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Eine Million schlachtreife Schweine, so befürchten die  Bauern, könnten Ende des Jahres in den Ställen stehen, weil zu wenig geschlachtet wird.

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Zu viele Schweine im Stall: Sauschwere Zeiten

Die Bauern werden ihre Tiere nicht los: Corona und Schweinepest drücken die Preise. Weil Schlachtkapazitäten fehlen, gibt es einen Stau in den Ställen.

Die Schweinehalter bekommen ihre Tiere nicht geschlachtet. Und wenn doch, dann zu einem Marktpreis, der kaum die Kosten deckt. Am Freitag diskutierte die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) mit ihren Kolleginnen aus Niedersachsen und NRW sowie Branchenvertreter Auswege aus der Misere. Kurzfristig wirksam sind vor allem längere Betriebszeiten und womöglich Wochenendarbeit in den Schlachthöfen. Die zwei Bundesländer wollen das genehmigen, wenn die Landwirte „Überhänge in den Ställen“ belegen können.

Erst Corona, dann die Schweinepest

Die Schweinehalter erleben ein Horrorjahr. Im Frühsommer führten massenhafte Corona-Infektionen zur Schließung von Schlachthöfen, darunter mit Tönnies in Rheda-Wiedenbrück und Westfleisch in Coesfeld zwei der größten Schlachter überhaupt. In den beiden Betrieben wird zwar wieder geschlachtet und zerlegt, doch aufgrund der Coronaauflagen mit einer geringeren Kapazitätsauslastung. Nachdem sich die Fleischwirtschaft einigermaßen vom Corona-Schock erholt hatte, tauchte in Brandenburg der erste Fall der Afrikanischen Schweinepest auf, woraufhin unter anderem die Chinesen ein Importverbot für Schweinefleisch aus deutschen Landen verhängten. Das ist bitter für die Schweinemäster, denn das sogenannte fünfte Viertel – Ohren, Füße und Schwänze – wurde mit Gewinn nach China verkauft.

Der Preis ist abgestürzt

Mit der Schweinepest stürzte der Kilopreis für das Schlachtschwein (ohne Innereien) von 1,47 Euro auf 1,24 Euro ab. Das ist schon schlimm genug, doch von der zweiten Corona-Welle sind auch wieder Schlachthöfe betroffen: ein Tönnies-Betrieb im Emsland sowie ein Vion- Schlachthof in Cloppenburg.

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner präsentiert das Logo des neuen "Nutri Scores", der die Verbraucher beim Einkaufen Orientierung geben soll.
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner präsentiert das Logo des neuen "Nutri Scores", der die Verbraucher beim Einkaufen Orientierung geben soll.

© dpa

Bei der Tönnies-Tochter Weidemark sind nach Angaben des Konzerns in den vergangenen sieben Tagen von 4179 Tests 72 positiv ausgefallen. Zuletzt sei der Trend, anders als im Emsland insgesamt, rückläufig, auch weil alle Mitarbeiter FFP2-Masken trügen, teilte Tönnies mit. Trotzdem hätten die Behörden den Schlachthof für die kommenden drei Wochen geschlossen, dagegen werde man Rechtsmittel einlegen. „Wir müssen Verhältnismäßigkeit wahren und neben dem Infektionsschutz auch den Tierschutz auf den Höfen sicherstellen“, argumentiert das Unternehmen. „Man schließt einen für die Schweinehaltung systemrelevanten Betrieb und bringt damit eine ganze Berufsgruppe in eine Notsituation“, klagte die Interessengemeinschaft der Schweinehalter. Auch die niedersächsische Landwirtschaftsministerin zweifelt an der Verhältnismäßigkeit.

Kaum noch Ferkel aus deutschen Landen

Inklusive der neuen Schließungen fehlten derzeit die Kapazitäten „von deutlich über 200 000 Schweineschlachtungen je Woche“. Zwar würden sowohl die Schlachttier- als auch die Ferkelimporte reduziert „und auch ein deutlicher Anstieg bei den Sauenschlachtungen zeigt, dass bereits eine Reihe von Sauenhaltern den Betriebszweig aufgibt“, teilte die Interessengemeinschaft mit. Weniger Besamungen würden sich am Markt aber erst im kommenden Jahr auswirken. In den vergangenen zehn Jahren haben nach Angaben des westfälischen Bauernverbandes etwa 70 Prozent der Ferkelerzeuger hierzulande ihre Betriebe geschlossen. Die Bauern kaufen mehr als zehn Millionen Ferkel pro Jahr in Dänemark und Holland.

Wenn es nicht schnell wieder zu einer Ausweitung der Schlacht- und Zerlegekapazitäten komme, „stehen zu Weihnachten weit über eine Million Schweine in den Ställen, die dann eigentlich schon geschlachtet sein müssten und die den Platz für heranwachsende Schweine blockieren“, befürchten die Schweinehalter.

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