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Unbequeme Fragen in Aussicht: Olaf Scholz und Angela Merkel müssen in dieser Woche vor dem Wirecard-U-Ausschuss aussagen.

© John Macdougall/AFP

Wirecard-Untersuchungsausschuss: In dieser Woche werden Merkel, Altmaier und Scholz befragt

Die Bundeskanzlerin, drei Minister und zwei Staatssekretäre müssen vor dem Ausschuss aussagen. Derweil rückt EY immer weiter in die Kritik.

Der Wirecard-Untersuchungsausschuss geht in seine politisch brisanteste Woche. Standen bisher vor allem Behördenchefs, Mitarbeiter und Führungskräfte des Konzerns selbst im Fokus, muss in dieser Woche die erste Reihe der Bundesregierung Rede und Antwort stehen. Am heutigen Dienstag werden Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und die Staatssekretärin für Digitalisierung, Dorothee Bär (CSU) befragt. Einen Tag später folgt Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sowie der Finanzstaatssekretär Jörg Kukies.

Am Donnerstag ist Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) an der Reihe und am Freitag die Bundeskanzlerin, Angela Merkel (CDU). Das Kabinett habe dafür in seiner jüngsten Sitzung die notwendige Aussagegenehmigung erteilt, wie die Bundesregierung am Freitag mitgeteilt hatte. Merkel ist für den Untersuchungsausschuss wichtig, weil sie sich im September 2019 auf einer Chinareise für Wirecard eingesetzt haben soll.

Guttenberg berichtete von Gespräch mit Merkel

Wie der ehemalige Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor dem Ausschuss ausgesagt hatte, hatte er Merkel im Vorfeld gebeten, die Pläne für Wirecards Markteintritt in der Volksrepublik bei dem Besuch wohlwollend zu unterstützen“. Das Thema hat nach seiner Aussage im Gespräch mit der Kanzlerin nur zwei bis drei Minuten eingenommen. Die Kanzlerin sei, so Guttenberg, nicht „mit wehenden Fahnen aufgesprungen“, sondern habe auf ihre Fachleute verwiesen. Von dem Betrug habe man zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich noch nichts gewusst.

Der Zahlungsdienstleister war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Mehrere Ex-Vorstände sitzen in Untersuchungshaft oder sind auf der Flucht. Der Finanzaufsichtsbehörde BaFin und dem SPD-geführten Finanzministerium werden in dem Fall weitgehendes Versagen vorgeworfen. Deshalb erhoffen sich Beobachter inhaltlich von den Auftritten von Scholz und Kukies mehr als von der Kanzlerin.

Sonderbericht bringt EY in Erklärungsnot

Immer weiter in die Kritik rücken auch die Wirtschaftsprüfer von EY. Mehrere Bundestagsabgeordnete sehen das Unternehmen, das Wirecards Finanzen geprüft hatte, durch ein noch unveröffentlichtes Sondergutachten stark belastet. „Der Wambach-Bericht ist ein vernichtendes Urteil für EY“, sagte die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe, die im parlamentarischen Untersuchungsausschuss sitzt, der Nachrichtenagentur Reuters. Dieser sei zwar sachlich im Ton, in der Sache aber mehr als deutlich. Der Ausschuss hatte den Berater Martin Wambach als Sondergutachter eingesetzt. „Eine kritische Grundhaltung fehlte, banalste Rechnungslegungs- sowie Qualitätsstandards wurden vernachlässigt und Warnsignale wurden geflissentlich übersehen“, fasst Kiziltepe zusammen.

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Das Sondergutachten liegt in der Geheimschutzstelle des Bundestags. Auch damit will sich der U-Ausschuss in einer nicht-öffentlichen Sitzung am Dienstag befassen. „Nach der Diskussion mit Sonderermittler Wambach werden wir entscheiden, ob wir die Prüfer von EY erneut als Zeugen hören“, sagte Danyal Bayaz von den Grünen. „Warnzeichen wurden ignoriert und Prüfungsnachweise waren schlicht unzureichend.“ Fabio De Masi von den Linken ergänzte, EY habe ein genaues Verständnis des sogenannten Drittpartnergeschäfts gehabt, das im Mittelpunkt des Betrugs steht. Der Wambach-Bericht sei daher ein „Begräbnis für EY“.

EY teilt auf Anfragen zum Fall Wirecard stets mit, intensiv mit allen zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten und die Ermittlungen vollumfänglich zu unterstützen. Das Unternehmen habe nach derzeitigem Erkenntnisstand professionell und nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Die Frage, warum der Betrug nicht früher aufgedeckt worden sei, sei allerdings berechtigt. (mit rtr)

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