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Wirtschaftsstrategie: EU-Kommission legt Agenda 2020 vor

Mit einer neuen Wirtschaftsstrategie will die Europäische Union die gravierendste ökonomische Krise seit ihrer Gründung überwinden.

Brüssel - EU-Kommissionschef José Manuel Barroso präsentierte der Öffentlichkeit am Dienstag die Agenda „EU 2020“, die noch in diesem Halbjahr von den 27 Staats- und Regierungschefs abgesegnet werden soll.

An den Beginn seiner Ausführungen stellte Barroso eine pessimistische Lagebeschreibung: Die Finanzkrise hat die Arbeitslosenzahl europaweit auf 23 Millionen hochschnellen lassen, die Quote liegt bei zehn Prozent. Die durchschnittlichen Haushaltsdefizite liegen bei sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Staatsverschuldung insgesamt bei durchschnittlich 80 Prozent. „Unser Wachstumspotenzial wurde durch die Krise halbiert“, heißt es in einer Mitteilung der Brüsseler Kommission.

Barroso sagte zudem, dass die Krise die strukturellen Schwächen Europas offenbart habe. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung lägen unter zwei Prozent, in den USA und Japan sei der Anteil deutlich höher. Weniger als ein Drittel der Europäer zwischen 25 und 34 Jahren hätten einen Hochschulabschluss; in den beiden Vergleichsländern lägen die Quoten bei 40 und 50 Prozent. Von den weltweit 20 besten Hochschulen befänden sich nur zwei in Europa. Von dem Zwei-Billionen-Euro-Markt im IT-Bereich profitierten EU–Unternehmen nur zu einem Viertel. „Wenn wir jetzt nicht handeln“, sagte Barroso, „droht die Zweitrangigkeit und die relative Bedeutungslosigkeit Europas auf der Weltbühne.“

Die EU-Kommission schlägt deshalb eine Strategie vor, die „Europa ein intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“ ermöglichen soll, das Barroso zufolge dann bei zwei Prozent oder mehr liegen könnte.

Die Strategie hat fünf Ziele: Die Beschäftigungsquote soll von derzeit 69 auf 75 Prozent steigen. Die Vereinbarung aus dem Jahr 2000, dass drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung fließen sollen, wird erneuert. Teil der Agenda ist auch das 2007 verabschiedete Klimapaket, das vorsieht, die CO2-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent zu senken und den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent zu erhöhen. Die Quote der Schulabbrecher soll von derzeit 15 auf unter zehn Prozent gedrückt werden, der Akademikeranteil soll auf 40 Prozent steigen. Der fünfte Punkt betrifft die Armut: Die Zahl der Menschen, die weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens ihres Landes zur Verfügung haben und damit nach EU-Definition armutsgefährdet sind, soll um 20 Millionen sinken.

Bis zum EU-Gipfel im Juni will die EU-Kommission Vorschläge vorlegen, wie die Agenda auf nationaler Ebene umgesetzt werden soll. Wenn die 27 EU-Staaten die Ziele nicht erreichen, drohen keine Sanktionen, sondern lediglich Verwarnungen der Kommission. Wohl aber könnten für die Erfüllung der Ziele Anreize gesetzt werden, sagte Barroso.

Aus dem EU-Parlament kam scharfe Kritik an den Plänen. Der Vorsitzende der deutschen Unionsabgeordneten, Werner Langen, nannte die Agenda den „nächsten utopischen Zehnjahresplan“, der lediglich große Berge an Papier erzeuge. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe bei Barroso bereits Widerstand gegen eine zu zentralistische Formulierung der Zielvorgaben angemeldet. Die grüne Fraktionschefin Rebecca Harms sprach von einem „Rezept für einen neuerlichen Fehlschlag“. Wirtschaftswachstum schaffe nicht automatisch mehr soziale Gerechtigkeit, eine saubere Umwelt oder ein glücklicheres Leben.

Christopher Ziedler

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