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Seit über 40 Jahren präpariert Stephan Klaue Tiere.

© Thilo Rückeis

Wo der Liebling ausgestopft wird: Zu Besuch beim Tierpräparator

Wer sein Tier auch nach dessen Tod um sich haben will, kann zum Präparator gehen. Dieses Handwerk hat aber auch andere Kunden – Angler, Jäger und Leute vom Film.

Die Ewigkeit ist schnell verspielt. „Zwei, drei Stunden Sonne, dann ist alles kaputt“, sagt Stephan Klaue. Seit über 40 Jahren präpariert der Berliner Tiere und konserviert sie so für ein Leben nach dem Tod. Tausende sind durch seine Hände gegangen, für Romantik und Melancholie ist in der kleinen, fensterlosen Werkstatt in Berlin-Steglitz kein Raum.

Klaue ist kein Seelsorger, er ist Pragmatiker. Das merken auch die Menschen, die ihn anrufen, weil sie ihre verstorbene Katze, den Vogel oder den Hund präparieren lassen wollen. „Wie lange ist das Tier tot?“, fragt Klaue dann nämlich als Erstes. Manche mögen das als pietätlos empfinden – erst recht den Rat, den Leichnam umgehend in den Kühlschrank oder die Tiefkühltruhe zu packen. Doch nur so bleiben Haut und Federn frisch, macht eine Konservierung Sinn.

Mit elf Jahren hat Klaue seine ersten Tiere präpariert – mit dem Präparierbesteck, das seine Mutter für ihr Medizinstudium angeschafft hat. Um mehr zu lernen, ist er zur Uni gegangen, zum Präparator der Freien Universität. Da war Klaue noch Schüler. Präparieren ist Autodidaktentum – auch heute noch. Eine Lehre gibt es nicht, jeder kann einen Laden aufmachen.

Präparator ist ein einsamer Beruf

Statt klassischer Musik wie in Bestattungsunternehmen läuft bei Klaue der Fernseher. Präparator ist ein einsamer Beruf. Menschlicher Besuch ist selten, die tierischen Besucher sind für immer verstummt, die Arbeit ist zum großen Teil Routine – das Aufschneiden des Tiers, das Abziehen der Haut. Die kommt zum Gerber und wird dort bearbeitet. Knochen werden gesäubert, Fett und Fleisch entfernt. Bei Vögeln werden Federkleid und Schnabel erhalten. Bei Hunden und Katzen wird der Präparator zum bildenden Künstler. Der Körper wird individuell aus Holzwolle gewickelt und dann mit dem Fell überzogen. Der Kopf wird modelliert, das ist Feinarbeit – Ohren, Lippen, Augenlider nachgebildet, die Nase geformt, Glasaugen ausgesucht, die den Blick des Tiers am ehesten einfangen. Viele Menschen können den aber nicht ertragen, weiß Klaue, vor allem Katzenliebhaber. Die möchten lieber, dass ihre Katze liegt und sie nicht anguckt. Hunde werden dagegen eher sitzend gewünscht und dürfen von ihrem Platz im Wohnzimmer aus schauen, was sich nach ihrem Ableben in ihrem einstigen Zuhause ereignet – oder auch nicht.

Es sind nämlich oft alte Menschen, die ihre Gefährten zu Klaue bringen. So wie die alte Dame, deren Katze gestorben ist. 85 Jahre ist die Seniorin, sie weiß, wenn sie sich ein neues Tier anschafft, müsste dieses wahrscheinlich irgendwann ins Tierheim. „Das ist meine letzte Katze“, sagt sie deshalb über ihre langjährige Mitbewohnerin, die sie nun als stilles Denkmal bis zum endgültigen Ende begleiten wird.

"Er war wie ein Kind", sagen sie

Es sind Geschichten von Freundschaft und Einsamkeit, die Klaue jeden Tag zu hören bekommt. Von der Perserkatze, die 21 Jahre lang mit ihrer Besitzerin zusammengelebt hat. Oder dem Schäferhund, der ein treuer Begleiter im Leben war. „Wir haben uns so an ihn gewöhnt“, sagen viele – eine Begründung, in der die Bitte nach Verständnis mitschwingt und zugleich die Ahnung, dass ihnen dieses bei Freunden, Nachbarn oder Verwandten versagt bleibt. Deshalb will auch niemand von Klaues Kunden seinen Namen in der Zeitung lesen. „Er war wie ein Kind“, auch das hört Klaue oft. Eine Kundin hat zweieinhalb Jahre gebraucht, das präparierte Tier abzuholen. Abschied nehmen – das geht vielen über die Kräfte.

Dabei wäre es besser, meint Andrea Beetz. Die Psychologin und Buchautorin hält nichts davon, Haustiere präparieren zu lassen. Zur Trauerarbeit gehört der Schmerz, der Abschied und – schließlich – die Akzeptanz. Ein präpariertes Tier würde diesen nötigen Abschied erschweren, warnt die Expertin. Zugleich vertieft das leblose Ebenbild den Kummer noch: „Man merkt doch, dass das Tier tot ist“. Das Leben, die Wärme, all das ist verschwunden, vom einstigen Familienmitglied bleibt nur eine Hülle. „Man setzt doch auch die verstorbene Oma nicht aufs Sofa“, kritisiert Beetz den Versuch, die Familie auch über den Tod hinaus zusammenzuhalten.

Jäger bringen ihre Trophäen

Diesen Wunsch haben aber nicht nur alte Leute. Auch Eltern wollen ihren Kindern den Schmerz ersparen, dass Minka, Wuffel oder Knusper in die ewigen Jagdgründe eingegangen sind. Dafür sind sie bereit, einiges zu zahlen: 400 bis 450 Euro für eine Katze, 650 bis 750 Euro für einen Dackel, 130 bis 150 für einen Zwerghamster. Dieses Geld soll man sich sparen, sagt Psychologin Beetz: „Der Tod gehört zum Leben dazu“. Auch Kinder müssten das lernen.

Doch Klaue hat noch andere Kunden, solche, die den Tod nicht bedauern, sondern ihn feiern. Jäger etwa oder Angler, die ihre Trophäen möglichst lebensecht daheim ausstellen wollen. Auch Schulen und Museen gehören zur Kundschaft des Präparators und die Leute vom Film. Die brauchen Klaue, um nicht in Konflikt mit dem Tierschutz zu kommen: Wenn die TV-Tierärztin Dr. Mertens im Leipziger Zoo operiert, kommt der Tiger nicht etwa aus dem Gehege des Zoos, sondern aus der Werkstatt Klaue. Genauso wie die Katze, die bei Til Schweigers Kookowääh 2 durch die Luft fliegt. Auch die hatte ihr wahres Leben schon lange vor der harten Landung ausgehaucht.

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