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Ramona Pop, Bürgermeisterin und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe

© Thilo Rückeis

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop im Interview: "In Berlin entstehen zwei digitale Hubs"

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) über das Internet der Dinge und FinTechs, nachhaltiges Wachstum und gute Arbeit in der Hauptstadt

Frau Pop, Sie haben den besten Job im Senat: Die Wirtschaft läuft rund und Sie können alle paar Tage tolle Zahlen vermelden.

Gute Zahlen sind ein Grund zur Freude. Die Stadt hat nach der Wiedervereinigung lange auf eine gute Konjunktur gewartet, seit ein paar Jahren liegen wir nun mit der Wachstumsrate über dem Bundesdurchschnitt und die Arbeitslosenquote hat sich nahezu halbiert. Jetzt kommt es darauf an, die Entwicklung zu verstetigen und darauf zu achten, dass möglichst viele Menschen auch davon profitieren.

Und das klappt?

Auf dem Arbeitsmarkt zunehmend, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt jedes Jahr um rund 40000; und es ist erfreulich, dass auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen inzwischen deutlich zurückgeht. Und mit der Erhöhung des Landesmindestentgeltes auf neun Euro wollen wir dazu beitragen, dass die wirtschaftliche Entwicklung auch bei den Menschen ankommt. Schließlich geht es darum, jetzt die Dinge so auf den Weg bringen, dass die Wirtschaft auch noch in einigen Jahren wächst.

Welche Dinge meinen Sie?

Das überragende Thema ist die Digitalisierung. Diese betrifft alle Branchen, vom Handwerk über den Handel bis zur Industrie.

Die Verwaltung nicht zu vergessen.

Ja, das ist eine große Herausforderung. Grundsätzlich braucht Digitalisierung auch einen Ausbau der Infrastruktur. Neben dem Breitbandausbau wollen wir den neuen Mobilfunkstandard 5G in Berlin testen.

Dafür steht aber erst das Jahr 2019 im Koalitionsvertrag.

Bei dieser Planung bleibt es auch. Es gibt allerdings bereits wissenschaftliche Testfelder für 5G in Berlin – rund um den Ernst-Reuter-Platz und in Adlershof. 5G brauchen wir, um Daten in Echtzeit auszutauschen. Autonomes Fahren zum Beispiel funktioniert nur mit 5G. Neben dem Ausbau der Infrastruktur werden wir verstärkt Berliner Unternehmen zusammenbringen mit der Digitalwirtschaft und Start-ups.

Im Koalitionsvertrag steht einiges dazu: Ein „Koordinator digitales Berlin“ soll installiert und eine „zentrale Stelle“ aufgebaut werden, von „neue Allianzen“ ist die Rede und von einer Digitalisierungsstrategie. Was passiert wirklich?

Die Konzeption der Digitalagentur ist weit fortgeschritten. Sie soll als zentrale Stelle klassische und neue Unternehmen zusammenbringen. Die Mittel dafür müssen noch mit dem Haushalt 2018/19 beschlossen werden. Dann können wir loslegen.

Wie viel?

Drei Millionen Euro pro Jahr.

Was passiert damit?

In der Digitalagentur soll das geschehen, was sich bislang nur Großkonzerne leisten können: eine Plattform zu schaffen für die Zusammenarbeit von Mittelstand, Start-ups und Wissenschaftlern, um digitale Geschäftsmodelle neu oder weiterzuentwickeln. Die IT-Sicherheit ist ein weiteres Thema für die Digitalagentur.

Wo kommt die Agentur hin?

Erst der Haushaltsbeschluss, dann die Adresse. Darüber hinaus richtet das Bundeswirtschaftsministerium bundesweit sieben digitale Hubs ein, davon werden zwei in Berlin entstehen. Einer für das Internet der Dinge, ein weiterer für FinTechs. Das sind die Bereiche, in denen wir sehr stark sind. Auch hier geht es darum, neue Technologien und Geschäftsmodelle in diesen Zukunftsfeldern voranzubringen. An zwei Standorten in Berlin, darunter der neuen Factory X in Treptow, wird die Vernetzung junger Gründer mit der etablierten Industrie sowie renommierten Forschungseinrichtungen im Fokus stehen.

Nach einer aktuellen PwC-Studie liegt Berlin bei der Digitalisierung hinter Hamburg und Stuttgart. Wie schätzen Sie das aktuelle Niveau ein?

Berlin ist die deutsche Start-up-Hauptstadt, die Digitalisierung sorgt für rund 70000 Arbeitsplätze in Berlin, Tendenz steigend. Das ist etwa die Größenordnung der Arbeitsplätze des Hafens von Rotterdam. Andere mögen in Einzelthemen gut sein, aber nur Berlin hat das einzigartige Start-up-Ökosystem mit weltweiter Ausstrahlung. Zahlreiche Unternehmen kommen mit ihren digitalen Sparten und Aktivitäten nach Berlin. Berlin ist Gründerhauptstadt. Aber es gibt noch zu tun, wir sehen, dass kleine und mittlere Unternehmen Unterstützung bei der Digitalisierung brauchen.

Das trifft für die meisten Verwaltungen und Behörden auch zu.

Mit der Neuaufstellung der Innenverwaltung ist die Voraussetzung geschaffen, Dienstleistungen der Verwaltung digital anzubieten. Es soll das Servicekonto für jeden Mann und jede Frau geben. Das heißt: Ich logge mich mit meinem Namen ein und kann dann die Dienstleistungen abrufen. Bereits jetzt bietet die Wirtschaftsverwaltung die Online-Gewerbeanmeldung in verschiedenen Sprachen an.

Aber noch ist die Verwaltung eine Standortbelastung.

Es gibt die große Erwartung in der Bevölkerung und der Wirtschaft, dass dieser Senat das Thema Verwaltung und Personal angeht. Im Koalitionsvertrag steht, dass wir Prozesse beschleunigen und den Generationswechsel in der Verwaltung nutzen, um Modernisierung und Digitalisierung voranzutreiben.

In den vergangenen Wochen gab es Theater bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Berlin Partner. Wird mit dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Allerkamp jetzt alles gut?

Die Zahlen der Partner sind ausgezeichnet, die Unterstützung von Ansiedlungen funktioniert gut und auch die Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde läuft gut, wenn es um ausländische Fachkräfte geht, die zu uns kommen. Wir wollen außerdem die Integration der Technologieförderer der Technologiestiftung verbessern, ebenso wie die Betreuung der Cluster. Und natürlich brauchen wir auch eine Tarifstruktur, die für die Mitarbeiter Arbeitszufriedenheit bringt.

Die angesprochenen Cluster sind die Schwerpunktfelder der gemeinsamen Wirtschaftspolitik von Berlin und Brandenburg. Wie ist die Zusammenarbeit mit Ihrem Kollegen in Potsdam?

Wir haben die Beziehung mit Brandenburg deutlich intensiviert. Ich glaube, ich habe Minister Gerber in den vergangenen sechs Monaten häufiger getroffen als mein Vorgängerin in der gesamten letzten Legislaturperiode.

Aber im Koalitionsvertrag gibt es gerade mal 13 Zeilen über die wirtschaftspolitische Kooperation der Länder.

Wir haben eine gemeinsame Innovationsstrategie, die wir erneuern werden, weil sich die Dinge verändern. Es gibt die hohe Erwartung in der Wirtschaft, dass beide Länder zusammenarbeiten. Das machen wir exemplarisch in den Clustern.

Bilden die fünf Cluster noch die richtigen Schwerpunktbereiche ab?

Ja. Wir sehen, dass in den Clustern das Wachstum, auch der Arbeitsplätze, überdurchschnittlich ist. Und die Arbeitsteilung funktioniert auch. Berlin hat Forschung und Wissenschaft und Infrastruktur, und Brandenburg hat gerade im Mobilitätscluster die Produktion.

Und Flächen.

Berlin hat noch Flächen, aber sie werden weniger. Die Flächenkonkurrenzen wachsen. Mit einem Stadtentwicklungsplan Gewerbe und Industrie wollen wir Flächen entwickeln und schützen. Wir wissen von Unternehmen, die sich auf mehrere Standorte verteilt haben, weil sie nicht den Platz an einem einzigen Standort gefunden haben. Deshalb ist Tegel so wichtig! Tegel ist eine der letzten großen Flächen, die entwickelt werden kann. Wir wollen in Tegel nicht nur forschen und entwickeln, sondern auch produzieren. Das Gelände des bisherigen Flughafens ist ein wertvoller Schatz für Wirtschaft und Wissenschaft in Berlin.

Flächen sind ein Engpass für die wirtschaftliche Entwicklung, Menschen ein anderer. Was tun Sie gegen den Fachkräftemangel?

Die Mietenexplosion müssen wir begrenzen, die Verkehrsinfrastruktur muss stimmen und auch die Bildungslandschaft, um Fachkräfte nach Berlin zu bekommen.

Im Koalitionsvertrag ist viel von guter Arbeit die Rede, selbst die Wirtschaftsförderung sollte Geld nur dann vergeben, wenn im Unternehmen des Empfängers anständige Arbeitsbedingungen gewährleistet sind. Das ist sicher gut gemeint, lässt sich aber kaum umsetzen und kontrollieren.

Wir haben mit dem Landesmindestentgelt und der Vergabepolitik wirksame Instrumente. Die Wirtschaft wächst, Preise und Mieten steigen, doch die Einkommen hinken noch hinterher. Es geht mir darum, dass der Aufschwung bei den Menschen ankommt. Was die Kontrolle anbelangt: Wir haben eine entsprechende Kontrollstelle hier im Haus, und ich habe meine Senatskollegen und die Bezirksbürgermeister angeschrieben, Verstöße zu melden.

Wann kommt die Ausbildungsabgabe, wie sie die Koalition von nicht ausbildenden Firmen kassieren will?

Wir haben die Ausbildungsplatzsituation kürzlich in der Sonderkommission beim Regierenden Bürgermeister mit der Berliner Wirtschaft diskutiert. Als Ergebnis und für mehr Ausbildungsplätze wollen wir für die kleinen und mittleren Unternehmen die Verbundausbildung ausbauen.

Also keine Abgabe?

Die Sonderkommission tagt regelmäßig, dort werden die Zahlen und auch die Maßnahmen diskutiert und verabredet.

Sie sind stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Messe Berlin. Wann gibt es die gemeinsame Grundstücksgesellschaft, um der Messe mehr Möglichkeiten zur Geldbeschaffung auf dem Kapitalmarkt zu geben?

Die Sanierung des gesamten Messegeländes wird aufwändig und dauert einige Jahre, dafür gibt es jetzt einen Masterplan. Das Parlament hat uns beauftragt, gemeinsam mit der Messe die Umsetzung der Sanierung auf den Weg zu bringen. Wir schaffen nun gemeinsam mit der Finanzverwaltung die Voraussetzungen dafür.

Was wird aus dem ICC?

Wir müssen hier die verschiedenen Möglichkeiten prüfen. Eine Mischnutzung ist weiter in der Diskussion, mit der Option dort Kongressflächen zu mieten. Das ICC hat einen ganz eigenen Charme, aber so würde man heute natürlich nicht mehr bauen.

Sie sind auch Senatorin für Energie und reden gerne über das Stadtwerk. Aber ist es nicht ein Irrsinn, dass der Streit über die Konzessionen für Gas- und Stromnetze viele Jahre vor Gerichten ausgetragen wird, weil die Politik keine Lösung hinbekommt?

Ich führe das Verfahren nicht. Aber natürlich arbeiten wir mit industriellen Partnern zusammen. Auch Vattenfall investiert inzwischen in die Energiewende und erarbeitet gemeinsam mit der Umweltverwaltung eine Machbarkeitsstudie über den Kohleausstieg. Und das Stadtwerk ist ein kleines, flexibles Unternehmen, sozusagen ein Start-Up, das Energiedienstleistungen in die Stadt bringen und den Markt aufmischen wird.

Das Interview führte Alfons Frese.

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