoren und Wirtschaftsbosse ziehen an einem Strang

Noch sind es also fast drei Jahre, bis belastbare Ergebnisse vorliegen. Aber er gibt sich zuversichtlich: „Natürlich kann ich heute noch wenige konkrete materielle Beispiele aufzeigen, aber nach einem Jahr ist es ein erstes wichtiges Ergebnis, dass der Plattformgedanke der beteiligten Projektpartner hervorragend funktioniert.“ Und in der Tat: Sechs Bundesländer mit ihren Ministerpräsidenten unterschiedlicher politischer Couleur, Professoren und Wirtschaftsbosse ziehen ohne Kompetenzgerangel an einem Strang. „Gerade in Berlin wurde oft darüber diskutiert, wie man es schaffen kann, so etwas wie eine Energiewende-Agentur zu kreieren“, sagt Graebig. „Diesen Netzwerkgedanken haben wir nun ein Stück weit verwirklicht, und wir haben dabei eine enorm lebendige Plattform in ganz Ostdeutschland aufgebaut.“

An neun Bausteinen eines intelligenten Energiesystems arbeiten die Partner zunächst unabhängig voneinander: Dazu gehören zum Beispiel eine IKT-Vernetzungsplattform als „Datendrehscheibe“ sowie effiziente Betriebskonzepte für Stromnetze, aber auch Themen wie vernetzte Endkunden und Quartierkonzepte im Sinne einer Smart City.

Am Ende soll ein solides Fundament für die Energiewende stehen. „Wir organisieren zu den neun Arbeitspaketen Querschnittsbegegnungen und erkennen nun beispielsweise, dass wir zum ,Was-passiert-wenn‘ Prognosen benötigen“, sagt Markus Graebig. „Das war im Projektantrag noch gar nicht angelegt, aber wir erkennen durch die intensive Zusammenarbeit, dass wir dafür eine super Plattform haben.“

Es geht darum, Ängste zu nehmen und Chancen zu erklären

Unter dem Schlagwort „Partizipation und Dissemination“ gehe es außerdem um die Schaufensterfunktion, erklärt der Projektleiter: „Wie können wir Ergebnisse transferieren und dafür Akzeptanz bekommen? Wobei der Begriff ,Akzeptanz‘ für mich eigentlich zu schwach ist. Bei einem Projekt wie der Energiewende wünsche ich mir mehr Begeisterung anstatt nur Akzeptanz.“

Graebig ist seine Begeisterung anzumerken, selbst wenn er WindNode nüchtern betrachtet. „Natürlich können wir mit 70 Millionen Euro nicht den großen Systemumbau katalysieren. Uns geht es viel mehr darum, dass wir eine Reihe anfassbarer und erprobter Musterlösungen schaffen, anhand derer man lernen kann, mit diesen Volatilitäten und Flexibilitäten im Zusammenhang mit Strom aus erneuerbaren Energien umzugehen.“ Blaupausen sollten entwickelt werden.

Zahlen wie „X Megawatt“ eingesparter Kraftwerksleistung oder „Y Tonnen“ vermiedener CO2-Emissionen hat der Projektleiter nicht parat. Er will das Auge auf andere Dinge lenken: Wie kann man den Beteiligten Ängste nehmen und Chancen erklären? Welche Perspektiven für neue Arbeitsplätze kann man entwickeln? Das Projekt WindNode läuft bis Ende 2020: Mal sehen, was das Schaufenster an der Spree dann zu zeigen hat.

Der Autor ist Herausgeber des Fachmagazins "Energie & Management".

Helmut Sendner

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