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Die Fabrik von Dongfeng Honda: Durch die Pandemie mit dem Coronavirus ist Chinas Wirtschaft erstmals seit Jahrzehnten geschrumpft.

© Ng Han Guan/AP/dpa

Wirtschaft schrumpft um 6,8 Prozent: Wie Chinas Konjunktur sich nach dem Absturz wieder erholt

Chinas Wirtschaft bricht stärker ein als erwartet. Doch die Zahlen zeigen gleichzeitig, dass der Erholungsprozess bereits in vollem Gang sein könnte.

Auf den ersten Blick ist es sogar noch schlimmer als erwartet: ein Einbruch von 6,8 Prozent. Das erste Minus für Chinas Wirtschaft überhaupt seit 1992 mit der Aufzeichnung der Daten zur Wirtschaftsleistung begonnen wurde. Womöglich das mit Abstand schlechteste Quartal seit dem Tod von Mao Zedong 1976.

Auf den zweiten Blick, lassen die Zahlen, die das Statistikbüro in Peking jetzt für das erste Quartal des Jahres mitteilte, aber hoffen: Sieht man sich die Entwicklung für die Monate Januar und Februar und den Monat März im einzelnen an, sieht allen voran die Industrieproduktion vielversprechend aus: Ging sie im Januar und Februar aufgrund des Corona-bedingten weitgehenden Produktionsstopps noch um 20,5 Prozent zurück, lag das Minus im März nur noch bei 1,1 Prozent. Das deutet darauf hin, dass der Erholungsprozess in der Volksrepublik bereits in vollem Gang ist.

Auch der Handel lief besser als die meisten Analysten erwartet hatten. Auf Minus 14 Prozent kam etwa die Analystenumfrage von Reuters für den März. Der tatsächliche Einbruch war dann nur halb so tief: Minus 6,6 Prozent – nach über zwanzig Prozent Einbruch im Januar und Februar.

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Die Exportzahlen von China nach Asien, also in die Asean-Länder, sind noch überraschender. Trotz Viruskrise sind sie im 1. Quartal nicht eingebrochen. Eine schwarze Null, in diesen Zeiten ein schon fast unglaublicher Wert. Er wird plausibel, wenn man sich wieder die einzelnen Monate anschaut. Im Januar und Februar gab es einen scharfen Einbruch, der dann durch die sprunghafte Erholung im März überkompensiert wurde. Dabei hat Peking erst am 11. März das Virus für besiegt erklärt. Bei den Importen zeigt sich ein ähnliches Bild. Im März lagen die Werte nur noch um 0,9 Prozent unter dem Vorjahreswert, im Januar und Februar waren sie noch vier Mal so hoch.

Gutes Zeichen für die Weltwirtschaft

Dass China, aber auch Asien, sich trotz des dramatischen Einbruchs am Jahresanfang schneller erholen als erwartet, ist eine gute Nachricht für die Weltwirtschaft. Denn Asien stemmt inzwischen 60 Prozent des Weltwirtschaftwachstums. China allein 30 Prozent. Über die Hälfte von Chinas Exporten gehen inzwischen nach Asien. Nun dürften es eher noch mehr werden. Denn die Krise in Asien war zwar tief, aber nicht so lang wie im Westen.

Die Region scheint die Pandemie weitgehend eingedämmt zu haben. Wenn man den chinesischen Zahlen nicht glauben mag – gerade wurde die Zahl um 1000 Tote erhöht – kann man denen der Nachbarn vertrauen. Japan hat mit 120 Millionen Einwohnern derzeit nur rund doppelt so viele Infizierte und Tote wie Berlin – die Gefahr ist allerdings noch nicht ganz gebannt.

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Südkorea meldet mit über 50 Millionen Einwohnern so viele Coronatote wie Niedersachsen – bei 2000 Infizierten mehr. Die viertgrößte Volkswirtschaft Asiens hat das Virus sogar ohne Lockdown besiegt. So wie die Insel Taiwan, aber auch Singapur und Hongkong. Indien und Indonesien kämpfen noch – sind aber, soweit man das von außen beurteilen kann, auf einem guten Weg.

China hat sich immer schnell erholt

Das Selbstvertrauen, das in Asien durch die vergleichsweise gut gemeisterte Krise entsteht, darf man nicht unterschätzen. Und mehr Selbstvertrauen bedeutet in Asien vor allem eines: mehr Konsum. China meldet für das erste Quartal denn auch einen Handelsbilanzüberschuss von immerhin noch 12,8 Milliarden US-Dollar, im März waren es sogar 20 Milliarden US-Dollar, aber immer noch rund zehn Milliarden US-Dollar weniger als im Vergleich zum Vorjahr.

Schon in der Finanzkrise 2008/2009 hatte China mit robuster Erholung für Erstaunen gesorgt, ähnlich, wie in der Asienkrise zehn Jahre früher. Das Vertrauen der Chinesen ins Krisenmanagement der Zentralregierung ist groß, umso mehr als deren Maßnahmen zur Wiederherstellung der Normalität von Mal zu Mal schneller Wirkung zeigten: Dauerte es 1989 noch drei Jahre bis die Maßnahmen griffen, waren es 2008 nur drei Monate.

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Wie sehr das Vertrauen in den Staat, solche Krisen zu lösen, in den vergangenen Jahren gestiegen ist, zeigen die Immobilienpreise etwa in Hongkong: In der Asienkrise fielen sie nach Berechnungen des amerikanischen Immobilienkonzerns Johnes Lang LaSalle noch um über 50 Prozent. In der Dotcom Krise und bei Sars nur noch 40 Prozent. In der Weltfinanzkrise nur noch 20 Prozent und in der Coronakrise keine zehn Prozent.

Die Mieten, in Hongkong, die zu den höchsten der Welt gehören, sind nur um gut vier Prozent gefallen. Das gilt ähnlich für den chinesischen Markt. Die Immobilienverkäufe in den 30 wichtigsten Städte sind nach einem kurzen Stillstand im Februar im März schon wieder auf 60 Prozent des Vorjahresniveaus geklettert. Wohnungen sind in China eine der wichtigsten Formen der Altersversorgung. Wenn die Menschen jetzt also wieder Immobilien kaufen bedeutet das: Sie vertrauen darauf, dass die Normalität schnell zurückkehrt.

Die Entwicklung hilft auch Deutschland

Diese Einschätzung deckt sich mit den Beobachtungen von Volkswagen. Mitte März erreichten die Auslieferungen an chinesische Kunden nach Firmenangaben wieder 60 Prozent des Vorjahresniveaus. Für April wird mit 80 Prozent gerechnet und im Sommer gar wieder mit 100 Prozent. Herbert Diess, der Chef von Volkswagen, hofft, denn auch auf ein „respektables Jahr“ – wenigstens in China.

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Dennoch muss man feststellen: Die Konsumzahlen im März sind noch enttäuschend. Nach einem Einbruch von über zwanzig Prozent im Januar/Februar noch 16,1 Prozent Minus im März. Das liegt aber wohl daran, dass die Shopping Malls, Restaurants und Tourismusorte erst Schritt für Schritt aufgemacht haben. Das wird im April schon anders aussehen. Darauf deuten Umfragen hin wie die der Schweizer Bank Credit Suisse: Schon im Februar 2020, also noch mitten in der Krise, gingen mehr als 80 Prozent der befragten Konsumenten davon aus, dass ihr Einkommen in den kommenden 12 Monaten gleich bleibt (33 Prozent) oder sogar steigt (50 Prozent).

„Wird China gewinnen?“ titelt der Economist diese Woche. Auf längere Sicht dürften China und Asien gestärkt aus der Krise hervorgehen und noch selbstbewusster auf der politischen und wirtschaftlichen Weltbühne auftreten. Die positive Nachricht andererseits ist jedoch nicht zu unterschätzen: Der Wohlstand in Asien wird schneller wachsen, die Nachfrage nach Produkten aus dem Westen deshalb anziehen.

Das hilft der Exportnation Deutschland in diesen Zeiten sehr. Die zweite gute Nachricht: Die Produkte aus Asien werden nicht teurer, eher billiger. Denn es werden mehr davon für den asiatischen Markt produziert. Auch das ist hilfreich in Zeiten des leeren Geldbeutels in der neuen Normalität nach dem Virus.

Frank Sieren

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