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Die Wall Street kann für Anleger wieder anziehender werden.

© dpa

Zinswende: Ein Stück Amerika kaufen

In den USA könnten die Zinsen bald wieder steigen. Gespannt starren die Investoren vor allem auf die US-Notenbank. Was die mögliche Zinswende für Anleger bedeutet.

Die Wirtschaft in den USA wächst – und zwar deutlich stärker als in anderen Industriestaaten. Dennoch ist davon am Aktienmarkt bislang wenig zu spüren. Statt aufwärts bewegen sich die Kurse seitwärts. Der Leitindex Dow Jones, der die Entwicklung der 30 größten börsennotierten Unternehmen der USA abbildet, schwankt seit neun Monaten zwischen 17 500 und 18 000 Punkten – mit einzelnen Ausreißern nach unten und nach oben. Im Mai etwa ging er kurzzeitig auf ein neues Rekordhoch bei 18 312 Zählern, von dem er aktuell wieder auf rund 17 600 zurückfiel. Ist die monatelange Seitwärtsbewegung nun ein guter Einstiegszeitpunkt? Oder geht es nun erst recht abwärts?

Probleme im IT-Sektor

Vor allem die Schwäche einiger großer Technologiewerte in den USA bereitet den Anlegern Sorgen. Unzufrieden waren die Investoren etwa mit den aktuellen Quartalsbilanzen von Apple, Microsoft und IBM. Alle drei sind im Dow Jones notiert. Zwar hatte Apple binnen drei Monaten knapp elf Milliarden Dollar und damit 38 Prozent mehr verdient als im Vorjahr, doch befürchten die Anleger, dass das iPhone als hauptsächliche Stütze des Unternehmens in einem zunehmend gesättigten Markt nicht ausreicht. Über die Verkaufszahlen der neuen Apple-Uhr schwieg der Konzern, das iPad schwächelt. Die Aktie notierte direkt vor Bekanntgabe der Quartalszahlen noch bei 133 Dollar, inzwischen ist der Kurs auf 114 Dollar gefallen. Microsoft wiederum legte wegen der Übernahme des Handy-Geschäfts von Nokia mit 3,2 Milliarden Dollar das größte Quartalsminus seiner Geschichte vor. Die Aktie litt darunter dennoch nur kurz. Um ihr altes Allzeithoch aus dem Jahr 2000 wieder zu erreichen, müsste das Papier allerdings um weitere 25 Prozent steigen. IBM wiederum schaffte es erneut nicht, den laufenden Wandel von festen Computern zu mobilen Systemen und Cloud-Speichern in harte Geschäftszahlen zu zwingen. Die Aktie ist seit ihrem Hoch im Jahr 2013 bei 215 Dollar inzwischen auf 157 Dollar eingebrochen.

Gute Zahlen der Traditionsfirmen

Beruhigend wiederum wirkten die fast durchgängig guten Zahlen der „Old Economy“, etwa von Boeing, den Banken oder auch Coca Cola. Im Dow Jones gehören auch nicht Apple oder Intel zu den besten Werten im Fünfjahresvergleich, sondern Firmen wie Walt Disney, Nike, Visa und der Baumarktkonzern Home Depot, mit einem Jahresplus zwischen 40 und 50 Prozent – und einem Gewinn zwischen 200 und gut 300 Prozent binnen fünf Jahren. Und: Weil sich der Euro in diesem Zeitraum gegenüber dem US-Dollar etwa um zwölf Prozent abgeschwächt hat, könnten europäische Anleger diesen Prozentsatz als zusätzliches Plus verbuchen.

Die langfristige Bilanz der vergangenen Jahre ist auch für den breiten Markt beeindruckend: Im Frühjahr 2009, als in der Finanzkrise die meisten einen weiteren Absturz der Märkte ins Bodenlose vorhersagten, hatte der Dow Jones bei 6547 Punkten sein Tief erreicht. Wer sich damals getraut hatte, in den Index zu investieren, hätte – vor Kosten und Steuern – 268 Prozent Gewinn gemacht. Nicht viel anders hat sich der S & P 500, der am stärksten beobachtete Index der Welt, verhalten: Dank eines Anstiegs von 676 auf jetzt 2093 Punkte konnten Investoren mit den 500 wichtigsten Aktien der USA seit 2009 sogar 310 Prozent verdienen.

Biotechfirmen legen zu

Zu den besten Werten im Fünfjahresvergleich gehören der Biotech- und Pharmakonzern Regeneron Pharmaceuticals, Weltmarktführer bei der Herstellung humaner Antikörper zur Bekämpfung schwerer Erkrankungen (plus 2117 Prozent), die Biotech-Firmen Gilead, Biogen und Alexion (plus 460 bis 600 Prozent), der texanische Ölverarbeiter Tesoro (plus 660 Prozent), der Streaming-Dienst Netflix (plus 655 Prozent) oder der Sportartikelhersteller Under Armour, der jedes Jahr gut drei Milliarden Dollar umsetzt und neuerdings den FC St. Pauli ausstattet. Die meisten Spitzen-Performer sind auch im Tech-Index Nasdaq 100 notiert, der allerdings sein altes Allzeithoch aus dem Jahr 2000 (4704 Punkte) in diesem Jahr bis auf 25 Punkte verfehlt hat und aktuell bei 4567 Zählern steht.

Ausblick auf die Zinswende

Gespannt starren die Investoren vor allem auf die US-Notenbank, die wohl demnächst die Zinswende einleiten wird. Zwar hat sich die Chefin der Federal Reserve, Janet Yellen, auf der letzten Sitzung vor einer Woche erneut wenig konkret geäußert. Dennoch gehen inzwischen die meisten Marktbeobachter davon aus, dass die erste Zinserhöhung wohl Mitte September oder spätestens im Dezember kommt.

Der Beginn des letzten Zinserhöhungszyklus liegt bereits elf Jahre zurück und dauerte nur drei Jahre. Im September 2007 begann die Notenbank, die Sätze von damals 5,25 Prozent wegen der Finanzkrise rasch zu senken. Seit Dezember 2008 liegt die sogenannte Fed Fund Rate in einer Spanne von 0,0 bis 0,25 Prozent, aktuell sind es 0,14 Prozent.

Je schneller die Zinsen wieder stiegen, argumentieren nun die einen, desto schneller verteuerten sich Kreditkosten für Unternehmen und desto rascher böten sich für Investoren Alternativen zu Aktien an den Anleihe- und Festgeldmärkten. Ja, aber Aktien seien derzeit nicht höher bewertet als im langjährigen Schnitt, kontern die anderen. Das starke Wachstum und die höheren Gewinne verbilligten viele Werte von alleine wieder.

Skeptik bei Goldman Sachs

Zu den Skeptikern gehört etwa die US-Bank Goldman Sachs, die soeben europäische Aktien auf „übergewichten“ und dafür US-Aktien auf „untergewichten“ eingestuft hat. Steigende Zinsen, argumentiert Goldman Sachs, führten in der Vergangenheit häufig zwölf Monate lang zu einer schwächeren Kursentwicklung. Zwar rechne er weiter mit einem stärkeren Wachstum in den USA als in Europa, schreibt Sunel Mahindru, der Leiter für internationale Aktienanalyse bei Goldman Sachs, in einem Marktkommentar. Doch anders als in Europa und auch in Japan sei in den USA die Phase der sehr lockeren Geldpolitik zu Ende, die den Export förderte. Europa sei deshalb derzeit das bessere Investment.

Die Allianz interpretiert die steigenden Zinsen dagegen anders. Sei die Fed imstande, die Zinsen zu erhöhen, dann signalisiere dies eben, dass die US-Wirtschaft sehr stark sei und die Unternehmen dies gut aushalten könnten, glaubt Chefanleger Jörg Ladwein. Eine sanfte Zinserhöhung, argumentiert Allianz Global Investors, sei angesichts der gegenwärtigen Sätze nahe null auch eher neutral zu bewerten: „Die Aussichten für Aktien und Unternehmensanleihen sind deshalb klar positiv.“

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