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Münzen zu sammeln - das war früher ein beliebtes Hobby. Heute fehlt den Numismatikern der Nachwuchs.

© Getty Images/iStockphoto

World Money Fair in Berlin: Münzsammler suchen Nachwuchs

Für die World Money Fair kommen Sammler aus der ganzen Welt nach Berlin. Wie die Branche versucht, jünger und weiblicher zu werden.

Von
  • Laurin Meyer
  • Carla Neuhaus

Binnen Sekunden wechseln die Münzen ihren Besitzer. 5000 Euro lautet das Startgebot. „5500, 5750, 6000“, ruft der Auktionator. Wer hier mitbieten will, muss schnell sein. Schon steht der Preis bei 13000 Euro. Zum ersten, zum zweiten – da schnellt die Hand eines Mannes im Anzug hoch. Er murmelt etwas in sein Smartphone, dann fragt er laut, ob er die Münze nochmal sehen könne. Ein Mitarbeiter bringt den über 200 Jahre alten Silbertaler, der Friedrich Wilhelm den II zeigt. Im Katalog steht: „Äußerst selten in dieser Erhaltung“.

Während der Mann die Münze mit einer Lupe betrachtet, geht ein Raunen durch den fensterlosen Saal im Hotel Estrel in Neukölln. „Der kauft bestimmt für einen Anleger“, meint Rainer Matthes, ein älterer Herr, der ein paar Plätze weiter sitzt, seinen richtigen Namen aber lieber nicht in der Zeitung lesen will. Echte Sammler, sagt er, wüssten vorher welche Münzen sie ersteigern wollten, hätten sie schon am Vorabend begutachtet.

Es sind zwei Welten, die bei der Auktion des Goldhändlers Künker in Berlin aufeinander treffen. Zwar machen Sammler, die sich wie Matthes seit Jahrzehnten mit Münzen beschäftigen, den Großteil der Kundschaft aus. Doch gerade seltene Sammlerstücke sind zunehmend auch bei Anlegern gefragt, die hoffen, sie in ein paar Jahren mit Gewinn verkaufen zu können.

In Zeiten von Niedrigzinsen setzen sie auf Sachwerte: Kunst, Immobilien, Goldbarren oder eben Münzen. Ablesen lässt sich das nicht nur an dem steigenden Goldpreis, der Anfang des Jahres in Euro ein neues Rekordhoch erreicht hat. Auch die Aufschläge, die Käufer für Münzen auf den reinen Materialwert zu zahlen bereit sind, steigen. Der Preis für einen südafrikanische Krügerrand, eine begehrte Sammlermünze, hat in den letzten zwölf Monaten um 20 Prozent zugelegt.

Doch wer entscheidet, wie viel welche Münze wert sind?

Auf der World Money Fair in Berlin, einer der größten Münzmessen, steht Ulrich Künker am Stand seines Auktionshauses. Während private Sammler auf der Messe nur einen Holztisch aufgestellt haben, die Münzen in Plastiktütchen präsentieren, erinnert Künkers Stand eher an ein Juweliergeschäft. Die Münzen sind in gläsernen Schränken und Kommoden verschlossen. Unter 200 Euro wird hier nichts verkauft, die richtig teuren Münzen sind gar nicht erst ausgestellt. Laut Künker hängt der Preis erst einmal von der Art der Münze ab.

Bei Anlagemünzen etwa ist der Materialwert entscheidend: im Fall einer Goldmünze, also der Goldpreis. Bei Sammlerstücken hingegen kommt es auf die Seltenheit an – und darauf, ob es Menschen gibt, die sich ausgerechnet für diese Exemplar interessieren. So unterliegt auch der Markt für Münzen Trends. Vor einigen Jahren etwa seien vor allem Münzen aus Russland gefragt gewesen, jetzt sind es solche aus dem habsburgischen Königshaus.

Auf der Messe stehen Hartgesottene teils Stunden für Exemplare an, die wohl nie im Wert steigen werden. Etwa für solche in hoher Auflage, oder mit einfacher Kupfernickellegierung. Den Fans geht es stattdessen um schöne Motive oder die technische Raffinesse bei der Verarbeitung – und um die Gemeinschaft. Viele Sammler sind in Vereinen organisiert, schreiben Leserbriefe für Münzfachzeitschriften oder tauschen sich in Internetforen aus.

Das ist ganz im Sinne des Bundesfinanzministeriums, das für die deutschen Gedenk- und Sammlermünzen zuständig ist. Das Haus von Olaf Scholz (SPD) entscheidet über Themenvorschläge von Bürgern, startet einen Gestaltungswettbewerb unter Münzdesignern und stellt das fertige Exemplar der Öffentlichkeit vor. „Münzen sollen gesellschaftliche Diskussionen anstoßen und fördern“, sagte Bettina Hagedorn, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, zur Eröffnung der Messe am Freitag.

Münzen wie diese aus Australien kaufen Anleger - nicht Sammler.
Münzen wie diese aus Australien kaufen Anleger - nicht Sammler.

© imago

Damit das funktioniert, müssen die Münzen allerdings ein breites Publikum ansprechen. Konkret heißt das: Die Sammlerszene muss weiblicher und jünger werden. Noch gilt ein bestückter Münzkoffer als Hobby älterer Herren. Auch der Großteil der Messebesucher ist männlich und pensioniert.

Deshalb setzt das Bundesfinanzministerium jetzt auf eine neue Strategie: Hörte der Vertrieb bisher auf den sperrigen Namen „Offizielle Verkaufsstelle für Sammlermünzen der Bundesrepublik Deutschland“, sollen fortan alle Münzen unter der Marke „Münze Deutschland“ herausgegeben werden. Auch einen passenden Hashtag für die sozialen Netzwerke hat sich das Ministerium einfallen lassen. Unter #wasunsprägt macht etwa Ex-Fußballfunktionär Reiner Calmund Werbung für das Münzensammeln. „Der Ball ist rund und die Münze ist rund“, erklärt Calmund seine Verbundenheit. Und auch beim Design der Münzen hat sich viel getan. So sind neue Exemplare bunter geworden, enthalten kleine Accessoires wie schimmernde Steinchen oder Ringe aus Polymer.

Der Bundesverband des deutschen Münzfachhandels bezweifelt, dass das reicht. „Es ist nicht mehr die Zeit des Sammelns“, sagt Geschäftsführer Thomas Brückel. Andere Formen der Freizeitbeschäftigung hätten die Leidenschaft für Münzen, Briefmarken oder Spielkarten verdrängt – Social Media und Computerspiele, mutmaßt er. „Es müssen deshalb ganz neue Ideen her“, sagt Brückel. Den Herausgebern fehle es aber an einem durchschlagenden Konzept. Seine Händler spürten das: Ihre Stammkunden sterben weg, Fachgeschäfte finden keine Nachfolger.

Münzhändler spüren die strengeren Vorgaben gegen Geldwäsche

Zudem würden neue Gesetze es Münzhändlern schwer machen. Seit fünf Jahren fallen auf Silbermünzen 19 Prozent Mehrwertsteuer an, zuvor waren es nur sieben Prozent. Zudem müssen sich seit diesem Jahr die Käufer von Goldmünzen bei einem Preis von mehr als 2000 Euro ausweisen. Die Bundesregierung will verhindern, dass die Münzen für kriminelle Geschäfte genutzt werden. Doch ob das gelingt? 77000 Verdachtsmeldungen gab es 2018 – bei nur 175 ging es um Edelmetalle. „Wir sehen den Einstieg vom Ausstieg des Bargelds“, meint Brückel.

Auch Rainer Matthes blickt wehmütig auf die Entwicklung. Der Pensionär, der im Auktionsraum sitzt, einen dicken Münzkatalog vor sich, sammelt seit 50 Jahren. Die ersten Münzen hat ihm seine Großmutter in die Hand gedrückt. Heute würde er seine Leidenschaft gerne an seine Enkelinnen weitergeben. Doch die haben kein Interesse. Deshalb sagt er: „Irgendwann geht meine Sammlung zur Auktion.“ Noch ist es aber nicht so weit. An diesem Vormittag trennt er sich lediglich von einem Stück: einem Silbertaler aus dem 17. Jahrhundert. Ihn lässt er versteigern, um den Gewinn in andere Münzen investieren zu können. Und die Rechnung geht auf: 10.000 Euro hat Matthes vor knapp zehn Jahren für das Stück bezahlt. Binnen Sekunden ist es versteigert. Zum ersten, zum zweiten, zum dritten – für 32.000 Euro.

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