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Mit Direktverbindungen sollen Zugreisende schneller zum Flughafen Frankfurt am Main kommen. Das hoffen Berthold Huber (rechts), Vorstand Personenverkehr bei der Bahn, und Harry Hohmeister, Vorstandsmitglied der Lufthansa.

© dpa

Zugfahren statt Fliegen im Inland: Lufthansa und Bahn setzen auf Zubringer-Züge

Lufthansa und Bahn bauen ihre Kooperation aus. Zugfahrten sollen manche Inlandsflüge ersetzen. Umweltschützern aber geht das nicht weit genug.

Als nach sechseinhalb Jahren Bauzeit 2002 die Neubaustrecke von Köln nach Frankfurt am Main endlich eröffnet wurde, durchwehte ein Hauch von weiter Welt den Kölner Hauptbahnhof. Nun düsten die ICE-Züge mit 300 km/h gen Süden, und von der altehrwürdigen Station ging es plötzlich auch nach New York, Peking und Johannesburg. In einem kleinen Geschäft unter Gleis 9 richtete die Lufthansa einen Check-In-Schalter ein, die Reisenden gaben ihren Koffer auf, fuhren eine Stunde zum Frankfurter Flughafen und flogen von dort in alle Welt.

„Airrail“ nannte die Lufthansa das Angebot, für das der Kölner Hauptbahnhof den IATA-Code QKL erhielt. Bei den Kölner:innen war das Programm sofort beliebt. 2007 stellte die Airline deshalb die verbleibenden Flüge von Köln/Bonn nach Frankfurt ein. Inzwischen kann man aus 17 deutschen Städten mit dem ICE zum Frankfurter Flughafen „fliegen“ – inklusive Flugbegleiter:innen von der Lufthansa. Nur das Gepäck müssen die Reisenden wieder selbst in Frankfurt beim Check-in-Schalter abgeben. Auch international wurde das Modell kopiert. So gibt es „Kurzstreckenflüge“ mit dem Zug inzwischen auch von Amsterdam Schiphol, Paris Charles de Gaulle und Wien-Schwechat.

Bahn und Lufthansa kooperieren bei Sprinter-ICE

Doch einer kritischen Öffentlichkeit genügt das nicht mehr. Mit Fridays for Future wurde die Forderung populär, klimaschädliche Inlandsflüge ganz zu verbieten. Darauf reagieren Lufthansa und Deutsche Bahn nun. An diesem Montag haben die ungleichen Partner bekanntgeben, wie sie mehr Inlandsflüge durch ICE-Fahrten ersetzen wollen.

Zweimal am Tag wollen Deutsche Bahn und Lufthansa dafür zusammen Sprinterzüge zwischen München, Frankfurt Flughafen und Düsseldorf  betreiben, wie die Bahn vorab verbreiten ließ. Die Fahrt soll 30 Minuten schneller als mit herkömmlichen ICEs sein. In drei Stunden sind die Reisenden von München über Nürnberg am Frankfurter Flughafen, in knapp vier Stunden in Köln, kurz darauf erreicht der Zug Düsseldorf. Möglich macht diese Beschleunigung vor allem eine Vorbeifahrt am Frankfurter Hauptbahnhof. Der Sprinter erinnert damit an den TGV. Die französische Staatsbahn SNCF setzt im Hochgeschwindigkeitsverkehr seit jeher auf Direktverbindungen zwischen Paris und weiteren Metropolen und fährt dafür auch an Großstädten vorbei. Damit hat der Schnellzug viele Inlandsflüge aus dem Markt gedrängt.

An Inlandsflügen will die Lufthansa aber grundsätzlich festhalten. Der Umstieg auf den ICE als Zubringer erfolgt nur halbherzig. So bietet der Konzern bereits heute von Düsseldorf und Nürnberg Bahnfahrten mit Lufthansa-Ticket an. Auf beiden Strecken ist die Airline bisher allerdings auch mit eigenen Maschinen unterwegs.

Airlines sind genervt von der Bahn

Bahn-Boss Richard Lutz und Lufthansa-Chef Carsten Spohr, die inzwischen auch gemeinsam Interviews geben, waren vor der Coronakrise nicht immer ein Herz und eine Seele. Vor dem Klimagipfel von Madrid rief die Bahn, pikanterweise immer noch einer der größten Abnehmer von Kohlestrom hierzulande, in knalligen Werbeanzeigen zum Verzicht auf CO2-intensive Flugreisen auf. Spohr griff zum Smartphone und schrieb dem CEO-Kollegen eine böse SMS. So wurde es jedenfalls später überliefert. Das war im Spätherbst 2019, kurz nach dem aufgeregten „Flugscham“-Sommer.

Schon damals zeigte sich die Luftverkehrsbranche frustriert von den langsamen Fortschritten der Bahn bei den Bemühungen, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern. Aus Sicht der Airlines sind viele kurze Zubringerflüge zu ihren Drehkreuzen verzichtbar – viel Geld verdienen sie damit ohnehin nicht.

Andere Drehkreuze verhindern mehr Zubringerzüge

Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) sieht die nun vereinbarte Kooperation deshalb auch nur als einen „Zwischenschritt“. „Unser politisches Ziel ist es, den innerdeutschen Flugverkehr ganz abzuschaffen“, sagt er Tagesspiegel Background. Bereits 2015 habe der VCD zusammen mit anderen NGOs ein Konzept vorgelegt, wie man 200.000 Flüge innerhalb Deutschlands und in Nachbarstaaten bequem durch Zugfahrten ersetzen könne. Darin war auch vom „Bahn-Feederverkehren zu den großen Drehkreuzflughäfen“ die Rede. Demgegenüber bleibe das Konzept von Lufthansa und DB „inkonsequent“, sagt Müller-Görnert.

Die Passagiere müssten aber schnell und bequem ihren Flieger in Frankfurt oder München erreichen können, heißt es dagegen von der Luftfahrtbranche. Sonst fliegen sie eben gleich von Berlin nach Doha oder London und von Hamburg nach Dubai oder Amsterdam und dann weiter nach Asien. Deshalb gibt es auch noch Anschlussflüge von Nürnberg nach München, was Klimaschützer:innen aufregt. „Wir stehen zuerst im globalen Wettbewerb mit anderen Fluggesellschaften und weniger im Wettbewerb mit der Bahn im Inland“, sagte Spohr 2019.

Politischer Druck sorgt für Bewegung

Immer wieder verkündeten die größte Airline des Landes und der Schienen-Staatskonzern deshalb, ihre Zusammenarbeit auszubauen. Seit Jahren etwa wird „Express Rail“ – der Nachfolger des Airrail-Programms – beworben, mit dem die Lufthansa Zubringerzüge in ihr Netzwerk integriert. Von den Bahnhöfen Aachen, Düsseldorf, Köln, Stuttgart und Ulm wurde 2019 die Zahl der wöchentlichen Bahn-Verbindungen zum Frankfurter Flughafen um rund 160 auf knapp 400 erhöht. Da die Bahnfahrt Teil des Flugtickets wurde, sind Zugverspätungen seitdem auch ein Problem der Fluglinie: Wer es nicht pünktlich zum Airport schafft, wird auf eine spätere Verbindung umgebucht.

Erst in Frankfurt am Main sollen die Deutschen in den Flieger nach London steigen.
Erst in Frankfurt am Main sollen die Deutschen in den Flieger nach London steigen.

© picture alliance / Sven Hoppe/dpa

Nicht zuletzt die Staatshilfen, der gestiegene Einfluss der Politik und die Kritik an den fehlenden Klimaschutz-Auflagen beim Rettungspaket, lassen Lufthansa und Bahn nun erneut näher zusammenrücken. Neben der Verbindung von München nach Düsseldorf wird es auch zwischen Hamburg und Frankfurt eine Kooperation geben. Dafür wird eine bestehende Sprinterverbindung zum Frankfurter Flughafen verlängert. Auf beiden Strecken sollen eigene Bahnabteile für weiterreisende Passagiere der Kranich-Airline reserviert werden.

Auch die Deutsche Bahn verspürt den Druck der Politik, durch mehr Sprinter-Verbindungen Inlandsflüge überflüssig zu machen. Dreimal am Tag wird die Bahn deshalb nun von Berlin ohne Zwischenhalt nach Köln und Bonn und zurück fahren. Von Köln nach Berlin brauchen die ICE-Züge so nur vier Stunden. Der Bahnbeauftragte der Bundesregierung Enak Ferlemann (CDU) will, dass die Züge zwischen Bonn und Berlin in Zukunft in unter vier Stunden unterwegs sind. Dafür soll die Strecke im nächsten Jahrzehnt ausgebaut werden. Dadurch möchte Ferlemann die berühmten „Beamtenflüge“ zwischen beiden Regierungssitzen durch Bahnfahrten ersetzen.

Airports in Berlin und München fehlt ICE-Anschluss

Lufthansa-Chef Spohr hatte bei der Vorstellung der Jahresbilanz am Donnerstag noch einmal betont, dass die Fluggesellschaft intensiv an einer noch engeren Vernetzung mit der Deutschen Bahn arbeite. Neben gemeinsamen Strecken in Deutschland solle mit der Bahn auch ein „gemeinsames Produkt“ auf den Markt gebracht werden – Arbeitstitel: „Rail-Express“.

Ein Grundproblem kann aber auch die gemeinsame Vermarktung von Bahnverbindungen nicht lösen. So gibt es noch immer Flughäfen, die nicht ans ICE-Netz angeschlossen sind. Das trifft besonders das Drehkreuz München, demnächst aber auch den Berliner Flughafen, zu dem bislang lediglich vereinzelte IC-Fahrten geplant sind.       

Felix Wadewitz; Caspar Schwietering

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