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Die bestehenden Arbeitsschutzgesetze müssen Arbeitgeber aber auch einhalten, wenn ihre Mitarbeiter zu Hause arbeiten“, sagt Oliver Stettes vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

© dpa/Annette Riedl

Zuhause arbeiten: Welche Rechte habe ich im Homeoffice?

Vom ergonomischen Arbeitsplatz bis zum Unfall auf der Kellertreppe: Was für Mitarbeiter gilt, die ihren Job daheim erledigen.

Der Streit ist im vollen Gange. Seit die Homeofficepflicht zum 1. Juli aufgehoben wurde, bringen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände die Argumente auf den Tisch, die für oder gegen mehr gesetzliche Vorgaben zum Arbeiten von Zuhause sprechen sollen. Dabei gibt es ein babylonisches Begriffswirrwarr. Homeoffice, Mobiles Arbeiten, Telearbeit, Remote Work oder Flexible Work? Wofür steht was? Und welche Folgen hat es für die Mitarbeiter, wenn in der Betriebsvereinbarung ihres Unternehmens der eine oder andere Begriff auftaucht?

Mobiles Arbeiten ist der Oberbegriff

„Die Wortschöpfungen sind vielfältig“, sagt Nils Backhaus, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Mobiles Arbeiten ist der Oberbegriff und beschreibt eine sporadische, nicht unbedingt ganztägige Arbeit mit Rechner, Laptop oder Tablet, die nicht an das Büro im Betrieb und auch nicht an den Arbeitsplatz zu Hause gebunden sind. „Man kann also genauso gut im Café oder im Flugzeug arbeiten“, erklärt Backhaus. Das Homeoffice sei dem mobilen Arbeiten untergeordnet und bezeichne das mit dem Arbeitgeber über Informationstechnologien vernetzte Arbeiten aus dem Privatbereich. Außerhalb der Pandemie-Verordnungen taucht in den Gesetzen bisher aber keiner der beiden Begriffe auf.

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„Rechtlich eindeutig definiert ist nur der Begriff Telearbeit“, erklärt der Wissenschaftler. Seit 2016 gebe es dazu klare Vorgaben in der Arbeitsstättenverordnung. „Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Mitarbeiter Zuhause oder an einem anderen Ort einen Telearbeitsplatz einzurichten, der den Arbeitsschutzanforderungen eines Arbeitsplatzes im Unternehmen entspricht“, so Backhaus. Vom Bildschirm über den ergonomischen Stuhl bis zum Lichteinfall auf den Schreibtisch sei daheim alles so einzurichten wie im Büro. Es müsse ähnliche Schutzmaßnahmen geben und eine entsprechende Gefährdungsbeurteilung. Inwieweit Firmen das Gesetz vor Corona umgesetzt haben und wie viele heute danach Mitarbeitern Arbeitsplätze einrichten, dazu gebe es keine Erhebungen.

Auch Zuhause gelten die elf Stunden Ruhezeit

„Für mobiles Arbeiten und Homeoffice gibt es zwar kein spezielles Gesetz. Die bestehenden Arbeitsschutzgesetze müssen Arbeitgeber aber auch einhalten, wenn ihre Mitarbeiter zu Hause arbeiten“, sagt Oliver Stettes vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Auch im Homeoffice gelten die elf Stunden Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen, ist ab sechs Stunden Arbeitszeit eine halbe Stunde Pause einzuhalten“, erklärt er.

Beim Arbeiten im Homeoffice gebe es noch einige Fragen zu regeln, meint dagegen Forscher Backhaus. Was, wenn ein Mitarbeiter an Rückenschmerzen erkrankt, weil sein Arbeitsplatz nicht ergonomisch eingerichtet ist? Wer kommt dafür auf, wenn das Kind den Arbeitsrechner kaputt macht? Schon vor Corona hätten nur 20 Prozent der Arbeitgeber die psychischen Gefährdungen von Mitarbeitern im Betrieb berücksichtigt. „Wie soll das erst werden, wenn die Beschäftigten nicht mehr im Büro arbeiten?“, fragt er.

Immerhin beim Unfallschutz hat der Gesetzgeber Ende Juni eine neue Regelung bestimmt, berichtet Till Bender vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Rechtsschutz. Im Rahmen des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes sei der Unfallschutz für mobil arbeitende Mitarbeiter ausgeweitet worden. „Wenn sich jetzt jemand beim Wasserholen auf der Kellertreppe verletzt, greift die berufliche Unfallversicherung“, sagt er. Bisher seien dafür die Krankenkassen aufgekommen – und die Betroffenen hätten sich mit den niedrigeren Versicherungsleistungen abfinden müssen. Bei Wegeunfällen sei es ähnlich: Die Berufsunfallversicherung greift nun, wenn etwa ein Vater sein Kind zur Kita bringe und sich auf dem Rückweg ins Homeoffice den Fuß breche.

Betriebsvereinbarungen geben Rahmenrichtlinien vor

Brauchen wir weitere Gesetze fürs Homeoffice? „Wir haben bereits viele Vorgaben zum Arbeitsschutz, müssen sie aber unter dem Dach des mobilen Arbeitens bündeln, um sie transparenter zu machen und ihren Stellenwert zu verdeutlichen“, sagt Bender. IW-Wissenschaftler Stettes meint: „In den meisten Unternehmen geben die Betriebsräte Rahmenrichtlinien für die Mitarbeiter vor, in denen etwa auch Empfehlungen zum Einhalten des Arbeitszeitgesetzes festgeschrieben sind. Das reicht.“

Etwa jeder dritte Beschäftigte habe in den eigenen vier Wänden keinen festen Arbeitsplatz und setze sich mit Laptop an den Küchentisch oder aufs Sofa, habe eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) ergeben, sagt Wissenschaftler Backhaus. Deshalb meint er: „Langfristig ist es nötig, für alle Mitarbeiter, die häufig und regelmäßig zu Hause arbeiten, einen Telearbeitsplatz einzurichten.“

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