zum Hauptinhalt
Rituale der Macht. Donald Trump inszeniert jede Unterschrift unter ein neues Gesetz.

© Pablo Martinez Monsivais/dpa

Wirtschaftliche Zwischenbilanz in den USA: Auch Trumps Erfolgsrezept lautet: „It’s the economy, stupid“

Im ersten Amtsjahr von US-Präsident Trump steigen die Börsenkurse um 20 Prozent. Die US-Wirtschaft wächst um drei Prozent, die Arbeitslosenrate sinkt. Drei Viertel der Bürger sind finanziell zufrieden.

Bill Clintons Kernformel für politischen Erfolg ist nahezu zu Tode zitiert worden. Aber sie enthält eine tiefe Wahrheit. Und die behält auch in Donald Trumps unkonventioneller Präsidentschaft ihre Gültigkeit. „It’s the economy, stupid!“

Nach diesem Clinton-Maßstab ist Trump ein erfolgreicher Präsident. Der US-Wirtschaft geht es hervorragend. Auch im vierten Quartal 2017 wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um über drei Prozent wachsen. Dies geschieht bereits im dritten Quartal in Folge. Man muss bis Jahresanfang 2015 zurückblicken, um ein einziges Quartal zu finden, in dem dies unter Barack Obama gelang.

Vielen politischen Kommentatoren mögen sich beim Blick auf Trump die Nackenhaare aufstellen, zumal in Europa. Die Börsianer in den USA versetzt dieser Präsident ins Schwärmen. 60 Mal erreichte der Aktienindex Dow Jones in Trumps erstem Amtsjahr 2017 ein Allzeithoch. Kurz vor Weihnachten knackte er die 24.000er Marke, 20 Prozent über dem Stand bei Trumps Amtsantritt elf Monate zuvor.

Regierungssprecherin präsentiert genüsslich die Zahlen

Die Präsidentensprecherin Sarah Sanders breitete diese Zahlen in ihrem letzten Briefing vor Weihnachten vor den White-House-Korrespondenten genüsslich aus. „1,7 Millionen Jobs sind in diesem Jahr neu geschaffen worden. Die Arbeitslosenrate ist auf 4,1 Prozent gesunken. Das ist der niedrigste Stand seit 17 Jahren.

In der Regel muss Sanders sich im Presseraum des Weißen Hauses scharfen Fragen stellen, die Atmosphäre ist aus ihrer Perspektive feindlich. Mit diebischer Freude nutzt sie die Verkündung guter Wirtschaftszahlen, um vor laufenden Kameras einmal mehr über die „Lügenmedien“ zu klagen, die die wahre Lage angeblich völlig verzerren: „Ich möchte alle ermutigen, einmal aus der Hauptstadt-Blase herauszutreten und zu überlegen, was dieses Jahr für die amerikanischen Bürger bedeutet.“ Nach ihrer Darstellung hat Trump geliefert, was er versprochen hat: Wirtschaftswachstum und neue Jobs.

Der Kritik, dass die Regierung fahrlässig dereguliere und die Schutzvorschriften für Verbraucher und Umwelt reduziere, begegnet Sandes mit einem ganz anderen Narrativ. „Auf jede neue Vorschrift kommen 22, die wir beseitigt haben. Das spart den Steuerzahlern acht Milliarden Dollar und hat die US-Betriebe aus den Fängen einer aufgeblähten Verwaltung befreit.“ Die Zeit, in der die Umweltschutzbehörde EPA „einen Krieg gegen die Kohle führte und Arbeitsplätze killte, haben wir beendet“. Wichtige Pipelines für Öl und Gas, deren Bau die Demokraten verzögert hatten, werden nun errichtet. Und in der Arktis darf „auf verantwortungsvolle Weise nach Öl gebohrt“ werden.

Amerikaner spüren den Aufschwung in ihren Geldbeuteln

So positiv werde es 2018 weitergehen, verspricht der Präsident. Wenige Tage vor Weihnachten hat der Kongress „die größte Steuersenkung aller Zeiten“ verabschiedet.Der Steuersatz auf Unternehmensgewinne fällt von 35 auf 21 Prozent. Auch individuelle Steuerzahlen werden entlastet, freilich in weit geringerem Maße und nur für eine begrenzte Zeit, bis 2025. Die Steuerreform ist unübersehbar so konstruiert, dass sie das Wirtschaftswachstum weiter ankurbelt und einer klaren Mehrheit der Wähler zumindest fürs Erste mehr im Portemonnaie lässt. Damit zielen die Republikaner auf das Kongresswahljahr 2018 und auf das Jahr der nächsten Präsidentschaftswahl, 2020. Das dicke Ende, der Wegfall der Steuererleichterungen für Individuen, würde erst nach Ende einer zweiten Amtszeit Trumps spürbar.

Hier und heute spüren die Bürger den Aufschwung in ihren Portemonnaies. Annähernd zwei Drittel beschreiben die wirtschaftliche Lage als „gut“ oder sogar „exzellent“. Und noch mehr, nämlich Dreiviertel der Befragten, nennen ihre persönliche finanzielle Situation „gut“ oder „exzellent“. Der Hinweis der Demokraten, dies seien die positiven Auswirkungen von Barack Obamas Präsidentschaft, verliert allmählich an Überzeugungskraft.

Mittlerweile halten viele Bürger die gute Konjunktur auch Trump zugute. Das war nicht immer so. Im März hatten 67 Prozent das Verdienst für die gute ökonomische Entwicklung noch Vorgänger Obama zugeschrieben, im Mai 58 Prozent, im August 50 Prozent. Im November hielten sich die Bewertungen, ob dies Obamas oder Trumps Aufschwung sei, erstmals annähernd die Waage. Viele US-Bürger haben zwar weiter Vorbehalte gegen Trumps Politik. Zustimmung findet er bei 37 bis 39 Prozent, auf Ablehnung stößt er bei 57 bis 59 Prozent. Auch seine Wirtschaftspolitik bewerten mehr Amerikaner negativ (51 Prozent) als positiv (44 Prozent). Aber auf diesem Gebiet ist die Diskrepanz weit geringer als in anderen Feldern.

Kritik am Timing der Steuerreform

Einige Ökonomen kritisieren bereits heute das „Timing“ der Steuerreform oder warnen vor schädlichen Langzeitfolgen.   Ex-Notenbankchef Alan Greenspan argumentiert, schon jetzt liege die größere Gefahr in Überhitzung und steigender Inflation. Ein zusätzlicher Antrieb durch Steuersenkungen werde nicht gebraucht. Man hätte ihn für schlechtere Zeiten aufheben sollen. Und: Da die Steuersätze erheblich sinken, werde der Staat deutlich weniger Steuereinnahmen erhalten. Das erzwinge mit der Zeit beträchtliche Kürzungen bei den Ausgaben. Und dann würden die Wachstumsraten spürbar zurückgehen. Diese Fachdiskussionen haben jedoch wenig Einfluss auf das öffentliche Bild von der wirtschaftlichen Lage. Der aktuelle Blick ins eigene Portemonnaie ist entscheidend. Und er hat bei Wahlentscheidungen in der Regel mehr Gewicht als andere politische Fragen. „It’s the economy, stupid!“

Christoph von Marschall ist erster Helmut-Schmidt-Fellow der ZEIT-Stiftung und des German Marshall Fund of the United States (GMFUS) und arbeitet derzeit in Washington an einer Studie über die Zukunft der Transatlantischen Beziehungen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false