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Entwurf neuer Typenbauten.

© AH AKTIV-HAUS GMBH

Wohnungsnot in Berlin: Das sind die Plattenbauten von morgen

Billig, aber sexy: Gute Wohnungen für 2000 Euro je Quadratmeter sind möglich – das zeigen die Sieger eines Bauwettbewerbs. Woran es mangelt, sind Grundstücke.

Bauen, Bauen, Bauen ist das Mantra von Wirtschaft und Konservativen bei der Bekämpfung der Wohnungsnot. Linke und Wohnungssuchende halten dagegen: Eine neue Wohnung in Berlin kostet mehr als 12 Euro Nettokalt im Durchschnitt – das können sich Durchschnittsverdiener nicht leisten. Das soll sich nun ändern durch die „Typenbauten“ aus dem europaweiten Wettbewerb vom Verband „GdW, die Wohnungswirtschaft“.

Begleitet von Bundesbauministerium und Architektenkammer stellte der am Dienstag Ergebnisse vor. Und falls Berlin und andere Bundesländer mitspielen, könnte das den Neubau auf Speed setzen.

Um es kurz zu fassen: Die Ostalgie durch einfallslose Plattenbauten bedient allenfalls einer der neun prämierten Entwürfe. Die anderen spielen teils einfallsreich mit den Stilmitteln der Moderne, durchbrechen die kastelnde Monotonie mit Laubengängen, abgesetzten Balkonkuben, vor und rückspringende Fassaden und großen bodengleichen Fenstern. Sie kombinieren Stahlbeton-Teile, die in der Fabrik vorgefertigt sind und auf der Baustelle teilweise nur verschraubt (!) werden mit Holzbauteilen, wobei die Vorfertigung schon mal bis zur Anlieferung kompletter „Nasszellen“ reicht.

Bleibt die in der Wohnungsnot alles entscheidende Preisfrage: 2010 Euro je Quadratmeter mindestens, 2370 Euro im Durchschnitt, so günstig wie im Jahr 2016 – 5,5 Prozent weniger als heute. Wobei „im Einzelfall“ weitere Preisabschläge von bis zu 22 Prozent möglich seien, bei größeren Serien, was ja auch Ziel der Übung ist. Das wichtigste Argument für die Typenbauten aber ist: Sie stehen sechs Monate nach Vertragsunterzeichnung zum Einzug bereit. Die normale Bauzeit beträgt 18 Monate. Falls es erstens Bauland gibt und zweitens die Sache mit den Baubehörden geregelt ist.

Bau von 1,5 Millionen Wohnungen

„Jetzt sind die Kommunen und Länder in der Verantwortung“, sagte GdW-Chef Gedaschko, die Wohnungswirtschaft habe geliefert: „Wir brauchen Grundstücke und eine Typenbaugenehmigung“. Die zuständigen Bauämter sollen also ein Mal für alle nach diesen prämierten Entwürfen zu bauenden Häuser alle Normen wie Statik oder Brandschutz prüfen, so dass jeder weitere Bauherr sich darauf berufen kann. Das spart Kosten und Zeit.

Wie wichtig dieser Schritt ist, machte der Baustaatssekretär des Bundes Gunther Adler deutlich, der einräumte, dass die Koalition im Kampf gegen die Wohnungsnot in der Defensive ist: „Im Koalitionsvertrag haben wir uns den Bau von 1,5 Millionen Wohnungen vorgenommen“ - 50 Prozent mehr als in der vergangenen Legislaturperiode.

Das könne nur gelingen „in Partnerschaft mit allen Akteuren“ – und er lobte ausdrücklich den GdW und seinen Duzfreund Gedaschko für den Vorstoß. Wenn es aber überhaupt gelingt, denn zuletzt ging die Zahl der Baugenehmigungen alarmierend zurück. Außerdem fehlt es an Grundstücken. Dass die bundeseigene Sachwalter übers Grundeigentum Bima Bauflächen „unzureichend“ bereit stellte gab Adler zu. Er versprach aber auch „weit mehr Grundstücke für bezahlbare Wohnen in dieser Legislaturperiode“.

Entwurf neuer Typenbauten.
Entwurf neuer Typenbauten.

© AH Aktiv-Haus GmbH

Gedaschko sieht außerdem „Kommunen und Länder in der Pflicht“. Dabei müssten sie im Siedlungsbau die besten Konzepte zulassen und nicht nur möglichst viele Sozialwohnungen schaffen. Denn die Mehrkosten dafür müssten „auf das restliche Grundstück draufgeschlagen werden, so dass die Wohnungen dort kaum noch Abnehmer finden“. Ein Seitenhieb auf das „Berliner Modell“ der Senatorin für Stadtentwicklung Katrin Lompscher (Linke), nach dem 30 Prozent aller Flächen in Entwicklungsgebieten für Sozialbauten reserviert sind.

Gebremste Begeisterung

An der Entwicklung der meisten Siegerentwürfe beteiligten sich fast immer teils namhafte Architekten. Trotzdem stößt das Projekt bei der Architektenkammer auf gebremste Begeisterung. „Viel Kritik aus der Architektenschaft“, meldete Bundesgeschäftsführer Tillmann Prinz.

Klar, „Baumeister“ mit individuellen Entwürfe sind bei Typenbauten ein Mal bei deren Entwicklung gefragt, später allenfalls zur Überwachung des Baufortschritts. So äußerte Prinz auch viele Bedenken: Die Anpassung von Modulen stoße in der Praxis an Grenzen und er sei er gespannt, wie sich die Entwürfe bewährten – auch in den Augen der Öffentlichkeit.

50 Arbeitsgemeinschaften hatten sich beworben, ausgewählt wurden neun von ihnen, darunter Lechner Immobilien (Frankfurt), AH Aktiv-Haus (Stuttgart), Max Bögl Modul (Neumarkt). Goldbeck OST aus Ludwigsfelde setzte sich durch und aus Wien die Lukas Lang Building Technologies. Gedaschko zufolge will die Ernst Isensee Bau- und Wohnungsgenossenschaft aus Halle-Merseburgein unverzüglich den Typenbau eines der Preisträger realisieren.

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