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Der Ire Phil Hogan ist der neue Handelskommissar der EU.

© Virginia Mayo/AP/dpa

Zollstreit: Wie die EU den Handel mit den USA ankurbeln will

„Autozölle kein Thema“, meint der neue EU-Handelskommissar bei seinem Antrittsbesuch in Washington. Doch ob es bei den Nachrichten bleibt, ist offen.

Nichts weniger als einen Neustart der schwierig gewordenen transatlantischen Beziehungen hatte Phil Hogan vor seiner ersten Reise als EU-Handelskommissar nach Washington in Aussicht gestellt. Nach vielen Gesprächen, unter anderem mit US-Regierungsvertretern, Abgeordneten und Wirtschaftsvertretern, aber vor allem mit dem US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer, gab der Ire am Donnerstagabend im Gespräch mit Journalisten zu Protokoll: "Ich habe nicht erwartet, dass ein Neustart der Beziehungen innerhalb von ein paar Tagen zu erreichen ist."

Immerhin habe er viele seiner Gesprächspartner das erste Mal persönlich getroffen, sagte Hogan, der seit Dezember 2019 im Amt ist. Angesichts dessen sei er sehr glücklich mit dem Erreichten und dem Interesse an Europa. "Es ist ein guter Start, aber wir haben noch einiges zu tun."

Dass der qua Amt oberste EU-Handelsreisende nach drei Tagen in der amerikanischen Hauptstadt so positiv wieder abreisen würde, war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Zu zahlreich sind die Probleme, die auf eine Lösung warten.

Seit knapp zwei Jahren droht der Handelsstreit zwischen den USA und der Europäischen Union zu eskalieren. Auf amerikanische Strafzölle auf Stahl und Aluminium, die mit der angeblich gefährdeten "nationalen Sicherheit" begründet wurden, folgten europäische Gegenzölle auf prestigeträchtige Produkte wie Motorräder von Harley-Davidson und Jeans.

Und US-Präsident Donald Trump droht seitdem mit Strafzöllen auf Automobilimporte, die vor allem die großen deutschen Hersteller Volkswagen, BMW und Daimler treffen würden, weil ja Europa so viel mehr exportiere als importiere. Trump stört sich an dem seiner Ansicht nach zu großen Handelsbilanzdefizit mit der EU.

Juncker konnte die Autozölle zunächst abwenden

Nur der Luxemburger Jean-Claude Juncker, damals noch EU-Kommissionspräsident, konnte im Sommer 2018 die ganz große Katastrophe abwenden und den Konflikt vorübergehend einfrieren, weil er den US-Präsidenten im Weißen Haus davon abbrachte, Strafzölle gegen die europäische Autoindustrie zu verhängen. Wie? Indem er im Gegenzug anbot, mehr amerikanische Sojabohnen und Flüssiggas in die Europäische Union zu exportieren. Dieser Deal funktioniert bis heute mehr schlecht als recht, aber er funktioniert. Viel steht auf dem Spiel: Die EU und die USA tauschten im Jahr 2018 Waren und Dienstleistungen im Wert von rund 1,3 Milliarden US-Dollar aus.

Hogan bestätigte auf Nachfrage am Donnerstag, dass mögliche US-Strafzöllen auf europäische Autos bei seinen Gesprächen in Washington "kein Thema" gewesen seien. Sie seien noch nicht einmal erwähnt worden. Das sei doch vor allem für Deutschland eine "gute Nachricht". Das Hauptproblem - dass die Amerikaner anders als die Europäer in einem möglichen Abkommen über Industriegüter auch das Thema Öffnung der Agrarmärkte behandelt haben wollen - bleibt aber ungelöst.

Mitte November war eine Frist für Trump abgelaufen, über die mögliche Verhängung von Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent auf Autos aus der EU zu entscheiden. Der US-Präsident ließ die Frist jedoch tatenlos und – für ihn besonders ungewöhnlich - wortlos verstreichen.

Zu einem Bericht der "Washington Post", nach dem die US-Regierung der Bundesregierung im Streit um das Atomabkommen mit dem Iran erst kürzlich mit den Auto-Zöllen gedroht hatte, wollte Hogan keine Stellung nehmen. Er habe davon keine Kenntnis, sagte der 59-Jährige. Bei einer Veranstaltung am Morgen hatte er dazu noch gesagt: "Die EU ist kein Anhängsel der USA. Wir treffen unsere eigenen Entscheidungen." Dagegen bestätigte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Donnerstag bei einem Besuch in London den Bericht, indem sie erklärte: "Die Drohung stand im Raum."

Nutzt Trump den Streit um das iranische Atomprogramm?

Trump hatte die von ihm als unzureichend bemängelte Vereinbarung zur Begrenzung des iranischen Atomprogramms im Mai 2018 einseitig aufgekündigt. Die an dem Abkommen von 2015 beteiligten Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien versuchen hingegen, dieses zu retten. Weil der Iran sich als Reaktion auf den US-Rückzug seinerseits schrittweise von der Vereinbarung entfernt, hatten die drei europäischen Staaten am Dienstag einen Streitschlichtungsmechanismus aktiviert. Dieser könnte im Falle eines Scheiterns mit der Wiedereinführung von Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Teheran enden.

Laut der "Washington Post" hatte die US-Regierung die Europäer mit der Androhung der Auto-Zölle zur Aktivierung des Streitschlichtungsmechanismus gedrängt. Kramp-Karrenbauer sagte jedoch, die Aktivierung des Mechanismus sei keine Reaktion auf diese Drohung gewesen.

Ein anderes transatlantisches Streitthema, bei dem Hogan kaum Fortschritte erzielen konnte, ist der Streit über Subventionen für die Flugzeugbauer Airbus und Boeing. Die US-Regierung hat in der Sache infolge einer Entscheidung der Welthandelsorganisation (WTO) Zölle verhängt. Die EU habe daher "keine andere Wahl", als auch Zölle zu verhängen, sobald die WTO in den kommenden Monaten ihre Entscheidung zu Boeing-Subventionen bekanntgeben werde, sagte Logan. Brüssel ziehe aber weiter eine Verhandlungslösung mit Washington vor.

Sein Credo hat der Ire nun an allen möglichen Stellen in Washington vorgetragen. Dass Strafzölle letztlich nur allen schadeten, und es faire und transparente Kompromisse geben müsse. Und dass offene Märkte die beste Lösung für alle seien. Inwieweit die amerikanische Seite diese Sicht teilt – und ganz speziell der unberechenbare Mann im Weißen Haus –, werden die kommenden Monate zeigen.

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