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Wirtschaftsminister Peter Altmaier (rechts) und Finanzminister Olaf Scholz.

© imago images/photothek

Wirtschaft läuft besser, Altmaier hebt Jahresprognose an: Warum die Regierung glaubt, sich den Teil-Lockdown leisten zu können

Der Sommer war wirtschaftlich besser als erwartet. Wirtschaftsminister Peter Altmaier wird optimistischer. Und beim privaten Konsum ist noch Luft. Eine Analyse

Peter Altmaier hat eine eher optimistische Prognose gewagt, und sie hätte sogar noch ein bisschen besser ausfallen können. Aber der Bundeswirtschaftsminister hat nicht umsonst die Vorstellung seiner Herbstprojektion der wichtigsten Wirtschaftszahlen um zwei Tage auf diesen Freitag verschoben. Er wollte die Beschlüsse abwarten, auf die sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch verständigt hatten. Denn der teilweise Lockdown des öffentlichen Lebens im November wird Auswirkungen haben.

Doch offenkundig haben die Regierenden in Bund und Ländern diese auch riskiert, weil die Wirtschaft besser läuft als noch vor Wochen und Monaten gedacht. So sind die zu erwartenden Einbußen bei der Wirtschaftsleistung durch die Schließungen in der Gastronomie und den Freizeit- und Kultureinrichtungen – und auch die damit verbundenen staatlichen Unterstützungsleistungen – aus Regierungssicht zu verantworten.

Minus von 5,5 Prozent für 2020

Altmaier sah es daher auch nicht als nötig an, seine Herbstprojektion des Wirtschaftswachstums für 2020 angesichts der Beschlüsse vom Mittwoch noch einmal umzuwerfen. Er geht von einem Minus der Wirtschaftsleistung im Gesamtjahr von 5,5 Prozent aus. Noch im September hatte er mit minus 5,8 Prozent im Vergleich zu 2019 gerechnet. In der Frühjahrsprognose, die noch ganz unter dem Eindruck des Wachstumsschocks von März und April stand, waren es minus 6,3 Prozent.

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Die möglichen wirtschaftlichen Folgen des November-Lockdowns deutete Altmaier an: Im ursprünglichen Entwurf, also vor den Beschlüssen vom Mittwoch, sei man für das vierte Quartal von einem moderaten Wachstum von 1,1 Prozent zum Vorquartal ausgegangen. Nun hat man einen geringeren Zuwachs von 0,4 Prozent zugrunde gelegt.

Plus im dritten Quartal bei 8,2 Prozent

Was aber auch daran liegt, dass das dritte Quartal 2020 deutlich besser ausfiel als erwartet: Das Statistische Bundesamt meldete am Freitag ein Plus von 8,2 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal, das einen Einbruch von 9,8 Prozent gesehen hatte. Altmaier hat das allerdings in seiner Prognose nicht berücksichtigt – dieser liegt für das dritte Quartal ein Plus von 7,1 Prozent zugrunde. Der Minister sprach von einem „Puffer“, den er sich noch lassen will.

In der Kombination all dieser verwirrend wirkenden Zahlen lässt sich zweierlei folgern. Auch dank einer besser laufenden Wirtschaft sah sich der Bund erstens veranlasst, die zum Teil etwas zögerlichen Ministerpräsidenten auf den Lockdown-Kurs zu bringen. Der wird zwar Einbußen bringen, die man sich aber glaubt leisten zu können.

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Denn die – das ist der zweite Punkt – nun von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in Aussicht gestellten Hilfen an die betroffenen Unternehmen und Selbständigen mit einem Volumen von bis zu zehn Milliarden Euro sind dank der besser laufenden Wirtschaft über den Sommer hinweg ohnehin vorhanden. Was bisher von der Wirtschaft nicht abgerufen wurde, kann nun für die Wintermonate bereitgestellt werden. Zudem dürften die Steuereinnahmen etwas besser ausfallen – das haushaltspolitische Risiko des Bundes mit den weiteren Überbrückungshilfen auch ins nächste Jahr hinein ist also begrenzt. Die Reserven seien vorhanden, hatte Scholz in der Merkel-Runde am Mittwoch signalisiert.

2021 wird Wachstum von 4,4 Prozent erwartet

Für das kommende Jahr erwartet Altmaier weiterhin die schon länger in Aussicht gestellte moderate Erholung – ein Plus von 4,4 Prozent soll es werden, wenn die Folgen der Epidemie nicht deutlich schlimmer ausfallen. Die Rückkehr auf den alten Pfad, also ein Bruttoinlandsprodukt, das wieder höher sein wird als 2019, dürfte dann 2022 geschafft sein.

Vielleicht gelingt das auch schon ein wenig früher. Denn ein Posten in der Gesamtrechnung fällt derzeit noch deutlich negativer aus, als es die gesamtwirtschaftliche Entwicklung eigentlich erwarten lassen könne. Der private Konsum der Bürger hinkt hinterher. Das Minus von 6,3 Prozent ist, so sehen es die Experten im Wirtschaftsministerium, auch stimmungsbedingt. Die Verbraucher sind weiterhin vorsichtig, sie halten sich noch immer zurück (obwohl der vermehrte Inlandsurlaub da ja etwas mehr Schwung hätte erwarten lassen können).

Die Mehrwertsteuersenkung scheint noch immer nicht als Anreiz für größere Ausgaben gewirkt zu haben. Dass der neue Teil-Lockdown die Stimmung hebt, ist nicht zu erwarten – aber vielleicht ein dann plötzlich auflebendes Weihnachtsgeschäft. Eine Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung über das Jahresende hinaus sieht Altmaier auch daher mit Skepsis. Er halte das nicht für richtig, sagte er am Freitag. Er hofft offenkundig auf einen deutlichen Konsumschub ganz am Ende des Jahres.

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